Europäisches Patentamt in Rijkswijk

Doppelfassade aus 100.000 Quadratmetern Glas

Das neue Dienstgebäude des Europäischen Patentamts (kurz EPA) in den Niederlanden hat viele Gesichter: Je nach Tageszeit, Witterung und Lichtverhältnissen kann es sämtliche Nuancen zwischen opak und transparent, kontrastreich und diffus annehmen und zeigt einen entsprechend unterschiedlichen Charakter. Grund dafür ist die Doppelfassade aus Glas, die zeitweilig mit dem Himmel zu verschmelzen scheint, während sie an anderen Tagen den kräftigen Sonnenuntergang und die Lichter der Stadtsilhouette reflektiert. Um den rund 2.000 Mitarbeitenden zeitgemäße Arbeitsplätze gewähren zu können und größere Synergien zwischen den einzelnen Dienststellen zu ermöglichen, wurden alle operativen Einheiten des Amtes in der neuen architektonischen Landmarke am Standort in Rijswijk, ein Vorort östlich von Den Haag,  zusammengeführt. Geplant wurde das Gebäude von Ateliers Jean Nouvel gemeinsam mit Dam und Partners Architecten.

Geplant wurde der Bau mit einer hochreflektierende Doppelfassade aus Glas von Ateliers Jean Nouvel in Zusammenarbeit mit Dam & Partners Architecten.
Die Hülle besteht vollständig aus Glas, wobei verschiedene Sonnenschutzgläser zum Einsatz kommen.
Zeitweilig scheint der Bau mit dem Himmel zu verschmelzen, am Abend reflektiert er den kräftigen Sonnenuntergang und die Lichter der Stadtsilhouette.

Hoch aufragende Scheibe in flacher Polderlandschaft

Allein durch seine ungewöhnlichen Dimensionen wird der Neubau zu einem Blickfang in der holländischen Polderlandschaft: Das EPA ist 107 m hoch, 156 m lang, dabei nur 24,7 m breit, und wirkt wie eine oszillierende, aufgestellte Scheibe aus Glas. Auf 27 Geschossen und einer Grundfläche von 85.000 m² bietet das New Main genannte Hochhaus eine Mischung aus klassischen Büros und Räumen mit offenen Grundrissen für das gemeinschaftliche Arbeiten. Außerdem findet sich auf jeder Büroetage je ein großer Besprechungsraum sowie zwei zentrale Küchenzeilen. Ein Highlight bildet die begrünte und für die Mitarbeiter frei zugängliche Dachterrasse, die mit 825 m² Solarpaneelen überdacht und durch Windbrecher geschützt ist.

Südlich des Hauptgebäudes wurde das Bauteil New Hinge mit gleicher Länge, aber mit nur vier Geschossen umgesetzt. Durch einen Verbindungstrakt kann dieser vom Hauptgebäude aus witterungsgeschützt erschlossen werden. Im Verbindungsbau befindet sich eine kommerzielle Zone mit Ladengeschäften. Der Bau beinhaltet größere Flächen für das betriebseigene Restaurant, acht Besprechungsräume für Sitzungen und Konferenzen sowie ein Fitness-Bereich für die Mitarbeiter. Im Foyer werden die Besucher von einem immersiven, dschungelartig bepflanzten Atrium empfangen. Im Unterschied zum Hauptgebäude wurde für die Gestaltung der Fassade neben Glas und Stahl eine Reihe unterschiedlich farbiger Materialien eingesetzt.

Wasser als Basis

In direkter Nachbarschaft der beiden Neubauten befand sich das alte Hochhaus, das die Räumlichkeiten des Patentamts bisher beherbergte. Der Altbau wird zurückgebaut und im gleichen Zuge entsteht rings um das gläserne Bürohochhaus ein 16.300 m² großes, über dem Straßenniveau liegendes Wasserbassin. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, die Glasscheibe wüchse aus dem Wasser heraus. Auch der Verbindungsgang zwischen New Main und New Hinge verläuft unterhalb der Beckenoberfläche; überspannt von einer gläsernen Decke. Diese Entwurfsentscheidungen entspringen dem engen Verhältnis der Niederlande zum nassen Element: Etwa ein Fünftel der Fläche ist mit Wasser bedeckt, ein Viertel der Landesfläche liegt unterhalb des Meeresspiegels. So auch das Grundstück des neuen Patentamts. Neben dem gestalterischen Umgang mit diesem Thema war zudem ein ausgeklügeltes Konzept für das Wassermanagement sowie nachhaltige Systeme zur Bewirtschaftung und Wiederverwendung von Regenwasser, Abwasser und Grundwasser zu entwickeln.

Doppelfassade aus 100.000 m² Glas und 10.000 Tonnen Stahl

Die Entscheidung eine Stahlkonstruktion zu verwenden anstatt auf Beton zurückzugreifen, basiert darauf, dass das Errichten verhältnismäßig schnell und leise verläuft. Insgesamt wurden 10.000 Tonnen Stahl für das Bauwerk verwendet, wodurch es als größte Stahlkonstruktion der Niederlande gilt. Für das Bürohaus wurden sechs maßgeschneiderte Stahlrahmen als Sonderanfertigung hergestellt, die je 52 Tonnen wiegen und die gesamten horizontalen Windkräfte aufnehmen, um sie in das Fundament zu leiten.

Die Hülle besteht vollständig aus Glas. Das Vorhangfassadensystem ermöglicht ein leichtes und transparentes Erscheinungsbild mit klaren Konturen. Die beiden breiten Fassadenseiten sind doppelschalig ausgeführt, die Sockelzone und die Schmalseiten bestehen hingegen aus nur einer Schicht. In den doppelschaligen Bereichen bilden Innen- und Außenhaut einen Hohlraum, der als Klimapuffer gute Wärmedämmeigenschaften bietet. Die äußere Haut, die sich aus 960 Glaselementen zusammensetzt, schirmt die innere Glashaut von Witterungseinflüssen wie Wind und Regen ab. Gleichzeitig bietet der Luftraum ästhetische und funktionale Qualitäten: Über die gesamte Höhe des Gebäudes begrünen eingehängte Gärten mit 300 verschiedenen Pflanzenarten das Bauwerk. Insgesamt wurden 198 Pflanzgefäße in den Fassadenzwischenraum eingebaut, wobei für das Erdgeschoss dichte und schwere Pflanzenarten gewählt wurden, nach oben hin leichtere und luftigere.

Sonnenschutzgläser mit Durchblick

Für die äußere Fassadenschale kommt ein hochreflektierendes Sonnenschutzglas zum Einsatz. Dieses Glas wurde speziell für die äußere Haut von doppelschaligen Fassaden entwickelt und sorgt dafür, dass die Idee der Architekten, die Umgebung und die Lichtverhältnisse im Gebäude zu reflektieren, in die Realität umgesetzt werden konnte. Die Sonnenschutzbeschichtung bewirkt dennoch eine Lichtdurchlässigkeit TL von fast 70 Prozent und ermöglicht eine klare Sicht bei einer hohen Farbwiedergabe von 98 Prozent in der Transmission. Für eine ausreichende Dämmung und Schallabsorption wird in der inneren Fassadenschicht an den breiten Gebäudeseiten ein thermisch vorgespanntes Sonnenschutzglas verwendet, das ebenfalls eine Lichtdurchlässigkeit von 70 Prozent bei einem Wärmedurchgangskoeffizient Ug von 1,0 W/m²K und einem Gesamtenergiedurchlassgrad g von 0,37 aufweist. Die einschaligen Schmalseiten sind mit dreifachen sonnenschutzbeschichteten Gläsern ausgeführt (TL: 60%, g: 0,28, Ug: 1,0 W/m²K). -si

Bautafel

Architektur: Ateliers Jean Nouvel, Paris; Dam & Partners Architecten, Amsterdam
Projektbeteiligte:
J.P. van Eesteren und Croonwolter&dros (Bauunternehmen); Zonneveld Ingenieurs, Rotterdam (Baukonstruktion); Croonwolter&dros, Rotterdam (Gebäudetechnik); Deerns, Rijkswijk (Gebäudetechnik); Peutz, Zoetermeer (Klimatechnik, Brandschutz, Akustik); Copijn, Utrecht (Landschaftsarchitektur); Saint-Gobain Glass, Stolberg (Sonnenschutzgläser SGG Cool-Lite St bright silver, Climaplus sun, Cool-lite xtreme)
Bauherrschaft: Europäisches Patentamt (EPA), Den Haag
Standort:
Patentlaan 2, 2288 EE Rijswijk, Niederlande
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Ossip van Duivenbode, Rotterdam; Ronald Tilleman, Rotterdam; Ateliers Jean Nouvel, Paris; Dam & Partners, Amsterdam

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