Generationen-Wohnanlage in Wien

Brettsperrholzelemente im Plattenformat als tragende Struktur

Erst seit einigen Jahren sind mehrgeschossige Wohnbauten aus Holz in Wien gesetzlich erlaubt – und deshalb (noch) recht selten. Nachdem das in der österreichischen Hauptstadt ansässige Büro Praschl-Goodarzi Architekten den Bauträgerwettbewerb „Holzbau in der Stadt“ gewonnen hatten, wurde eine viergeschossige Wohnanlage in Holzmassivbauweise entsprechend dem Siegerentwurf realisiert. Auf einer Nutzfläche von rund 5.120 m² bietet diese Platz für 55 Wohneinheiten, einen Senioren-Club und eine Kindergruppe. Das Gebäudeensemble befindet sich am südwestlichen Stadtrand Wiens im 23. Bezirk und ist umgeben von Einfamilienhäusern und kommunalen Wohnungsbauten. Als Grundstück standen zwei, durch die relativ stark befahrene Rodaunerstraße, getrennte Bauplätze zur Verfügung. Die Architekten ordneten die Baukörper so an, dass alle Wohnungen mit reichlich Tageslicht versorgt werden und sich zum begrünten Außenraum orientieren.

Ansicht Süd der östlichen Gebäudegruppe: Im Zentrum der kompakte Baukörper mit dem Senioren-Club, beidseitig gefasst durch langgestreckte Riegel mit Wohnungen
Das größere Areal mit Senioren-Club und begrüntem Innenhof
Die Wohnungen richten sich mit Balkonen oder Terrassen zum Hof

Auf dem westlichen, kleineren Grundstück sind ein kurzer und ein langer dreigeschossiger Riegel gekoppelt durch einen schmalen Verbindungsbau. Das östlich der Straße gelegene Grundstück ist etwa doppelt so groß. Dort schufen die Planer langgestreckte, ebenfalls dreigeschossige Riegel an der Ost- und Westseite, die im Süden durch einen kompakten Baukörper und schmale Verbindungsbauten verknüpft sind. So entsteht eine u-förmige Anlage mit einem nach Norden offenen, begrünten Gemeinschaftshof. Die dreigeschossigen Gebäude verfügen teilweise über ein weiteres Staffelgeschoss; Stellplätze befinden sich in den Untergeschossen. Die langen Riegel nehmen Wohnungen mit Terrassen und Balkonen zur Hofseite auf. Im kompakten Baukörper zur südlichen Breitenfurterstraße befindet sich der Senioren-Club mit großem Gemeinschaftsbereich und Terrasse zum Hof. Über ein Foyer ist der östliche Gebäudeflügel mit Seniorenwohnungen erreichbar. Zwei Haupteingänge im Westen und Süden erschließen die Anlage, Laubengänge an den Straßenseiten führen weiter zu den Wohnungen.

Die Gebäuderiegel auf dem kleineren Areal sind ähnlich konzipiert. Der längere beinhaltet Wohnungen mit Balkonen oder Terrassen nach Westen, der kurze Baukörper Räume für eine Kindergruppe, Lager-, Technik- und Fahrradräume. Dazwischen liegt ein begrünter Innenhof mit Kleinkindbereich. Die gesamte Anlage ist barrierefrei gestaltet. Die Wohnungsgrundrisse sind flexibel konzipiert, sodass unterschiedlich große Einheiten möglich sind. Die Eingangsbereiche der Wohnungen sind flexibel nutzbar – sie können als Kinderspielflur, als Essraum oder abgetrennter Arbeitsraum dienen (s. Abb.16).

Nachhaltig Bauen
Das Kellergeschoss und Teile des Erdgeschosses, die Treppenhäuser und Aufzugsschächte sind in Massivbauweise errichtet, Erdgeschoss, Obergeschosse und Dachgeschoss in Holzbauweise aus Brettsperrholzdecken und Brettsperrholzwänden. Die Tragkonstruktion aus Stahlbetonwänden und -decken ist eigenständig und leitet die auf ihr wirkenden Kräfte ins Untergeschoss ab. Die Balkone sind an der Fassade über thermisch getrennte Konsolen an der Holzkonstruktion befestigt.

Die Brettsperrholzelemente sind plattenförmig ausgebildet: Sie nehmen Vertikalbelastungen auf und übertragen gleichzeitig hohe Schubkräfte in die Plattenebene. Durch eine entsprechende Ausbildung der Plattenstöße entstanden aussteifende Decken- Wandscheiben. Die plattenförmigen Bauteile haben schlankere Deckenstärken als herkömmliche Holzrahmenkonstruktionen. Durch die kreuzweise Verleimung konnten kleine Durchbrüche hergestellt werden, zum Beispiel für Installationsschächte. Durch den Einsatz der großformatigen, vorgefertigten Brettsperrholzelemente ließ sich die Bauzeit verkürzen. Die Außenwände wurden vorgefertigt, der Innenausbau erfolgte vor Ort. Die einzelnen Holzelemente wurden über Stahllaschen bzw. Stahlwinkel miteinander oder auch mit dem Massivbau verbunden. Stiftförmige Verbindungen und Verdübelungen dienen der Fügung der Elemente.

Die Fassade ist teilweise als hinterlüftete Holzfassade aus heimischem, unbehandelten Lärchenholz ausgebildet. Weil es temperaturausgleichend und feuchtigkeitsregulierend wirkt, ist es positiv für das Raumklima. Die Brettsperrholzdecken (16 bis 20 cm stark)  weisen Spannweiten von 3,10 bis 5,20 Meter auf. Um einen besseren Schallschutz zu erzielen, sind sie mit einer Schüttung ausgestattet. In Bereichen ohne Installationen wurde auf abgehängte Decken verzichtet und das Holz sichtbar belassen. Um gute Schalldämmwerte zu erreichen, kamen einschalige Wandsysteme mit beidseitig freistehenden Vorsatzschalen und schlanken Holzkonstruktionen zur Anwendung: Die Brettsperrholzplatten der tragenden Innenwände sind 9 cm stark, die der Wohnungstrennwände 12,5 cm. Trotz der doppelten Beplankung mit Gipskartonplatten und Dämmwolle sind die Wandaufbauten relativ schlank.

Die Gebäude sind als Niedrigstenergiehäuser konzipiert und weisen aufgrund der guten Wärmedämmung, der kompakten Baukörperform und einer Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung einen Heizwärmebedarf von nur 23 kWh/m² auf. Die Integration verschiedener Generationen und Lebensformen in eine gemeinsame Wohnanlage folgt den Prinzipien sozialer Nachhaltigkeit.

Bautafel

Architekten: P. Good, Praschl-Goodarzi Architekten, Wien
Projektbeteiligte:
RWT+, Richard Woschitz Tragwerksplanung, Wien (Statik und Bauphysik); Anlagenplan, Wien (Haustechnikplanung); Binderholz Bausysteme, Wien (Brettsperrholzelemente); MHB Holz und Bau, Wien (Generalunternehmer)
Bauherr:
Gewog, Gemeinnützige Wohnungsbau Gesellschaft, Wien
Fertigstellung:
2013
Standort:
Breitenfurter Straße 450-454, Wien
Bildnachweis: Bruno Klomfar, Wien

Fachwissen zum Thema

Eine gleichmäßige Temperatur der Luft und der umfassenden Wände bei durchschnittlicher Kleidung, geringer Luftbewegung und mäßiger körperlicher Aktivität in einem gut beleuchteten Raum wirkt auf die meisten Menschen angenehm

Eine gleichmäßige Temperatur der Luft und der umfassenden Wände bei durchschnittlicher Kleidung, geringer Luftbewegung und mäßiger körperlicher Aktivität in einem gut beleuchteten Raum wirkt auf die meisten Menschen angenehm

Planungsgrundlagen

Anforderungen zur Behaglichkeit

Zur sozio-kulturellen Bewertung gehören ästhetische und gestalterische Faktoren, aber auch Behaglichkeit und Gesundheitsschutz (im Bild: Modernisierung eines Wohnquartiers aus den 1930er Jahren in Hamburg-Wilhelmsburg, Architektur: kfs - krause feyerabend sippel partnerschaft, Lübeck).

Zur sozio-kulturellen Bewertung gehören ästhetische und gestalterische Faktoren, aber auch Behaglichkeit und Gesundheitsschutz (im Bild: Modernisierung eines Wohnquartiers aus den 1930er Jahren in Hamburg-Wilhelmsburg, Architektur: kfs - krause feyerabend sippel partnerschaft, Lübeck).

Einführung

Faktoren/Kategorien des nachhaltigen Bauens

Fachwerkbau aus Holz und Ziegelausfachung in Norddeutschland (um 1800)

Fachwerkbau aus Holz und Ziegelausfachung in Norddeutschland (um 1800)

Baustoffe/​-teile

Holz

Übernutzter Wald 1925

Übernutzter Wald 1925

Einführung

Ursprung des Begriffs Nachhaltigkeit

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Mauerwerk sponsored by:
Wienerberger | Kontakt 0511 / 610 70-0 | www.wienerberger.de