Historisches Archiv in Oaxaca

Gezähmter Riese

Das Historische Archiv in der mexikanischen Stadt Oaxaca ist Teil des Parks „Las Canteras“ und besetzt dort eine Fläche, auf der annähernd ein städtischer Block Platz finden würde. Der östlich des Zentrums gelegene Standort ist für die Baugeschichte des Ortes bedeutend: Ursprünglich befand sich hier ein Steinbruch, in dem der grünliche Stein abgebaut wurde, der die Mauern der historischen Gebäude der Altstadt prägt. Mit seiner schieren Größe zeigt das neue Archiv den Wert, der der wechselhaften Geschichte von Oaxaca zugemessen wird. Mit dem Bauwerk, das vom Büro Mendaro Arquitectos aus Madrid entworfen wurde, soll sie in all ihren Facetten bewahrt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Das Ensemble, das vom Büro Mendaro Arquitectos aus Madrid entworfen wurde, orientiert sich mit den öffentlich zugänglichen Nutzungen nach Osten und Süden, wo es an einen Park anschließt.
Lehmfarben pigmentiert und mit Brettern verschalt zeigen sich die Sichtbetonwände des Historischen Archivs.
Aufgrund des örtlichen Gefälles ist der öffentliche Zugang von Süden im Untergeschoss angeordnet.

Trotz der Weitläufigkeit der baulichen Anlage und dem einheitlichen Material Sichtbeton wirkt das Ensemble durch seine Gliederung nicht zu wuchtig oder monoton. In ihrer räumlichen Vielfalt und Detaillierung erinnert die Architektur stellenweise an Bauwerke des letzten Jahrhunderts, vornehmlich der 1960er-Jahre. Diese Illusion wird durch die Detailzeichnungen des Architekten Ignacio Mendaro Corsini verstärkt, die in einer vordigitalen Zeit entstanden zu sein scheinen. Konkreter Bezugspunkt für den Bau war auf Wunsch der Bauherrschaft das Archiv in Toledo, das Mendaro Arquitectos im Jahr 2000 fertiggestellt haben.

Durchlässig versus abgeschottet

In dem Gebäude sind öffentlich zugängliche Bereiche mit Bibliotheken, Vortragssälen, Studierräumen und einer Cafeteria sowie geschützte Zonen für das Analysieren, Restaurieren und Bewahren des Archivmaterials untergebracht. Das Planungsteam ordnete die Räume mit Publikumsverkehr winkelförmig in Richtung des Parks an. Aufgrund des örtlichen Gefälles sind die beiden entsprechenden Zugänge im Süden im Untergeschoss und im Westen im Erdgeschoss platziert. Nordöstlich dieser prägnanten Hauptbauwerke liegt – verteilt auf kleinere Volumina – der abgeschlossene Archivbereich, an den die Verwaltung und ein Parkplatz für Mitarbeitende grenzen.

Die sorgsam inszenierten Übergänge zwischen Innen und Außen, die Ein- und Durchblicke sowie der differenzierte Umgang mit Tageslicht prägen das räumliche Erlebnis im Inneren des Gebäudes. Neben Sichtbeton sind dunkles Holz und schwarzer Stahl die dominierenden Materialien. Abwechslungsreich bepflanzte Patios, in die auch vorhandene Bäume integriert wurden, lockern die Bebauung auf. Nach dem Wunsch des Planungsteams sollte der Gebäudekomplex auch Besuchende des angrenzenden Parks anziehen, die nur durch das Ensemble flanieren wollen. Dafür wurde zwischen den beiden öffentlichen Zugängen eine Passage geschaffen, die das Innere erlebbar macht und unter anderem an der Cafeteria vorbeiführt.

Schalung: Feine Holzmaserung auf ockerfarbenem Beton

Lehmfarben pigmentiert und mit Brettern verschalt zeigen sich die Sichtbetonwände des Historischen Archivs. Der Farbton soll Bezug nehmen auf die Berglandschaft westlich von Oaxaca, in der vornehmlich Mixteken, mexikanische Ureinwohner, leben. Die richtige Nuance beziehungsweise Betonrezeptur wurde anhand von 40 Mustern ermittelt, die vorab angefertigt wurden.

Der Bau ist einschalig in Beton ausgeführt, die Wände sind 40 cm dick. In Oaxaca ist es das ganze Jahr über warm, sodass vor allem für ausreichend Speichermassse und eine gute Belüftung gesorgt werden musste. Da das Bauwerk in einem erdbebengefährdeten Gebiet steht, sind die Bauteile überdurchschnittlich stark bewehrt, was die Verwendung von selbstverdichtenden Beton erforderlich machte.

Bretter-, Gitter- und verlorene Schalung

Für die Ortbetonwände ließ das Planungsteam Stahlrahmenschalungen einsetzen, auf die eine Schalhaut aus horizontal angeordneten, 10 cm breiten Brettern aufgebracht wurde. Das gewünschte Schalungsbild ermittelte man an den später nicht mehr sichtbaren Außenwänden des Untergeschosses, wo testweise mit verschiedenen Brettern geschalt wurde.

Nach Süden und Westen finden sich an der Fassade im ersten Obergeschoss verandaartige Bereiche, die mit einem Band aus offenen Gitterstrukturen bekleidet sind; auch Teile der Umfassungsmauern und ein brückenartiger Übergang im Inneren des Ensembles zeigen diese durchlässige Haut aus Beton. Hergestellt wurden die Bauteile vor Ort mit speziellen Stahlschalungen.

Für die dreieckigen Durchbrüche, die vor allem Wände des Archivbereichs prägen, ließ das Planungsteam aus Stahlblechen geschweißte hohle Prismen mit dreieckiger Grundfläche verwenden, die als verlorene Schalung in die Bewehrung gehängt wurden. Stellenweise kamen zudem langgestreckte Hohlkörper aus Polyurethan zum Einsatz, die man vertikal zwischen die Bewehrung montieren ließ. Durch diese später unsichtbaren Elemente konnte an Stellen, die für die Tragwirkung nicht relevant sind, Beton und Stahl eingespart werden. -chi

Bautafel

Architektur: Mendaro Arquitectos, Madrid (Ignacio Mendaro Corsini mit José Ignacio Montes Herraiz, Anabel Gomez García, Maribel González, Omar Peñaloza Mendoza, Alberto Arteaga, Eder Ávila Robles, Francisco Ricardez, Luis Martínez Zúñiga, Janet Isabel Bautista, Yurik Kifuri)
Projektbeteiligte: Daniel López Salgado, Oaxaca (Architektur); Proesi, Oaxaca (Tragwerksplanung); Pagasa Construcciones, Puebla (Bauunternehmen); Cemex, Oaxaca (Zement); Peri, Huehuetoca (Schalung)
Bauherrschaft: Alfredo Harp Helú Oaxaca Foundation, Government of Oaxaca
Standort: La Ciudad de las Canteras, 71228, Segunda Privada 21 de Marzo 100, U.H. Deportiva, Santa Lucía del Camino, Oaxaca, Mexiko
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Elena Marini Silvestri, Fausto Nahum Pérez Sánchez und Ignacio Mendaro Corsini

Fachwissen zum Thema

Die Wahl der Schalung hat entscheidenden Einfluss auf die Erscheinung der Sichtbetonflächen (Abbildung: St. Canisius-Kirche in Berlin; Architektur: Büttner, Neumann, Braun).

Die Wahl der Schalung hat entscheidenden Einfluss auf die Erscheinung der Sichtbetonflächen (Abbildung: St. Canisius-Kirche in Berlin; Architektur: Büttner, Neumann, Braun).

Grundlagen Schalungen

Flächengestaltung durch Schalungen

Beispiel einer Rahmenschalung aus Stahl, die überwiegend für den Hoch- und Industriebau zum Einsatz kommt

Beispiel einer Rahmenschalung aus Stahl, die überwiegend für den Hoch- und Industriebau zum Einsatz kommt

Wand-/​Deckenschalungen

Rahmenschalungen für die Wand

Komplizierte Formen in Sichtbetonqualität  beim Satellitenkontrollzentrum Galileo in Oberpfaffenhofen

Komplizierte Formen in Sichtbetonqualität beim Satellitenkontrollzentrum Galileo in Oberpfaffenhofen

Grundlagen Schalungen

Sichtbeton

Elementwand und Dämmung übernehmen die Funktion einer verlorenen Schalung.

Elementwand und Dämmung übernehmen die Funktion einer verlorenen Schalung.

Sonderschalungen

Verlorene Schalungen

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Schalungen und Gerüste sponsored by:
PERI | Kontakt 07309 / 950-0 | www.peri.de