Erweiterung Versicherungssitz in Gießen
Akustische Flexibilität im Büro
Gegen witterungsbedingte Risiken wie Hagel, Sturm, Starkregen, Frost oder Dürre können sich landwirtschaftliche Betriebe europaweit bei der Vereinigte Hagel versichern lassen. Der Hauptsitz des Versicherungsunternehmens befindet sich im hessischen Gießen. Um hier für 30 neue Arbeitskräfte Platz sowie weitere Büro-, Besprechungs- und Tagungsräume zu schaffen, wurde das Hauptgebäude um einen dreigeschossigen Anbau im Nordosten des Grundstücks erweitert. Hier setzte das Frankfurter Büro für Innenarchitektur Moho 1 ein ganzheitliches Raumkonzept um, das eine flexible Nutzung der Räume beinhaltet. Um den raumakustischen Anforderungen einer offenen Bürogestaltung gerecht zu werden, setzten die Planenden auf akustisch wirksame Textilien.
Drei Büroebenen auf offenem Grundriss
Beim Grundriss
des bestehenden Gebäudes handelt es sich um ein größeres und ein
kleineres Rechteck, die versetzt zueinander angeordnet und an einer
Ecke miteinander verbunden sind. Der annähernd quaderförmige Anbau
knüpft an das größere der beiden Bestandsgebäude im Norden an und
wird im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss über zweiflügelige
Türen erschlossen. Im Untergeschoss befindet sich an dieser Stelle
der Zugang zur Tiefgarage.
Auf allen drei Ebenen, die insgesamt 1.100 Quadratmeter Fläche bieten, entschieden sich die Planenden von Moho 1 für eine weitestgehend offene Bürolandschaft. Das Gros der Arbeitsplätze befindet sich im Erdgeschoss sowie im ersten Obergeschoss und ist entlang der Außenwände angeordnet. Im Untergeschoss sind hauptsächlich Konferenzsräume untergebrarcht. Für informelle Besprechungen, aber auch zum Verweilen sind im südwestlichen Teil des Untergeschosses ein hölzernes Podest mit zwei runden Sitzgruppen und im nordwestlichen Bereich eine hölzerne Stufenkonstruktion eingebaut worden. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss gibt es jeweils einen größeren Meetingraum und mehrere kleinere Besprechungsmöglichkeiten.
Grautöne treffen bunte Farben
Die Oberflächenbeschaffenheit der Wände fällt in den Räumlichkeiten besonders ins Auge. Zum einen kommt hier grauer Sichtbeton mit deutlich wahrnehmbaren Lunkern zum Einsatz. Zum anderen wählte das Planungsteam eine weiße, optisch an Craquelé erinnernde Oberfläche, die reliefartig beschaffen ist und somit eine besondere Haptik besitzt. Nach Angaben der Planenden soll die Beschaffenheit der Oberflächen den Eindruck erwecken als seien sie von Hagelkörnern eingedellt worden. Auch der schieferfarbene Teppichboden soll mit seinen rechteckigen Erhebungen an durch Hagelschlag hervorgerufene Unebenheiten erinnern. Gläserene Trennwände grenzen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche räumlich und akustisch voneinander ab.
Insgesamt dominieren die Farben Grau, Weiß und Schwarz. Einzelne
bunte Akzente werden durch farbige Möbel gesetzt. Beispielsweise
wurden für die Meetingräume im Erdgeschoss und im Obergeschoss
verschiedene Stuhlmodelle in unterschiedlichen Tönen ausgewählt.
Schwarze, pulverbeschichtete Deckenfluter, Pendel- und
Deckenleuchten und vereinzelt runde Lampions aus Papier sorgen für
eine helle Arbeitsumgebung.
Akustik: Textilien als Schallabsorber
Als Ausgleich für die schallharten Materialien, die in den
Büroräumen verbaut wurden, finden akustisch wirksame Vorhänge
Verwendung. Ein halbtransparenter Vorhangstoff in einem hellgrauen
Ton verbessert mit einem Schallabsorptionsgrad αw von 0,60 die Raumakustik
und fungiert zudem an den Fenstern als transluzenter Sicht- und
Blendschutz. Für eine Schallabsorption zwischen den Arbeitsinseln
und eine visuelle Zonierung der offenen Raumstruktur sorgen
Akustikpaneele, die mit einem blauen, schallabsorbierenden Stoff
bespannt sind. An den Arbeitstischen befestigt und auf den
Büromöbeln aufgestellt, dienen die Paneele der akustischen und
räumlichen Trennung der einzelnen Bereiche.
Als dritte Akustikmaßnahme kommt ein Trennvorhangsystem mit
opaken, grauen Vorhängen zum Einsatz. Wie das Material, mit dem die
Akustikpaneele bespannt sind, weist auch der Stoff der
Trennvorhänge einen Schallasorptionsgrad αw von 0,75 auf. In
Schienen geführt, lässt sich der Vorhang einfach auf- und zuziehen
und minimiert damit bei Bedarf den Lärmpegel. Außerdem verkürzen
die textilen Raumteiler die Nachhallzeit, was sich insbesondere in
einer Umgebung mit vielen schallharten Oberflächen positiv auf die
Raumakustik auswirkt. Mithilfe der Trennvorhänge können mit wenigen
Handgriffen flexibel Besprechungsräume in der offenen
Bürolandschaft geschaffen werden. -np
Bautafel
Innenarchitektur: MOHO 1, Frankfurt am Main
Projektbeteiligte: Création Baumann, Langenthal (Acoustic Divider Vario, Stoffe Lord III, Cavallo Piu, Alphacoustic); Acousticpearls by Création Baumann, Langenthal (Akustikpaneele)
Bauherr/in: Vereinigte Hagelversicherung, Gießen
Fertigstellung: 2020
Standort: Wilhelmstraße 25, 35392 Gießen
Bildnachweis: Miguletz Fotografie / MOHO 1, Frankfurt am Main