Campus Maschinenbau Garbsen der Leibniz Universität Hannover

Forschungswerkstätten und Versammlungsräume

Eine moderne und zukunftsorientierte Hochschule zeichnet sich heute nicht alleine durch das Renommee der Professorenschaft und des Lehrpersonals, die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Leistungsfähigkeit der Labore, Lehr- und Forschungsräume aus. In Zeiten der Internationalisierung, der Hochschulrankings, von Bildungsinitiativen und Exzellenzstrategien wächst die Bedeutung der Hochschularchitektur, deren städtebauliche Einbindung und gesellschaftliche Wahrnehmung. Eine konzentrierte Anordnung der Institute an einem Standort, deren räumliche, technische und inhaltliche Vernetzung sind von großem Vorteil.

Eingang zum Campus Maschinenbau Garbsen, den das Münchner Architekturbüro Auer Weber auf Basis eines Masterplans von Ortner und Ortner entwickelte.
Die Hochschulgebäude gruppieren sich um eine zentrale Freifläche.
Blick auf das Gesamtensemble

Vor diesem Hintergrund entschied sich die Leibniz Universität Hannover 2013 im Rahmen eines internationalen Generalplanerwettbewerbs, alle 18 Institute der Fakultät Maschinenbau an einem Standort neu zu organisieren. Auf Grundlage eines städtebaulichen Masterplans von 2008, entwickelt vom Wiener Architekturbüro Ortner & Ortner, sollten auf einer Bruttogrundfläche von 41.000 Quadratmetern elf Maschinenbauinstitute, Labore, Werkstätten und Versuchsfelder sowie Hörsäle, eine Bibliothek und eine Mensa entstehen. Den dazu ausgeschriebenen Wettbewerb konnte das Münchner Architekturbüro Auer Weber für sich entscheiden.

Organisation auf dem Campus

Basierend auf dem großzügigen Freiraumangebot des Masterplans entwarfen die Architekten mehrere, kompakt organisierte Institutsgebäude mit Kolonnaden, die sich zu einem weitläufigen zentralen Platz orientieren. In die Campusmitte platziert sind besondere Nutzungen wie die Mensa und ein Hörsaalgebäude. Diese öffnen sich mit großzügig verglasten Fassaden und mehrgeschossigen, lichtdurchfluteten Foyers. Sie bilden öffentliche Treffpunkte – im Gegensatz zu den Instituten, die als Forschungswerkstätten wahrgenommen werden sollen. Deren zurückhaltende Architektur und schlichten Fassaden verraten über die hochtechnisierten Einrichtungen im Innern wenig.

Institute mit Werkstattcharakter

Im Kontrast zur Präzision der Anlagentechnik erscheinen die Gebäude handwerklich robust und rau. Dank des Werkstattcharakters entsteht ein fließender Übergang zu den umgebenden Freiflächen. Auch die Innenräume sind davon geprägt – nicht nur die Forschungs- und Laborflächen, sondern auch die Arbeitsräume für Studierende und die Büros der Verwaltung: Sichtbeton, teils offen geführte Installationen und unverkleidete Deckenuntersichten werden zum verbindenden Standard.

Das Farb- und Materialkonzept, entwickelt vom Schweizer Künstler Jörg Niederberger, unterstützt die Beziehung der Baukörper zueinander. Die strukturierten Putzflächen der Außenwände und zweischichtigen Farbaufträge in unterschiedlichen Tonalitäten zielen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellem Ausdruck des Einzelgebäudes auf der einen Seite und Gesamtklang des Ensembles auf der anderen. Die Oberflächenstrukturen und bichromen Farbaufträge lassen die Gebäude je nach Blickwinkel in unterschiedlich kräftigen Farbtönen erscheinen.

Aspekte des Brandschutzes: Verkehrs- und Aufstellflächen für die Feuerwehr

Bereits in einem frühen Stadium der Planung sind die notwendigen Flächen und Verkehrswege für Feuerwehrfahrzeuge zu berücksichtigen. Rechtliche Grundlagen und Planungsanforderungen hierzu sind hauptsächlich die Muster-Richtlinie über Flächen für die Feuerwehr (MRFlFw) sowie die DIN 14090: Flächen für die Feuerwehr auf Grundstücken. Diese definieren Tragfähigkeit, Breiten, Höhen, Kurven, Neigungen, Freihaltung, Kennzeichnung usw. von Zu- und Durchfahrten sowie Aufstell- und Bewegungsflächen auf Grundstücken.

Gerade Verkehrs- und Aufstellflächen für schweres Gerät wie Hubrettungsfahrzeuge stellen eine Herausforderung für Architekten wie Landschaftsplanerinnen dar. Bei der Planung für den Campus Garbsen ermöglichte die orthogonale städtebauliche Struktur des Gebäudeensembles aus Einzelbauwerken ein System aus Haupterschließungen an den Stirnseiten des Campus mit abzweigenden Stichverbindungen (Abb. 18). Der Übergang zwischen den Kolonnaden der Institutsgebäude zur zentralen Freifläche, gestaltet mit Pflasterbelag, ermöglicht eine Erschließung und Aufstellung für Hubrettungsfahrzeuge, ohne als solche wahrgenommen zu werden.

Die Rettung von Menschen im Brandfall über den 2. Rettungsweg mittels Hubrettungsfahrzeugen der Feuerwehr kann nicht grundsätzlich als „gegeben” angenommen werden. Abhängig von Gebäudeklasse, Landesbauordnung und Kommune ist mit der zuständigen Feuerwehr im Vorfeld der Planung abzustimmen, ob geeignete Fahrzeuge zur Verfügung stehen und die Brandschutzplanung hinsichtlich Erreichbarkeit und Rettung den Anforderungen der Feuerwehr entspricht.

Rauch- und Wärmeabzugseinrichtungen (RWA)

Gerade bei Gebäuden mit großen Menschenansammlungen, wie sie die Hörsaal- und Institutsgebäude der Fakultät Maschinenbau Garbsen darstellen, sind neben Brandmeldeeinrichtungen insbesondere Rauch- und Wärmeabzugseinrichtungen von zentraler Bedeutung. Haupttodes- und verletzungsursache bei Bränden ist weniger das Feuer als solches, sondern vielmehr die Rauch- und Gasentwicklung. Um eine schnelle und sichere Entfluchtung von Gebäuden mit hohem Publikumsverkehr zu gewährleisten, sind RWA unerlässlich und rechtlich gefordert.

Gemäß §16 Abs. 1 NVStättVO müssen Versammlungsräume mit mehr als 200 Quadratmetern mit Vorrichtungen der Rauchableitung ausgestattet werden: neben dem großen Hörsaal somit auch der kleinere Hörsaal, die Technikzentrale im Obergeschoss, das Foyer und die zweigeschossigen Flurbereiche. Diese sind mit Rauchableitungsöffnungen mit einem freien Querschnitt von mindestens 1% der jeweiligen Raumgrundfläche versehen, die bei Detektion von Rauch im jeweiligen Raum automatisch aufgefahren werden und zudem jeweils über eine manuelle Bedienstelle öffenbar ist. Die Bedienstelle wird dabei derart ausgeführt, dass die Stellung der Rauchableitungsöffnungen erkennbar ist. Die Bedienstellen zum Öffnen der Rauchabzugsvorrichtungen sind in den im Brandschutzkonzept ausgewiesenen Stellen vorgesehen (Abb. 17).

Bautafel

Architektur: Auer Weber, München
Beteiligte: Mayr I Ludescher I Partner, München (Tragwerksplanung); Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Stuttgart (Haustechnik-Planung); Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München (Freiraumplanung); HHP West Beratende Ingenieure, Bielefeld (Brandschutz); Jörg Niederberger, Kleinlützel SO, Schweiz (Farbkonzept Fassade und Innenbereiche)
Bauherr/in: Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Fertigstellung: 2020
Standort: An der Universität 1, 30823 Garbsen
Bildnachweis: Aldo Amoretti, Sanremo

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