Hirnforschungszentrum in Jerusalem

Spiel der Neuronen und Synapsen

Heureka, jetzt hab ich‘s! Nicht nur Archimedes sondern wir alle kennen sie: die Gedankenblitze. Beim Denken und Lernen, bei der Motorik und der Wahrnehmung treten die sogenannten Neuronengewitter im Kopf auf und sind Kernthema der Hirnforschung. Beim Neubau des Edmond and Lily Safra Center for Brain Sciences in Jerusalem haben Foster + Partners dieses Motiv bildhaft in der Fassade verarbeitet.

Prägendes Merkmal des Baus ist sein helles Aluminium-Netz.
Die Struktur symbolisiert das Zusammenspiel von Neuronen und Synapsen.
Das Netz markiert die Laborbereiche im 1. bis 3. Obergeschoss.

Das interdisziplinär ausgerichtete Hirnforschungszentrum mit vier Ober- und zwei Untergeschossen liegt am Rande des nach Nordost ansteigenden Campusgeländes der 1918 gegründeten Hebräischen Universität Jerusalem, gut einen Kilometer südwestlich der Knesset. Das fast tempelhaft wirkende, mittensymmetrische Forschungsgebäude mit Haupteingang an der Südwestecke soll eine Portalfunktion für den gesamten Campus entfalten und ist über eine gerade Treppe sowie eine im Zickzack verlaufende Rampe im Westen erschlossen.

Die ausgewogen gestaltete Westfassade ruht auf dem Sockel aus Treppe und Rampe und ist von der Horizontalen einer auskragenden Dachkante und den beiden Vertikalen der Erschließungskerne von Gebäudenord- und Südflügel geprägt. Die über dem Erdgeschoss schwebenden Stirnseiten der beiden Flügel scheinen außen an die vorgemauerten Kerne gehängt. Verbunden sind beide über geschlossene Treppenbrüstungen hinter Glas – die einzige Störung der Spiegelsymmetrie in der Westansicht. Dahinter sind sich Nord- und Südflügel parallel gegenübergestellt und bilden einen im Winter überdachten Hof mit Galerien, 24 Grapefruit-Bäumen und einem linear angeordneten Wasserbecken, das an der offenen Ostseite nach draußen führt.

Konzipiert für den interdisziplinären Austausch
Das Erdgeschoss ist umlaufend verglast, die Riegellängsseiten springen hinter kräftigen, mauerwerksverkleideten Pfeilern zurück. Die aufschiebbare ETFE-Dachmembran über dem Innenhof ist ein Geschoss über den Dachflächen der beiden Riegel angeordnet, wodurch eine umlaufende Terrasse mit an Ost und Westseite neun Meter weit auskragendem Lamellendach gebildet werden konnte. Im Südflügel sind im Erdgeschoss vier unterschiedlich große Hör- und Vortragssäle untergebracht. Der große Hörsaal mit 200 Plätzen ist teilweise ins Untergeschoss abgesenkt. Im Nordflügel befindet sich die Cafeteria an der Nordostecke des Gebäudes. Von dort führt im organischen Mäander ein Fußweg durch die gartenartig gestalteten Außenanlagen weiter den Campus-Hügel hinauf.

Die Labor- und Büroarbeitsplätze befinden sich in den darüber liegenden Geschossen. Zwischen den insgesamt 28 Labors wurden hinreichend kommunikative Zonen geschaffen, die auch den interdisziplinären Austausch fördern sollen. Zudem sind die Arbeitsbereich so organisiert, dass die Teams in Größe und Zusammensetzung immer wieder entsprechend der laufenden Forschungsprojekte angepasst werden können. Eine Bibliothek und eine kleine, öffentliche Kunstgalerie gehören ebenfalls zum Raumprogramm. Eine Tiefgarage mit Zufahrt unter dem Haupteingang befindet sich im zweiten Untergeschoss. Die Konstruktion des Gebäudes besteht aus nachgespannten Stahlbetonrahmen mit Stahldach.

Fassade: lasergeschnittenes Sonnenschutz-Geflecht aus Aluminium

Vom ersten bis zum dritten Obergeschoss sind die Glasflächen der Nord-, Ost- und Südseite sowie die westseitigen Riegelstirnseiten mit einem hellen lasergeschnittenem Aluminium-Netz überzogen, das sich wie ein bandartiges Geflecht um die Laborbereiche wickelt und als Sonnenschutz dient. Inspiriert ist diese nicht repetitive, symbolhafte Struktur von den Zeichnungen des spanischen Mediziners Santiago Ramón y Cajal. Aufgrund mikroskopischer Studien hatte Cajal um 1900 das Zusammenspiel von Neuronen und Synapsen visualisiert. Der Neuronen-Synapsen-Screen des Hirnforschungszentrums in Jerusalem setzt sich aus 290 unterschiedlichen Paneelen zusammen, die über rund 1400 Haltezapfen gelenkig vor die dahinterliegende Pfosten Riegel-Fassade geschraubt sind.

Die Wandoberflächen des Innenhofs bestehen, wie auch die nach außen vorgezogenen Kerne der beiden Gebäudeflügel und die Pfeiler im Erdgeschoss aus Jerusalem Stone, einem regional vorkommenden, beigefarbigen Kalkstein, sowie aus hell gefasstem Beton im Bereich der Galerien. Kombiniert sind diese Materialien mit Holz, Stahl, Glas und Aluminium.

Bautafel

Architekten: Foster + Partners, London u.a.
Projektbeteiligte: Norman Foster, David Nelson, Spencer de Grey, Stefan Behling, Darron Haylock, Matthew Hayhurst, Parul Singh, Kadri Kaldam, Apostolos Despotidis, Joana Santos, Josef Musil (Foster + Partners Design Team); Roger Ridsdill Smith, Xiaonian Duan, Piers Heath (Foster + Partners Engineering Team); YBGSNA - Yuval Baer Galit Shifman Nathan Architects, Jerusalem (Kooperation Entwurf, Bauleitung); Baran Group, Beit Dagan (Projektmanagement); Luis Labaton & Partners Civil Engineers, Jerusalem (Tragstruktur); Yzhar Irony (Mechanik, Elektroplanung); Moshe Levy, Kraushar-Levy Electrical Engineering, Tel Aviv (Lichtplanung); Moria-Sekely Landscape Architects, Tel Aviv (Freiraumplanung), Narsha / Danko, Yarka (Bauausführung); Alumeshet, Javne (Ausführung Fassade)
Bauherr: Hebrew University of Jerusalem
Fertigstellung: 2020
Standort: The Hebrew University, Edmond J. Safra Campus, Derech Elyashar, Q5CW+9M Jerusalem, Israel
Bildnachweis: Studio Harel Gilboa, Jerusalem / Foster + Partners, London u.a.

Fachwissen zum Thema

Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Stahl und Glas an der Akademie der Künste in Berlin, geplant von Behnisch Architekten

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Fassadenarten

Pfosten-Riegel-Fassade

Feststehende, mit Keramik bestückte Vertikallamellen am Clay-Museum in Middlefart; Architektur: Kjaer & Richter, Aarhus

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Zusatzelemente

Sonnenschutz außen

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