Glasmacherei-Areal Site Verrier in Meisenthal

Schwungvoll zugedeckt

Im kleinen Ort Meisenthal im regionalen Naturpark Vosges du Nord sprenkeln putzige Einfamilienhäuser und ehemalige Bauernhöfe die umgebenden Hänge. Direkt im Ortszentrum befindet sich jedoch ein Ungetüm: Das Areal einer ehemaligen Glasmacherei, deren Geschichte bis ins 18. Jahrhundert reicht.

Ein wellenartiges Dach aus Beton fasst nun ein im Grundriss blasenförmiges Rund und verbindet die unterschiedlichen Nutzungen.
Neu sind auch zwei Giebelbauten, die als zweieiige Zwillinge erscheinen.
Während der eine Bau in Ortbeton ausgeführt wurde und gestockte Oberflächen zeigt, prägen den anderen glatte Fertigteilelemente.

Die Büros SO-IL aus New York und Freaks aus Paris haben den heterogenen Bestand der Site Verrier, der sich lose um einen Hof gruppiert, nun in einer schwungvollen Geste zusammengefasst und damit auch die inzwischen dort angesiedelten kulturellen Nutzungen enger miteinander verzahnt. Dazu gehören ein Museum zur Geschichte der Glasmacherei in Meisenthal und ein weiteres zu Glaskunst aus aller Welt. Darüber hinaus wird das Areal – insbesondere das größte Bestandgebäude, die ehemalige Produktionshalle – mit Veranstaltungen bespielt, die von Konzerten über Ausstellungen und Installationen bis hin zu Festivals reichen.

Dach und Landschaft

Ein wellenartiges Dach aus Beton fasst nun ein im Grundriss blasenförmiges Rund, das tiefer liegt als der Hof zuvor und darüber hinaus niveaugleich ausgeführt wurde. Unter dem Dach finden sich Zugänge zum Bestand und neue Räume; die Oberfläche ist begehbar und dient ebenfalls der Erschließung der Bauten. Das eröffnet die Möglichkeit, das Areal aus neuen Perspektiven kennenzulernen.

Unter dem Hochpunkt der Welle ist das Besucherzentrum platziert. Im unteren Teil handelt es sich dabei um eine bestehende Ruine aus Backstein, der obere Teil ist neu und wurde in Beton ausgeführt. Das Museum zur ehemaligen Glasmacherei ist im Hauptgebäude untergebracht, das im Süden des Areals liegt. Von dessen Ostgiebel aus führt ein geschwungener Steg zum Internationalen Zentrum für Glaskunst, zu dem auch zwei kleinere Giebelbauten aus Beton gehören. Diese erinnern formal an die dort platzierten Vorgängerbauten. Der größte Bau des Ensembles ist und bleibt die ehemalige Produktionshalle, die so umgebaut wurde, dass dort sowohl kleinere Theateraufführungen als auch große Konzerte stattfinden können.

Schalungen: Erhalten und Weiterbauen

Die Umformung des Areals umfasste anfangs den Aushub für den neuen Hof samt Wasserhaltung und den Abriss von bestehenden Nebenbauten bei gleichzeitigem Erhalt historisch bedeutsamer Gebäude und Bauteile. Die zwei neuen Giebelbauten in Ort- und Fertigteilbeton entstanden noch vor dem verbindenden Dach. Während der mit Fertigteilen bekleidete Bau glatt und kantig erscheint, entschied man sich bei dem Haus in Ortbeton für abgerundete Ecken und eine raue Textur, die durch das nachträgliche Stocken der Oberfläche erreicht wurde. Bei der Schalung handelte es sich um eine Trägerwandschalung. Für die abgerundeten Ecken und Kanten nutzte man einfach und doppelt gekrümmte 3D-Schalungskörper.

Auf starken Schultern

Die Veranstaltungshalle wurde durch eine sogenannte Black Box erweitert: ein in das Volumen der Halle eingeschobener Quader aus Beton, der wahlweise als Tribüne mit Sitzplätzen oder als Bühne genutzt werden kann. Die Wände wurden mithilfe von Rahmenschalungen erstellt und erhielten ihre Aussteifung erst durch das Dach, dessen Trägerschalung auf einem regelmäßigen Wald aus Gerüsttürmen ruhte.

Das wellenartige Dach im Hof entstand durch viel Handarbeit: Das Ausführungsteam belegte die durch abgetreppte Traggerüstkonstruktionen gestützten Schablonen flächig mit Holzbrettern, auf die wiederum die Schalhaut aufgebracht wurden. Für die Abschalung des geschwungenen Attikabereichs nutzte man kleinformatige Schalungskörper.

Eine gerüstartige Fassung erhielt der Schornstein im Innenhof des Ensembles, der schon vor den Bauarbeiten in eine leichte Schräglage geraten war. Ein Korsett aus Stahl stützt nun diesen hochaufragenden Teil des Ensembles. -chi

Bautafel

Architektur: SO–IL, New York, und FREAKS, Paris (Team SO–IL: Florian Idenburg, Jing Liu, Ilias Papageorgiou, Lucie Rebeyrol, Ian Olivier, Seunghyun Kang, Pietro Pagliaro, Danny Duong, Antoine Vacheron; Team FREAKS: Yves Pasquet, Cyril Gauthier, Guillaume Aubry, Bertrand Courtot, Axel Simon)
Projektbeteiligte: LFA (Projektmanagement); MHI(Tragwerksplanung); dUCKS (Szenografie); Designers Unit (Ausstellungsgestaltung); MDETC / VPEAS (Kostenkontrolle); Peutz (Akustik); C2Bi (Planungsmanagement)
Bauherr/in: Kommunalverwaltung Pays de Bitche / Bitscher Land
Standort: Site Verrier, 57960 Meisenthal, Frankreich
Fertigstellung: 2022
Bildnachweis: Iwan Baan; SO–IL + Freaks

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