Erweiterung der Zentralmensa in Kassel

750 m² sonnenschutzbeschichtete Isolierverglasung in Sonderformen

Mit ihrer roten Backsteinfassade, den vielfach unterteilten Fenstern und der von innen sichtbaren Dachkonstruktion erinnerte die 1988 errichtete Zentralmensa der Universität Kassel bislang eher an einen nostalgisch gestalteten Pavillon als an eine Kantine. Auf hexagonalem Grundriss am Holländischen Platz  errichtet, wird sie von mehreren Laubengängen und Erkern eingefasst und von oben über zwei gestaffelte Dachlaternen belichtet. Da im Zuge der geplanten Campus-Umstrukturierung auch eine Erweiterung der Mensa erforderlich war, erhielt das Gebäude einen Anbau nach Plänen der Berliner Architekten Augustin und Frank. Sie schufen ein außergewöhnliches Gebäude, das sich deutlich vom Bestand unterscheidet.

Auf einer Fläche von knapp 2.000 m² haben 430 neue Sitzgelegenheiten Platz gefunden
Blick in den etwa 60 Meter langen Speisesaal: Die drei- bis vieleckigen Scheiben sind zweifach verglast, eine silberbeschichtete Folie im SZR sorgt für den notwendigen Wärmeschutz
Der Erweiterungsbau lagert auf nur vier Stützen und überspannt den alten Wirtschaftshof wie eine Brücke

Wie eine imposante Brücke umfassen die gewaltigen, verglasten Stahlfachträger des etwa 60 Meter langen Neubaus die alte Mensa im Norden und Osten. Auf lediglich vier Stützen gelagert, ist das mächtige Raumtragwerk in zwei Stahl-Fachwerkträger eingehängt und überspannt einen alten Wirtschaftshof mit Anlieferungsrampe im Untergeschoss, der bei anderer räumlicher Konzeption hätte abgerissen und neu erbaut werden müssen. Insgesamt besitzt der Erweiterungsbau eine Fläche von knapp 2.000 Quadratmetern – und damit viel Raum für die zusätzlich geschaffenen 433 Sitzplätze der Mensa.

Mit der Umgestaltung erhielt auch die ehemalige Rückseite der Mensa entlang der Moritzstraße im Norden ein neues Gesicht. Hier befindet sich der Bürotrakt mit den Personal- und Verwaltungsräumen der Uni. Seine Fassade wurde mit Polyurethan beschichteten, anthrazitfarbenen Putzträgerplatten verkleidet. Darin eingeschnitten sind polygonal geformte Fenster, die im Vergleich zu den raumhohen Verglasungen des Speisesaals wesentlich kleiner sind. Konstruktiv handelt es sich um einen Holzrahmenbau. An der nördlichen Ecke wird der Bestandsbau vom Neubau durch eine Art Umklammerung eingefasst. Hier überspannt die neue Fassade ein Stück weit die rote Backsteinfassade und fügt damit beide Baukörper optisch zu einem Ganzen zusammen.

Aber nicht nur außen, sondern auch im Innern ist der Kontrast zwischen Alt- und Neubau klar erkennbar. Allein die Materialwahl beider Speisesäle könnte unterschiedlicher kaum sein. Während im bestehenden Mensagebäude Holz und rote Ziegel dominieren, sind es im Anbau Glas und Stahl. Unterhalb der Decken verlaufen sichtbar die Lüftungsleitungen aus Edelstahl, ein hellgrauer Industrieestrich bedeckt den Boden. Den Übergang zwischen Alt- und Neubau markiert eine Verkleidung aus raumhohen Polycarbonatplatten. Im Zuge der Erweiterung wurde auch die Küche umgebaut und technisch auf den neuesten Stand gebracht. Die bisherige Essensausgabe wurde vergrößert; neu hinzu kamen eine Kaffeebar und eine Salatinsel sowie eine Spielecke für Kinder.

Glas
Die Verglasungen auf der knapp 60 Meter langen Ostfassade ebenso wie die recht kurze Front im Süden und die kleineren Öffnungen des nördlichen Bürotraktes bestehen aus individuell gefertigten, drei- und mehreckigen Glasscheiben mit einer Fläche von insgesamt rund 750 Quadratmetern. Einige der Scheiben haben beeindruckende Maße von bis zu 6.280 x 3.151 Millimeter. An den Ecken im Norden und Süden wurden die Kanten der Isolierverglasungen auf Gehrung geschnitten und anschließend miteinander verklebt, sodass die Fassade hier wie aus einem Guss gemacht zu sein scheint.

Zum Einsatz kommen zwei im Aufbau recht ähnliche Zweifach-Isolierverglasungen mit Sonnenschutzbeschichtung. Die äußere Verglasung des Speisesaals setzt sich wie folgt zusammen: 16 mm Verbundsicherheitsglas (VSG) aus 2 x 8 mm teilvorgespanntem Glas (TVG), einem Argon gefüllten Scheibenzwischenraum von 16 mm sowie ein Einscheibensicherheitsglas (ESG) von 10 mm Dicke. Für die Fenster im Verwaltungstrakt wählten die Planer eine nicht vorgespannte Version des genannten Glasaufbaus. Sie erhielt auf der Innenseite der äußeren Scheibe eine 2 mm dünne, silberbeschichtete Folie mit Sonnenschutzfunktion, bei den großen Verglasungen ist die Sonnenschutzbeschichtung mit 4 mm doppelt so stark. Ist es doch einmal zu hell im Speisesaal, lässt er sich mit hellgrauen Vorhängen verschatten.

Die farblich aufeinander abgestimmten Folien erhöhen den Reflexionsgrad der Glasscheiben. Daraus ergibt sich eine Lichtdurchlässigkeit von 68%, ein Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) von 0,41, der Wärmedurchgangskoeffizient (Ug-Wert) beträgt 1,2 W/m²K. Damit sorgen die beschichteten Isolierverglasungen für einen niedrigen Energieeintrag ins Gebäude und gleichzeitig für den notwendigen Wärmeschutz. Ein angenehmes Raumklima und reduzierte der Betriebskosten durch verminderte Kühllasten sind die positiven Folgen.

Bautafel

Architekten: Augustin und Frank Architekten, Berlin (Erweiterung); Horst Höfler und Lutz Kandel, Stuttgart (Bestand)
Projektbeteiligte: Leonhardt Andrä und Partner, Berlin (Tragwerksplanung); Müller BBM, Berlin (Bauphysik); Winter Ingenieure, Berlin (Gebäudetechnik); Saint-Gobain Glass, Aachen (Glashersteller); Thiele Glas Werk, Wermsdorf (Sonnenschutzverglasung); Ingenieurbüro Moll, Berlin (Akustik, Schallschutz); Ingenieurbüro Stanek, Berlin (Brandschutz)
Bauherr: Land Hessen, vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und das Hessische Ministerium der Finanzen
Fertigstellung: 2013
Standort: Moritzstraße 20 in 34127 Kassel
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin und Doris Haas-Arndt, Hannover

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