BGV Badische Versicherungen in Karlsruhe

Sanierung eines Bürogebäudes aus den 1970er-Jahren

Lediglich die horizontale Ausrichtung blieb erhalten, nach der Sanierung dominiert Glas die Fassade; hinter dem weißen Zylinder im Staffelgeschoss liegt der Konferenzraum
Der Haupteingang befindet sich an der Nordseite des Gebäudes, ein Portal aus Weißbeton betont ihn
Das Erdgeschoss ist teils öffentlich zugänglich, hier befindet sich u.a. das Restaurant mit angeschlossenem Außenbereich; der sorgsame Umgang mit der Betontragstruktur ermöglicht die Nutzung der 60 cm tiefen Kassettenfelder als Leuchtengehäuse

Karlsruher Centre Pompidou – so lautete lange Zeit der Name für den Hauptsitz des Badischen Gemeinde-Versicherungs-Verbands (BGV) in der Oststadt. Grund dafür waren seine horizontal geschichtete Fassade aus sichtbaren Stahlbetonfertigteilen, umlaufende Wartungsbalkone aus Gitterrosten und Brise Soleils aus Lärchenholz. Von all dem ist heute nichts mehr zu sehen, denn das 1979 errichtete quaderförmige Gebäude, mit seinen zum Teil ausgesparten Ecken, erwies sich nach über 30 Jahren als veraltet und weder für den wirtschaftlichen Betrieb noch für zeitgemäßes Arbeiten geeignet. Anstatt für einen Abriss entschieden sich die Planer des ortsansässigen Büros Vollack ArchiTec für eine Kernsanierung: Unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten schufen sie ein flexibles Nutzungskonzept, tauschten die gesamte Haustechnik und erneuerten die Fassade.

Das dreigeschossige Hauptgebäude mit zusätzlichem Staffelgeschoss und zwei Untergeschossen wurde östlich der Karlsruher Altstadt, in unmittelbarer Nähe zum Schloss Gottesaue und dem Multimediakomplex MUT der Hochschule für Musik (siehe Surftipps) errichtet. Im Osten und Süden ist es via gläserne Brücken mit zwei Erweiterungsbauten verbunden. Zunächst wurde das Gebäude mit seinen knapp 22.800 m² bis in den Rohbauzustand zurückversetzt, das oberste, nur teilbebaute Geschoss entfernt und die einst ausgesparten Ecken geschlossen. Der ehemals teils offene Innenhof im Südosten ist nun geschlossen, im vierten Obergeschoss überspannt eine große, weiß verkleidete Brücke in Y-Form das Atrium. Ein weiteres, etwas kleineres Atrium im Nordwesten des Gebäudes erhielt eine repräsentative Wendeltreppe.

Im Inneren blieb das Tragwerk aus gevouteten Doppelunterzügen bestehen, da es mit Spannweiten von 16 x 16 Metern auf je vier Winkelstützen eine freie Einteilung der Geschossflächen ermöglicht. In allen Etagen sind nun zeitgemäße Büros untergebracht, die über das neu angelegte Eingangsportal aus Weißbeton im Norden des ersten Obergeschosses erschlossen werden. Von hier erreicht man auch die beiden Atrien, die u.a. für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Das Erdgeschoss ist teils öffentlich konzipiert: Neben der Technikzentrale befinden sich hier ein Bereich zur Entspannung und das Restaurant mit Zugang zum Außenraum. Das neu errichtete vierte Obergeschoss beherbergt u.a. ein Bistro, einen Konferenzraum sowie eine Lounge.

Bei der Gestaltung der Fassade orientierten sich die Planer am Bestand: Sie nahmen den ursprünglichen Gedanken der horizontalen Schichtung auf und setzten ihn in eine zeitgemäße Formensprache um. Mit schmalen, schwarz gefärbten Brüstungsbändern legt sich die neue gläserne Elementfassade wie eine Vitrine um den Bestand. So gibt es weder Vor- und Rücksprünge wie zuvor, auch ist das Tragwerk von außen nicht mehr sichtbar und die Ecken sind geschlossen. Anstelle eines Brise Soleils wurden schlichte graue Textilscreens für die bedarfsgerechte Verschattung der Innenräume installiert. Ihre Kästen sind nicht sichtbar in die Brüstungselemente integriert.

Die 60 Zentimeter tiefen Kassetten in den Decken nehmen zum einen Lichtinstallationen auf, zum anderen wurden sie zur Beheizung und Kühlung des Gebäudes nachträglich thermisch aktiviert. Die Wärmeversorgung erfolgt über Kraft-Wärme-Kopplung. Dazu wird überschüssige Abwärme aus der örtlichen Mineralölraffinerie Oberrhein ins Gebäude zum Beheizen eingespeist. Die Kälte zur Klimatisierung der Büroetagen stellt eine Absorptionskältemaschine bereit. Sie wandelt die Wärme, die dem Fernwärmenetz entnommen wurde, in Kälte um, die dann über die Decken an den Raum abgegeben wird.

Flachdach

Im Zuge der Kernsanierung wurde auch das Flachdach vollständig erneuert. Zur Lastaufnahme spannt oberhalb der Brücke ein Tragwerk in annähernder Form einer Lemniskate (liegenden Acht) auf einer Länge von knapp 45 Metern diagonal über die gesamte Dachfläche (siehe Abb. 14). Außerdem verbindet es optisch die beiden Atrien und Glasdächer. An das Tragwerk sind u.a. die neue Wendeltreppe, die Brücke und die Überdachungen der beiden Innenhöfe eingehängt. Zwei neu eingebrachte Verbundstützen leiten die anfallenden Lasten in das Fundament ab, eine weitere Verstärkung der Gründung war nicht erforderlich. Im Südosten endet die Lemniskate in einem weiß verkleideten Kreiszylinder auf dem Flachdach des dritten Obergeschosses. Hinter großflächigen Verglasungen ist an dieser exponierten Stelle der Konferenzraum  im vierten OG untergebracht.

Das Dach der Lemniskate ist wie folgt aufgebaut:

  • Dachstahlträger (HEA 260 bzw. HEA 300)
  • 50 mm Stahltrapezblech T 50.1, tn = 0,88 mm
  • 1 Lage Dampfsperre Elastomerbitumen-Kaltselbstklebebahn 
  • 100 mm Mineralwolle 035
  • 50 mm Alu-Dachblech auf Kunststoffhalter
  • 70 mm Unterkonstruktion zur Befestigung der Dachdeckung
  • 5 mm Aluverbundplatten-Verkleidung (begehbar)
Die restlichen Dachflächen sind begehbar und extensiv mit verschiedenen Sedumarten und Gräsern begrünt. Die Bepflanzungen sind recht einfach zu unterhalten, da eine Bewässerung nicht erforderlich ist.

Bautafel

Architekten: Vollack ArchiTec, Karlsruhe
Projektbeteiligte: Ingenieurgruppe Bauen Beratende Ingenieure, Karlsruhe (Tragwerksplanung); Design2sense, Leipzig (Innenarchitektur); fc.ingenieure, Ettlingen (HLSK); MBS Projekt, Wietze (Fassadenplanung), Saint-Gobain Isover, Ludwigshafen (Dämmung); Kalzip, Koblenz (Unterkonstruktion Dachdeckung), 3A Composites, Singen (Dachverkleidung)
Bauherr: BGV Badischer Gemeinde-Versicherungs-Verband
Fertigstellung: Sanierung 2011; Bestand 1979
Standort: Durlacher Allee 56 in 76131 Karlsruhe
Bildnachweis: Atelier Altenkirch und Daniel Vieser, Karlsruhe

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