Freizeit- und Begegnungsstätte auf Langeoog

Friesische Hallenbauten modern interpretiert

Seit 1947 existiert das Haus Meedland, eine Einrichtung der Bremischen Evangelischen Kirche, auf der autofreien Nordseeinsel Langeoog. Die Freizeit- und Begegnungsstätte steht den Gemeinden für Chorfahrten und Seminare, aber auch für Freizeiten mit Kindern, Jugendlichen, Familien und Senioren offen. Durch ein immer breiteres Angebot stieß das ursprünglich nur für Jugendfreizeiten gedachte Haus an die Grenzen seiner Kapazitäten. Außerdem entsprachen die Bestandsgebäude nicht mehr heutigen Anforderungen an die Barrierefreiheit. Die Kirche schrieb darum einen Wettbewerb für die Realisierung eines Neubaus anstelle des bisherigen Haupt- und Empfangsgebäudes aus, den das Team des Berliner Planungs- und Kommunikationsbüros KSV Krüger Schuberth Vandreike für sich entschied.

Viel Glas sorgt für Transparenz und eine einladende Atmosphäre.
Rote Klinkersteine und rote Biberschwanzziegel prägen die drei Baukörper.
Horizontale Strukturen im Mauerwerk fassen Fenster und Öffnungen zusammen und betonen die Gebäudeecken.

Mehr Barrierefreiheit

Ziel der Bauherrschaft war, das Angebot an Nutzungen und den Komfort der Einrichtung zu steigern und einen wirtschaftlich sinnvollen, ganzjährigen Betrieb zu ermöglichen. Außerdem sollte das Beherbergungs- und Freizeitangebot insbesondere für Rollstuhlbenutzer und behinderte Menschen sowie deren Familien erweitert werden. Der Planungsauftrag sah den Gebäudeentwurf sowie die Innenraum- und Möbelgestaltung vor. Der Neubau konnte trotz dreimonatiger Unterbrechung der Bauarbeiten während der Urlaubssaison in der Sommerzeit innerhalb von 18 Monaten fertiggestellt werden und die Tore von Haus Mirjam und Haus Jona sind für Gäste und Angestellte geöffnet. Beide Gebäude erreicht man über einen großzügigen, neu gestalteten Vorplatz.

Friesische Gestaltungsvorgaben

Bei der Umsetzung mussten die auf der Insel geltenden Gestaltungsvorgaben zu Dachformen, Garten und Materialien geachtet werden, die sich an der friesischen Bautradition orientieren. Architektonisch bezieht sich der Entwurf der langgestreckten dreigeteilten Baukörper mit Satteldächern auf den traditionellen Bautypus der norddeutschen Hallenhäuser, der zeitgemäß interpretiert wurde. So sind, wie bei friesischen Gehöften der Region, die Fassaden und Giebel in rotem Klinkermauerwerk ausgeführt und die Satteldächer mit roten Ziegeln eingedeckt. Dies unterstreicht die klar gegliederte Gebäudegeometrie. Horizontale Strukturen im Mauer­werk fassen Fenster und Öffnungen zu­sammen und betonen die Gebäudeecken. Damit die Kubatur nicht zu wuchtig wirkt, setzte man kontrastierend auf transparente Gauben und großzügige Verglasungen. Diese sorgen für viel Licht im Innenraum und lassen die Gebäude auch nach außen hin offen und einladend wirken.

Viele Gästezimmer und eine Sauna

Schon von Weitem fällt die markante Silhouette der Fassade von Haus Mirjam mit dem großen Schornstein auf. In diesem Gebäudeteil befinden sich der Empfangsbereich sowie die Verwaltung und die Küche mit Personal- und Lagerräumen. Außerdem stehen den Gästen hier eine Lounge und ein Kaminzimmer sowie Kreativ- und Tagungsräume zur Verfügung. Das zweigieblige Haus Jona nebenan ist im Erdgeschoss durch eine gläsernen Verbindung an das Haus Mirjam angeschlossen. Haus Jona beherbergt den teilbaren großen Speise- und Veranstaltungssaal und weitere kleinere Speise- und Konferenzsäle. Im Dachgeschoss beider Häuser befinden sich 22 Gästezimmer, im Haus Mirjam zusätzlich eine Sauna. Alle Gästezimmer verfügen über eine gemütliche, helle Sitzecke in einer dreiseitig verglasten Gaube. Beim Energiekonzept der gesamten Einrichtung legte man Wert auf Nachhaltigkeit. So verfügt das Gebäude über eine Photovoltaikanlage, ein Blockheizkraftwerk und bezieht zu 100 Prozent Naturstrom. Für das Projekt erhielten die Architekten den 1. Preis beim German Design Award 2018.

Dach: Drei lange Satteldächer mit transparenten Gauben

Mit ihrer langgestreckten Form und den Satteldächern nehmen die Neubauten Bezug auf traditionelle friesische Gehöfte. So prägen Backsteingiebel und rote Ziegeldächer das Bild. Die Sparrendächer sind mit Biberschwanzziegeln in Doppeldeckung versehen. Allerdings wurde die traditionelle Dachform modern interpretiert: Transparente Gauben sorgen dafür, dass die Kubatur nicht zu massiv wirkt und dass viel Licht die Gästezimmer im Dachgeschoss erreicht. Der Dachaufbau ist nach EnEV ausgelegt.

Die Dachauswechslung der Gauben wurde durch einen HEB-Träger abgefangen, der in der Sparrenebene liegt und mit einer Extruder-Dämmplatte überdämmt wurde. Die Dachgauben sind sehr filigran ausgeführt. Das Flachdach der Gauben hat ein leichtes Kontergefälle zum Hauptdach und ist mit gerade einmal sechs Zentimetern Dämmung schmal im Aufbau. Die Gaubenwangen sind verglast. Auf eine Außenverschattung wurde verzichtet. Der Luftwechsel wird durch Fensterlüftung realisiert, der sommerliche Hitzeschutz über Quer- und/oder Nachtlüftung. Für die klaren Linien der Gebäudekubatur wurde die Dachentwässerung in die Dachfläche geschoben und als innen liegende Rinnen ausgeführt. Ohne Dachüberstand geht das Dach sowohl in der Trauflinie als auch am Giebel mit feingliedriger Kante zur Fassade über.

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Biberschwanzziegel in Doppeldeckung, kupferbraun engobiert
  • Lattung, 50/30 mm; Lattenweite, 14,7 cm
  • Konterlattung auf Nagelband
  • Unterspannbahn
  • Windrispen, 40/20 mm
  • Rauspund, 22 mm
  • Zwischensparrendämmung Mineralwolle, 24 cm
  • Sparren, 8/24 cm
  • Dampfsperre
  • Installationsebene
  • Innenverkleidung
Die Plattform Dachkult hebt an dem Neubau die „stimmungsvollen Übernachtungs- und Tagungsmöglichkeiten unter dem Dach“ hervor und stellt fest, dass das Objekt „traditionelle Typologien und Materialität in eine zeitgemäße Architektursprache übersetzt“. Anlass für das Statement war die Studie Zur kulturellen Dimension des Steildaches. Diese kam unter anderem zu dem Schluss, dass Steildächer zunehmend auch bei Funktionsbauten an Bedeutung gewinnen.

Dachkult ist die Plattform der Initiative Pro Steildach. Sie setzt sich dafür ein, die Vorteile geneigter Dächer wieder stärker ins Bewusstsein von Architekturschaffenden, Planenden, öffentlichen und privaten Bauherrschaften oder Kommunen zu rücken, Faszination für das Steildach auszulösen und dessen Bedeutung für die Qualität unserer Städte hervorzuheben.

Bautafel

Architektur: KSV Krüger Schuberth Vandreike Planung und Kommunikation, Berlin
Bauherrschaft: Bremische Evangelische Kirche, Bremen
Standort: Gartenstraße 3-11, 26465 Langeoog
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: Jan Meier, Bremen

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