Glashaus für ein Heliumdepot in Dresden

Erster geklebter Ganzglaspavillon Deutschlands

Helium ist ein Edelgas, das sich vielfältig nutzen lässt: sei es als Traggas für Ballons und Luftschiffe, als Treibgas in der Lebensmittelindustrie oder als Atemgas in der Intensivmedizin. In flüssiger Form wird es als bevorzugtes Kühlmittel etwa in Kernspintomografen verwendet. Auch das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) in Dresden nutzt flüssiges Helium für seine Experimente bei sehr tiefen Temperaturen. Da der weltweit steigende Bedarf zu einer zunehmenden Verknappung des Gases geführt hat, sah sich das Institut dazu veranlasst, Versorgungsenpässe mit einer eigenen Verflüssigungsanlage zu schließen. Als Teil dieser Anlage entstand die Glaseinhausung einer historischen Helium-Druckbehälter-Anlage nach einem Entwurf der Architekten Blum und Schultze aus Dresden.

Der Pavillon im städtebaulichen Kontext
Längsseite
Eckdetail

Das IFW wünschte sich eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung, dem die Architekten mit einer volltransparenten Hüllkonstruktion des 7,7 x 4,4  x 2,7 m (L x B x H) großen Pavillons gerecht werden. Frei von opaken Bauteilen und ohne jedes sichtbare Verbindungsmittel ist die Einhausung ein baurechtliches und bautechnisches Novum in Deutschland. Das Haupttragwerk besteht aus vier gläsernen Rahmen. Diese tragen die einhüllenden Verglasungen und übernehmen die Queraussteifung der Konstruktion. Die Längsaussteifung erfolgt über die gläsernen Seitenwände.

Glas
Die tragenden Rahmen bestehen aus VSG aus vier Lagen ESG-H. Die äußeren Lagen haben eine Stärke von je 10 mm, die beiden Inneren von je 8 mm. Die Eckverbindung ist eine Schlitz-Zapfen-Verbindung, bekannt aus dem Holzbau. Bei den Rahmenstielen laufen die äußeren, bei den Rahmenriegeln die beiden inneren Glastafeln des Verbundes bis in die Ecke durch, so dass eine Gabellagerung entsteht. Im Bereich der Überschneidung wurden die einzelnen Elemente flächig mit einem transparenten, strahlungshärtenden Acrylatklebstoff zusammengefügt. Die Breite des Klebspaltes ergab sich aus der 1,90 mm starken PVB-Zwischenschicht.

Am Fußpunkt sind die Rahmen in einem Edelstahlköcher eingespannt und biegesteif an einen Betontrog angeschlossen. Für die Einfachverglasung der Seitenwände und des Daches wurde VSG aus 2 x 12 mm Floatglas gewählt. Ihre großen Formate von rund 7,7 x 4,4 m stellten hohe Anforderungen an Transport und Montage. Die Außenhülle wurde mit Structural-Sealant-Glazing-Silikon (SSG) linienförmig an den Rahmen befestigt. Durch die redundante Ausbildung des Tragsystems führen Beschädigungen an einzelnen Bauteilen nicht zum Gesamtversagen des Tragwerks.

Wesentliche Herausforderung bei diesem Bauwerk war die Herstellung und die Genehmigung der volltransparenten Verbindungen. Mechanische Verbindungen wurden aufgrund ihrer Sichtbarkeit ausgeschlossen. Den volltransparenten Fügungen standen jedoch die gesetzlichen Vorgaben entgegen, da in Deutschland geklebte Tragwerke aus Glas bauaufsichtlich nicht geregelt sind. Auch die bereits seit langer Zeit eingesetzten Structural-Sealant-Glazing Systeme (SSG) sind nur für kurzzeitige Beanspruchungen zugelassen. Für den geklebten Ganzglaspavillon waren deshalb umfangreiche Klein- und Großteilversuche notwendig, um erstmalig in Deutschland eine Zustimmung im Einzelfall für eine vollständig geklebte Ganzglaskonstruktion zu erwirken.

Bautafel

Architekten: Blum & Schultze Architekten, Dresden
Projektbeteiligte: GSK - Glas Statik Konstruktion, Dresden (Tragwerksplanung Glas); GWT-TUD, Dresden (Klebung Rahmenecken); Institut für Baukonstruktion, Technische Universität Dresden (Bauteilprüfung und Überwachung); Glasbau Gipser, Halle/Saale (Glasmontage); Thiele Glas, Falkenhain (Glasveredelung); DERU Planungsgesellschaft für Energie-, Reinraum- und Umwelttechnik, Dresden (Projektsteuerung und Technikplanung)
Bauherr: Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden
Fertigstellung: 2009
Standort: Helmholtzstraße 20, Dresden

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