Fakultätsgebäude in Gent

Gelupfte Lamellen

Der Campus Schoonmeersen des University College in Gent wird im Zuge eines groß angelegten Umbaus erweitert und neu organisiert. Das slowenische Architekturbüro Sadar + Vuga lieferte in Zusammenarbeit mit dem belgischen Studio Lens Ass mit einer Sporthallenerweiterung und einem Fakultätsgebäude die Entwürfe für zwei wichtige Bausteine des Masterplans, denn sie markieren den nördlichen und den südlichen Zugang zum Campus. Ein gewisser Landmarkenstatus beider Gebäude war darum erwartet worden. T building ist das südliche der beiden „Torhäuser“ und bietet künftig Studierenden der Sozialwissenschaften viel Raum zum Lernen. Hier setzten die Architekten den Wunsch nach Identität um, indem sie die Fassade mit einem auffälligen Sonnenschutz aus weißen Lamellen versahen, der sich plastisch um den Solitär legt wie ein Vorhang.

Um das Gebäude legt sich schützend eine Schicht aus weißen Sonnenschutzlamellen, die über dem Eingangsbereich einen Bogen bilden.
Auf den anderen drei Gebäudeseiten verlaufen die Lamellen gerade.
Teilweise sind sie aber über ihre Mittelachse in eine geschlossenere Winkelstellung gedreht.

Vermittler zwischen Wohngebiet und Campus

Der Bau befindet sich an der Voskenslaan, einer ansonsten durch Wohnbebauung dominierten Straße im Süden der Stadt. Das Gebäude steht leicht zurückversetzt von der Straße. Der so entstandene kleine Vorplatz soll Treffpunkt sein und vermitteln zwischen dem Wohnviertel und dem Campusgelände, das durch reichhaltige Begrünung für das Stadtgefüge auch einen Frischluftfaktor darstellt. Ist der Masterplan einmal umgesetzt, soll hier künftig eine „Grüne Achse“ beginnen, die quer durch den Campus führt.

Der scheinbar quaderförmige Baukörper auf fast rechteckigem Grundriss – die Südostfassade ist leicht abgewinkelt – hat ein Tragwerk aus Stahlbeton. Als handele es sich um einen Vorhang, der zum Durchschreiten angehoben wurde, wölben sich die Lamellen der Hülle an der Nordwestfassade im Bereich des Eingangs nach oben und nach außen, um den Zugang zum Gebäude freizugeben. So wurde ein assoziationsreiches Bild der Öffnung und des Willkommenseins erzeugt. Das Planungsteam versteht das Gebäude als sogenannte Hybrid Studyscape, als hybride Lern-Landschaft also, wo Studierende, Lehrende, Gäste und die allgemeine Öffentlichkeit aufeinander treffen sollen.

Vertikal erweiterte Eingangshalle

Aus diesem Grund gibt es auf den 14.967 Quadratmetern Nutzfläche so gut wie keine Korridore, in denen sich Erstsemester verlaufen könnten. Stattdessen bilden zwei Atrien das Zentrum des Instituts: Übereinander angeordnete, kreisförmige Öffnungen in den Geschossdecken, die von großen, offenen Aufenthaltsbereichen umgeben sind. Belichtet durch transluzente Dächer ermöglichen die runden Öffnungen Blickbeziehungen zwischen allen vier Ebenen. Durch ebenfalls hier platzierte Freitreppen findet sowohl die vertikale als auch die horizontale Zirkulation durch das Gebäude in einem großen, halböffentlichen Raum statt.

Diese vertikal erweiterte Eingangshalle bietet Raum für Veranstaltungen und Ausstellungen, für Meetings und zum Lernen; auch die Cafeteria befindet sich hier. Vorlesungssäle und Seminarräume reihen sich entlang der Nordwest- sowie der gegenüberliegenden Südostfassade, weitere Lehrräume sind an den Schmalseiten des Erdgeschosses angeordnet. In den oberen Etagen sorgen dort Glasfronten für eine großzügige seitliche Belichtung.

Sonnenschutz: Biegsame Lamellen aus glasfaserverstärktem Polyester

Die Fassade des Gebäudes verfügt über drei Schichten, die im Bereich der Vorlesungssäle und Seminarräume in einer Tiefe von einigen Metern hintereinander angeordnet sind: Die innere Schicht bildet die thermische Hülle – eine einfache, nahezu durchgehend transparente Vorhangfassade aus geschosshohen Glaselementen und Aluminiumprofilen. Die mittlere Schicht formen Servicegänge, die zur Reinigung der Fenster sowie als Fluchtwege dienen. Auch außen liegende Fluchttreppen sitzen in allen vier Gebäudeecken auf dieser Ebene.

Die äußerste Schicht bilden die horizontal angeordneten Lamellen aus glasfaserverstärktem Polyester. Die Lamellen bestehen aus jeweils drei hintereinander angeordneten, quadratischen Profilen. Diese wurden in 36 Meter langen Teilstücken angeliefert und vor Ort bearbeitet und zugeschnitten, um an ihrem jeweiligen Ort verbaut zu werden. Das Material ist elastisch, sodass die Lamellen des Eingangsbereichs in die Wellenform gebracht werden konnten, um sodann an den Stahlträgern des Unterbaus fixiert zu werden.

Mithilfe von Sonnenstandsdiagrammen wurden, abhängig von Ausrichtung und Raumnutzung, unterschiedliche Neigungswinkel der Lamellen ermittelt. So sitzen die Lamellen der Nordfassade vollkommen waagerecht in der Tragstruktur, während die der westlichen, südlichen und östlichen Gebäudeseiten teilweise einen steileren Neigungswinkel aufweisen. Dabei wurde für jede Seite eine ideale Zusammenstellung aus waagerechten und angewinkelten Lamellen ermittelt, sodass das steil einfallende Sonnenlicht der Mittagssonne weitestgehend abgeschirmt, das flachere Sonnenlicht der Morgen- und Abendsonne jedoch teilweise eindringen kann.

Das Gleiche gilt für das Licht der tiefer stehenden Wintersonne, welches zur Unterstützung der Gebäudebeheizung ungehindert eindringen kann. Die erforderliche Kühlung des Gebäudes im Sommer soll durch die passive Maßnahme des Sonnenschutzes verringert werden. Die Qualität des Raumklimas und damit die Lernbedingungen für die Studierenden hingegen werden erhöht. -sr

Bautafel

Architektur: Sadar + Vuga, Ljubljana; Lens°Ass, Hasselt
Projektteam: Jurij Sadar, Boštjan Vuga, Miha Čebulj, Mirjam Milič, Grega Mervič (Sadar + Vuga); Bart Lens, Sönke Timm (Lens°Ass)
Projektbeteiligte: Atelier One, London; Bureau Partners, Gent (Tragwerksplanung); Daidalos-Peutz, Hooglede (Akustik); Snoeck & Partners, Kortrijk (Landschaftsarchitektur)
Bauherrschaft:
HOGENT, Gent, Belgien
Fertigstellung: 2020
Standort: Voskenslaan 364A, 9000 Gent, Belgien
Bildnachweis: Julien Lanoo, Comines

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