Gebogene/Gekrümmte Gläser

Gebogene oder gekrümmte Gläser werden als Gestaltungselement im Fassaden- und Innenausbau sowie bei Überkopfverglasungen verwendet. Biegen lassen sich neben Floatglasscheiben auch thermisch vorgespannte Gläser, Verbundgläser und Isoliergläser. Die Herstellung gebogener Verbundgläser mit Bohrungen ist aufgrund der Maßtoleranzen sehr aufwendig und schwierig. Die Formgebung kann grundsätzlich nach den folgend genannten Verfahren erfolgen.

Die Glasbrücke der Champalimaud Foundation in Lissabon (Charles Correa Associates)
Mehrere hundert Meter langer Verbindungsgang auf der Messe Düsseldorf (1969/197), Architekt: Heinz Wilke
Wellenförmig gebogene Scheiben an der Casa da Musica in Porto (OMA - Office for Metropolitan Architecture)

Schwerkraftbiegen
Das flache Glas wird im Ofen über einer Form erhitzt. Nachdem sich das Glas durch sein Eigengewicht in die Form gesenkt hat, wird der Ofen kontrolliert abgekühlt, wodurch thermische Eigenspannungen minimiert werden. Dieses Verfahren eignet sich auch für Verbundsicherheitsgläser, da hier die Scheiben paarweise unter Verwendung spezieller Trennmittel gebogen werden können. Sofern der Krümmungsradius R über 2,00 m beträgt, können von speziellen Veredelungsbetrieben vorgespannte Gläser mit einer Dicke von 5 mm bis 19 mm bis zu einer maximalen Bogenhöhe f von 700 mm hergestellt werden. Bis zu einer Kantenlänge von H = 2,10 m sind Abwicklungslängen von SV = 3,40 m zu erreichen.

Pressbiegen
Sphärisch gebogene Scheiben für definierte Abmessungen (z.B. Windschutzscheiben) können im Pressbiegeverfahren hergestellt werden. Das Glas wird auf Rollen durch einen Ofen transportiert und anschließend im noch heißen Zustand durch einen Pressvorgang mit einem zweiteiligen Stempel, bestehend aus Patrize (Positiv) und Matrize (Negativ) geformt. Sphärisch gebogene Gläser für das Bauwesen werden auch mit speziellen Formen oder auf Kissen hergestellt. In diesem Verfahren ist die Herstellung von Gläsern bis zu einer Stärke von 8 mm mit Krümmungsradien über 450 mm bis hin zu einer Stichhöhe 200 mm möglich. Der Kleinstradius für vorgespannte Gläser beträgt R ca. 200 mm. Bei gebogenem Floatglas kann bei einer Abwicklungslänge von SV = 3,80 m und einer Kantenlänge H = 2,50 mm eine maximale Stichhöhe von bis zu 800 mm erreicht werden. Sie können zu Verbund- oder Isoliergläsern weiterverarbeitet werden. Die Untergrenze für den Krümmungsradius von Floatglas beträgt etwa 50 mm.
Eine abgewandelte Form des Pressbiegens wird bei der Herstellung von gebogenem thermisch vorgespanntem Glas angewendet, bei welchem nach der Erhitzung der Glasscheiben die Förderrollen im Abkühlbereich zylindrisch verformt werden und während des Abkühlvorgangs das Glas zwischen den Rollen stetig bewegt wird.

Laminationsbiegen
Beim Laminationsbiegen wird das eigentliche Glas nicht durch einen thermischen Prozess verformt, sondern das Verbundglas durch den Laminationsprozess gebogen. Hierzu werden die geschichteten, aber noch nicht verbundenen Glasscheiben im Autoklaven, einem gaßdicht verschließbaren Druckbehälter, in eine Form gezwängt. Der Verbund wird anschließend in dieser Form erzeugt, wodurch sich die Steifigkeit des Gesamtquerschnitts erhöht. Nach Herstellung des Verbunds wird die Form entfernt und es kommt zu einer gewissen elastischen Rückfederung und einem zeitlich verzögerten Rückkriechen, welches durch die viskoelastischen Eigenschaften der Zwischenschichten bedingt wird. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Verbundfolie eine ausreichende Steifigkeit bis zum Ende der geplanten Lebenszeit des Verbundglases unter den zu erwartenden Temperaturbedingungen aufweist. Geeignete Zwischenmaterialien sind beispielsweise Ionoplaste (SGP-Folie) oder EVA-Folien; konventionelles PVB hingegen ist nicht geeignet. Durch das Laminationsbiegen im Glas erzeugte Eigenspannungszustände sind in der Bemessung zu berücksichtigen.

Kaltbiegen (Montagebiegen)
Beim Kaltbiegen bzw. Montagebiegen werden die zunächst ebenen Verglasungen durch Zwängen in eine gekrümmte Unterkonstruktion geformt. Die Formgebung wird dabei über eine dauerhafte mechanische Fixierung der Verglasung aufrechterhalten, wobei die durch die Verglasung eingeleiteten Rückstellkräfte in die Unterkonstruktion in der Bemessung berücksichtigt werden müssen. Die zulässige Biegegeometrie ist dabei von der in der Verglasung dauerhaft erzeugten Eigenspannung abhängig. Bedingt durch die viskoelastischen Eigenschaften der Verbundfolie ist bei Verwendung von Verbund- bzw. Verbundsicherheitsglas während der Montage die Steifigkeit der Folie zu berücksichtigen und der Montageprozess dementsprechend hinsichtlich der Geschwindigkeit, mit welcher die Verglasung in die Unterkonstruktion gezwängt wird, anzupassen.

Biegen während des thermischen Vorspannprozesses

Mittlerweile können auch zylindrisch gebogene Verglasungen aus thermisch vorgespannten Gläsern hergestellt werden. Einige Glasveredler verfügen über allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen für thermisch gebogenes Einscheibensicherheitsglas. Der Produktionsprozess ähnelt dem von ebenen Einscheibensicherheitsglas, sodass das Glas zunächst im Ofenbereich oberhalb der Transformationstemperatur aufgeheizt wird und anschließend in den Abkühlbereich gefahren wird, in welchem auch die eigentliche Biegeeinrichtung integriert ist: Hierzu können die Förderrollen nach Einfahren des heißen Glases im Kühlbereich der zylindrischen Biegeform angepasst werden; die Abkühlung des Glases erfolgt dann in oszillierender Bewegung des Glases im formgebenden Abkühlbereich.

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