Unternehmenszentrale dm in Karlsruhe

Architektonische Qualität im Gewerbegebiet

Im Einzelhandel-Index 2019 belegt die Drogeriemarktkette dm den ersten Platz und wurde damit als beliebtester Händler in Deutschland ausgezeichnet. Ein wechselndes Warensortiment, angenehme Beleuchtung, ausreichend Platz und der Verzicht auf „stressfördernde“ Rabattaktionen sind die Pfeiler, auf denen der Erfolg des Unternehmens fußt. Dass das aus Goethes Faust entlehnte Werbeversprechen des Konzerns „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ nicht nur für die Kunden, sondern auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt, zeigt die neue Unternehmenszentrale inklusive eigenem Parkhaus in Karlsruhe nach Plänen des Büros Lederer Ragnarsdóttir Oei.

Den Haupteingang markiert eine formale, architektonische Geste.
Farblich changierende Ziegel und die weißen Brüstungen der Laubengänge unterscheiden die dm-Zentrale gestalterisch deutlich von anderen Verwaltungsbauten, wie sie oftmals in Gewerbegebieten entstehen.
Das Mitarbeiterrestaurant öffnet sich zu einer Terrasse und einem großen Wasserbecken.

Die Neubauten liegen an der Durlacher Allee zwischen Karlsruhe und Durlach unweit eines Autobahnkreuzes sowie einer S-Bahn-Station und bieten rund 1.800 Mitarbeitern Platz. Der Entwurf der Stuttgarter Architekten ist ihre Antwort auf die Frage, wie sich der Mensch im Mittelpunkt der Architektur wiederfinden kann. Er sieht unter anderem auch den behutsamen Umgang mit dem Grundstück und seinen Nachbarn vor.

Gewebeartiger Grundriss

Das beginnt bereits bei der Gebäudekubatur: Mit Rücksicht auf die zwei- bis dreigeschossigen Wohnsiedlungen, die südlich und östlich an das Grundstück anschließen, wurde die Höhe des Bürobaus ebenfalls auf drei bis vier (Richtung Parkhaus) Stockwerke begrenzt. Das viergeschossige, westlich des Neubaus entstandene Parkhaus ist als grüner Hügel konzipiert; das Dach wurde teilweise bis auf den Boden geführt, begrünt und mit Obstbäumen bepflanzt – als Ausgleich für die überbaute Fläche. Zwischen den Gebäuden ist zudem eine amöbenförmige Grünfläche mit Sitzgelegenheiten entstanden.

Der Grundriss des Bürobaus gleicht einer gewebeartigen Struktur aus sich kreuzenden Trakten, die insgesamt acht ebenfalls begrünte Innenhöfe ausbilden bzw. umschließen. Da diese auch als Treffpunkt für die Angestellten dienen, sind sie entsprechend großzügig dimensioniert. Das Verblendmauerwerk aus farblich changierenden Ziegeln unterscheidet das Gebäude darüber hinaus von vielen anderen Verwaltungsbauten, wie sie oftmals in Gewerbegebieten an den Stadträndern zu finden sind. Zusätzliche Belebung erfährt die Fassade durch die weißen Brüstungen der Laubengänge vor den bodentiefen Verglasungen.

Hierarchiefreier Innenraum

Der Haupteingang befindet sich mittig der Westseite. Von dort gelangt man in ein Foyer mit doppelter Geschosshöhe. Eine sogenannte Magistrale führt als Haupterschließungsachse vom Foyer bis zum Mitarbeiterrestaurant mit Terrasse und großem Wasserbecken im Osten. An der Ostseite befindet sich zudem ein großer Veranstaltungssaal, weshalb es hier einen weiteren Zugang gibt.

Die Büroräume sind in den Obergeschossen untergebracht. Diese erreichen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Erschließungskerne an jedem Kreuzungspunkt entlang der Magistrale sowie mittig der Seitenspangen und in den Gebäudeecken. Die Büroflächen sind als offene, stützenfreie Großraumbüros mit flexiblen Nutzungsmöglichkeiten gestaltet und demonstrieren damit weitgehende Hierarchiefreiheit.

Passives Energiekonzept

Das Energiekonzept, das zusammen mit der Pfeil & Koch Ingenieurgesellschaft aus Stuttgart entwickelt wurde, hatte den KfW-Effizienzhaus-55-Standard als Ziel. Dieses wird durch ein Zusammenspiel aus Wärmedämmung, Photovoltaikanlage sowie Bauteilaktivierung erreicht. Das beginnt bereits bei den Fassaden, deren großflächigen Verglasungen Laubengänge vorgelagert sind, sodass die Innenräume im Sommer verschattet werden, die tieferstehende Sonne im Winter aber hineinfallen kann. Zugleich schützen die Außenbereiche die Holzrahmenfenster vor der Witterung.

Zentral-dezentrale Lüftung

An der Außenfassade befindet sich zudem eines der wichtigsten Elemente der Bürobelüftung: Dezentrale, elegant in den Hohlraumboden integrierte Fassadenlüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung und Nachheizregister. Diese sorgen durch einen zyklischen Wechsel für eine hohe Lüftungseffektivität und thermische Behaglichkeit (30 m³/h je Person). Zuluft, Abluft und der Lüftungskanal nach draußen sind in Holz-Sitzbänken mit Lüftungsschlitzen versteckt, die vor den Fenstern fest installiert sind. Die Sonderbereiche wie Kantine, großer Saal und Sanitäranlagen werden über eine zentrale Lüftungsanlage (ebenfalls mit Wärmerückgewinnung) versorgt. In den Konferenzräumen wird die Luftqualität außerdem hinsichtlich des CO2-Gehalts überwacht und entsprechend gesteuert.

Wärme- und Kältesystem

Die Heizlast von ca. 2.500 kW (nach DIN 12831: Energetische Bewertung von Gebäuden - Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast) wird durch die Versorgung mit Fernwärme gedeckt. Im Grundlastbetrieb erfolgt die Wärmeübergabe über eine Betonkernaktivierung und Heizdecken. Zusätzliche Heizflächen bzw. Unterflurkonvektoren unterstützen das System für die individuelle Temperaturreglung (Spitzenlastbetrieb). Die benötigte Kühlleistung wird durch Kältemaschinen mit Turboverdichtern (Kompressionskälte) zentral im Parkhaus erzeugt. Die Verteilung erfolgt auf gleiche Weise wie die Wärmeverteilung. Die Unterflurkonvektoren können auch kondensierend zur Entfeuchtung der Raumluft betrieben werden.

Intelligente Gebäudeautomation

Die Gebäudeautomation basiert auf einem fabrikatsneutralen, offenen und web-orientierten Bussystem, in das im Prinzip alle für den Gebäudebetrieb notwendigen Geräte eingebunden sind, neben der Wärme- und Kälteanlage also auch der Sonnenschutz, die Sicherheitsfunktionen sowie die Photovoltaikanlage für die Stromversorgung mit ca. 230 kWp auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes. Der Einsatz des LED-Kunstlichts ist präsenz- und tageslichtabhängig gesteuert. Um schließlich den Betrieb der technischen Anlagen und des gesamten Systems weiterhin optimieren zu können, wird ein Monitoring durchgeführt. -tg

Bautafel

Architektur: Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Pfeil & Koch Ingenieurgesellschaft Beratende Ingenieure VBI, Stuttgart (Planung HLS); fc.ingenieure Projektsteuerung, Ettlingen (Projektsteuerung); Ernst2 Architekten, Stuttgart (Objektüberwachung); Ingenieurbüro Dr. Binnewies, Hamburg (Tragwerksplanung); ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik, Wiesbaden (Bauphysik); Halfkann + Kirchner Part, Erkelenz (Brandschutz); GBI Gackstatter Beratende Ingenieure, Stuttgart (Planung ELT)
Bauherrschaft: dm-Drogerie Markt, Karlsruhe
Fertigstellung: 2019
Standort: Am dm-Platz 1, 76227 Karlsruhe 
Bildnachweis: Roland Halbe, Stuttgart; Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten, Stuttgart


Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

yk_Baunetz

Luft/Luft-Wärmepumpe, Zentralgerät und Verteilermodule in einem Kellerrraum

Kühlen/​Klimatisieren

Arten von Klimaanlagen

Zentrales Be- und Entlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung

Zentrales Be- und Entlüftungssystem mit Wärmerückgewinnung

Lüftung

Mechanische Lüftung

Bei der Errichtung von neuen PV-Anlagen auf Dächern oder an Fassaden ist zunächst keine Genehmigung erforderlich.

Bei der Errichtung von neuen PV-Anlagen auf Dächern oder an Fassaden ist zunächst keine Genehmigung erforderlich.

Erneuerbare Energien

Photovoltaik

Dezentrales Lüftungsgerät im Wohnraum

Dezentrales Lüftungsgerät im Wohnraum

Lüftung

Wohnungslüftungsanlagen

Bauwerke zum Thema

Ein 40 Meter hoher Neubau ist in Bozen entstanden: Der Firmenhauptsitz für das Dienstleistungsunternehmen Markas in Bozen wurde von ATP Architekten Ingenieure geplant.

Ein 40 Meter hoher Neubau ist in Bozen entstanden: Der Firmenhauptsitz für das Dienstleistungsunternehmen Markas in Bozen wurde von ATP Architekten Ingenieure geplant.

Büro/​Verwaltung

Firmensitz Markas in Bozen

Stampflehm prägt das Erscheinungsbild der neuen Firmenzentrale von dem Bio-Supermarkt Alnatura in Darmstadt maßgeblich.

Stampflehm prägt das Erscheinungsbild der neuen Firmenzentrale von dem Bio-Supermarkt Alnatura in Darmstadt maßgeblich.

Büro/​Arbeiten

Firmenzentrale Alnatura in Darmstadt

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Gebäudetechnik sponsored by:
Stiebel Eltron | Kontakt 0 55 31 - 702 702 | www.stiebel-eltron.de