Aufstockung Haus S in Wiesbaden

Bungalow mit aufgesetzten Baukörpern die verschiedene Freiräume definieren

Eine vierköpfige Familie, die einen Bungalow aus den 1960er-Jahren in Wiesbaden erworben hatte, benötigte mehr Platz. Die Entscheidung für eine Aufstockung bzw. Erweiterung erschien naheliegend, der Weg der privaten Bauherrn dorthin jedoch ungewöhnlich: Sie initiierten für ihr „Haus S“ einen Architektenwettbewerb mit drei teilnehmenden Büros. Das Entwurfskonzept der ortsansässigen Christ Christ associated architects überzeugte sie am meisten. Die Architekten betrachteten die alte Dachfläche quasi als Baugrundstück zur Errichtung neuer, eigenständiger Baukörper und erzeugten so eine zeitgenössische Form städtischer Nachverdichtung.

Vogelperspektive aus südwestlicher Richtung mit Blick auf das extensiv begrünte Dach mit Wiese
Besonders im Sommer ist das Dach mit seinen unterschiedlichen Freibereichen flexibel nutzbar
Ausblick aus einer aufgesetzten Box auf die extensive Begrünung

Das bestehende Wohnhaus hatte der Wiesbadener Innenarchitekt Wilfried Hilger für sich und seine Familie errichtet. Weil der Charakter des Altbaus möglichst gewahrt werden sollte, galt es, eine Balance zwischen Alt- und Neubau zu finden. Auf dem weit auskragenden Flachdach errichteten Christ Christ Architekten drei einzelne, quaderförmige Baukörper, die untereinander durch einen transluzent verglasten Gang verbunden sind. Die Position der Häuschen definiert unterschiedliche Freibereiche auf dem Dach: Eine Wiese mit kleinem Apfelbaum im Südwesten, einen ruhigen Hof mit Steinbelag und einer Küsten-Kiefer nach Norden und eine Dachterrasse im Osten, neben der eine Magnolie gepflanzt wurde. Durch die Einbeziehung des Außenraums entsteht ein vielfältiges Raumgefüge, das insbesondere in der warmen Jahreszeit unterschiedliche Nutzungen ermöglicht. Große Glasflächen eröffnen den freien Ausblick auf die begrünten Dachflächen und die Stadt. Die Fensterflächen der Aufstockung sind so angeordnet, dass von außen wenig Einblick möglich ist. Ein weißer, textiler Screen als außen liegender Sonnenschutz bietet zusätzlich variablen Sichtschutz; ist er ausgefahren, werden die Fenster zu transluzenten „Lichtwänden“. Einer der neuen Baukörper beherbergt das Elternschlafzimmer mit Ankleide und Bad, die beiden anderen dienen als Wohn- und Arbeitszimmer.

Da die bestehende Konstruktion nicht für eine Aufstockung ausgelegt war, mussten erhebliche Ertüchtigungsmaßnahmen im Bestand durchgeführt werden. Über 24 Verbindungspunkte wurde ein neuer Stahlrost an der bestehenden, ertüchtigten Konstruktion befestigt. So entstand eine zweite Ebene als Basis der drei aufgestockten Häuschen. Die Aufbauhöhe des Rostes bietet Platz für Installationen: So wurde sogar im Badezimmer die Wanne im Boden versenkt, damit der Raum großzügiger wirkt. Um die Wirkung der Attika als Gesamtpaket zu entschärfen und zwischen Neu- und Altbau zu unterscheiden, gibt es eine Fuge dazwischen, in welcher auch der horizontale Sonnenschutz versteckt wird.

Die Aufstockung ist als Holztafelbau ausgeführt. Im Bestand mussten zahlreiche Wände und Einbauten weichen, dadurch entstand ein großzügiger, durchgehender Wohnraum. Die im Erdgeschoss vorhandene Küche wurde durch systemgleiche Komponenten ergänzt und zentral im Wohnraum platziert. Ebenfall im EG untergebracht sind die Kinderzimmer mit Ankleide und Bad. Das Gebäude erfuhr eine energetische Sanierung und ist jetzt mit einem Brennwertkessel und einer Solarthermieanlage zur Warmwasserbereitung ausgestattet. Im Untergeschoss wurden ein Gästezimmer und eine Einliegerwohnung teilweise saniert.

Flachdach
Die drei aufgesetzten Baukörper markieren jeweils unterschiedlich ausgeführte Zonen des Flachdachs: eine extensive Begrünung in Form einer Wiese mit fünf Zentimetern Substratschicht über einem Filtervlies, einer Festkörperdrainage und einem Schutz- und Speichervlies. Der steinbedeckte Hof wurde mit Grauwacke ausgeführt, die Dachterrasse als Holzdeck. Der weitere Aufbau des Dachpakets ist gleich: eine wurzelresistente, zweilagige Abdichtung aus Elastomer-Kaltbitumenbahnen liegt über einer PS-Gefälledämmung (WLG 035). Unter der Gefälledämmung ist eine Notabdichtung bzw. Dampfsperre aus einer Lage Elastomer-Kaltbitumenbahn aufgebracht. Deren Untergrund bildet die Aufstockung des Bestandsdachs mit einem Stahlrost, oberseitig mit OSB-Platten belegt.

Der Dachabschluss der aufgesetzten Boxen erfolgte als Holzbalkendecke mit einer oberseitigen Notabdichtung, EPS-Dämmung (WLG 035) mit zwei Prozent Gefälle und einer zweilagigen Abdichtung aus weiß beschieferten Elastomer-Kaltbitumenbahnen. Die Verbindungsgänge aus Profilbauglas erhielten eine Dachdeckung aus Titanzink-Blech.

Bautafel

Architekt: Christ.Christ. associated architects, Wiesbaden
Projektbeteiligte:
Schmitt + Thielmann und Partner, Wiesbaden (Tragwerksplanung); Stahlbau Eulberg, Ransbach-Baumbach (Ausführung Stahlbau); Wölfel + Söhne, Eltville-Rauenthal (Ausführung Holzbau); Lothar Dauber, Wiesbaden (Spengler und Dachdecker)
Bauherr:
privat
Fertigstellung:
2011
Standort:
Wiesbaden
Bildnachweis: Thomas Herrmann, Stuttgart

Fachwissen zum Thema

Die Nutzung der Dachlandschaft umfasst viele Bereiche, die bis ins Detail exakt gelöst werden müssen, um in Zukunft mögliche Schäden sowie damit verbundene Aufwendungen vermeiden zu können.

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Nutzung Flachdach

Anforderungen an genutzte Dachflächen

Polystyrol-Partikelschaum (EPS)

Wärmeschutz

Polystyrol-Partikelschaum (EPS)

Beispiel Aufbau extensiv bepflanztes Flachdach: 1) Begrünung; 2) Vegetationstragschicht; 3) Schutz-, Drän- und Filterschicht in einem; 4) Trenn- und Gleitschicht

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