Medienhaus in Wetzlar
Polyvalente Wärmepumpe und Vierleitersystem zum gleichzeitigen Heizen und Kühlen der einzelnen Räume
In Wetzlar, rund 60 km nördlich von Frankfurt am Main gelegen, hat das christlich-evangelikal geprägte Medienunternehmen ERF seinen Sitz. Hier werden Hörfunk- und Fernsehprogramme sowie Internetangebote produziert. Die bestehenden Firmengebäude waren baulich sowie technisch veraltet und so wurde das Heilbronner Büro Müller Architekten mit dem Bau eines neuen Medienhauses beauftragt, das bauphysikalisch, energetisch und technisch auf dem neuesten Stand ist. Dabei mussten teils gegensätzliche raumklimatische Anforderungen berücksichtigt werden.
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Licht und Dunkelheit
Das Gebiet um das abschüssige Grundstück im Ortsteil Dalheim ist – wegen schwieriger Baugrundverhältnisse durch ehemaligen Bergbau – eher lose bebaut, mit einigen Wohnriegeln, größeren Solitären und teils üppigen Grünflächen dazwischen. In dem Neubau sollten Radio-Livestudios, Ausproduktionsstudios, Videoschnittplätze, ein Multimediastudio sowie die Büros für die Redaktionen, eine Kantine, ein Veranstaltungssaal und zahlreiche Nebenräume Platz finden. Um all diese verschiedenen Nutzungsprofile auch architektonisch unter einem Dach zu vereinen, entwickelten die Architekt*innen ein Fassadensystem, das sowohl große Fensterfläche für viel Licht im Innenraum als auch komplett geschlossene Bereiche mit vertikalem Besenstrichputz aufweist. Das dreigeschossige Gebäude ist zudem so konzipiert, dass es bei Bedarf um ein weiteres Geschoss aufgestockt werden kann. Das Dach ist nahezu vollflächig mit Photovoltaikmodulen ausgestattet, deren Strom direkt für die Gebäudetechnik des Medienhauses genutzt wird.
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Der Haupteingang liegt an der Südseite, direkt angeschlossen an den neuen Parkplatz. Man gelangt zunächst in den Empfangsbereich, ein schlauchförmiger Raum, der in der Tiefe in Foyer, Empfangstresen und Flur mit Durchgang zur Kantine gegliedert ist. Parallel zum Foyer befindet sich ein großer Veranstaltungsraum, der sich auch in zwei Seminarräume aufteilen lässt. Vom Foyer aus gelangt man außerdem direkt in den Studiobereich mit großem TV-Studio, der TV-Regie, der Audio-Regie, dem Sprecher-Raum und dem Multimediastudio. Im ersten und zweiten Obergeschoss befinden sich weitere Produktionsräume sowie Büros. Großzügige, begehbare Innenhöfe lassen viel Tageslicht in die weitläufigen Büroflächen.
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Gleichzeitiges Heizen und Kühlen
Die verschiedenen Bereiche im Gebäude müssen teils
gegensätzliche raumklimatische Bedingungen erfüllen. Eine
polyvalente Wärmepumpe deckt den größten Teil der
Gebäudeheizlast; ergänzt wird sie durch eine Gas-Brennwertheizung.
Die polyvalente Wärmepumpeneinheit ermöglicht eine gleichzeitige
und unabhängige Produktion von Warm- und Kaltwasser zum Heizen
respektive Kühlen. Bei gleichzeitigem Heiz- und Kühlbedarf im
Gebäude arbeitet die polyvalente Einheit in der Betriebsart
Wärmerückgewinnung, verteilt also die Wärme aus
den zu kühlenden Räumen in die zu beheizenden Räume. Zwei
Gas-Brennwert-Heizkessel (Doppelkesselanlage) decken die
Spitzenlasten ab, um die bei Temperaturen unter 5 °C schlechteren
Arbeitszahlen (COP-Wert) der Wärmepumpe zu vermeiden. Mit einem
zusätzlichen Pufferspeicher werden ausreichende Laufzeiten
erreicht.
Die Übergabe der Wärme an die Räume erfolgt der jeweiligen räumlichen Situation entsprechend: in den WC-Kernen, den Fluren und untergeordneten Räumen über Heizkörper, im Windfang über Gebläse-Unterflurkonvektoren an beiden Wandscheiben, in der Cafeteria, der Teeküche, den Seminarräumen und im Foyer über eine Fußbodenheizung.
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Die Studios werden über Umluftgeräte mit Heizwärme bzw. Kälte versorgt, wobei die Anbindung über ein Vierleitersystem erfolgt, das das gleichzeitige, voneinander unabhängige Kühlen und Beheizen der jeweiligen Räume erlaubt. Möglich ist dies durch zwei getrennte Kältekreisläufe. Die Decken von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss werden ebenfalls zur Beheizung und bei Bedarf zur Kühlung durch Bauteilaktivierung genutzt. In den Studios wird außerdem die Luftqualität (CO₂- und Feuchtigkeitsgehalt) überwacht.
Hohe Ansprüche an die Raumluft
Nahezu alle Räume in dem Neubau werden durch eine raumlufttechnische Anlage be- und entlüftet. Dafür gibt es eine zentrale Lüftungsanlage, lediglich die Aufbereitungsküche, die Spülküche und die Essensausgabe werden über eine separate Lüftungsanlage versorgt. Die Büros können zusätzlich über die Fenster manuell belüftet werden. Die Studios stellen besondere Anforderungen an Temperatur und Luftfeuchte sowie den maximal zulässigen Dauergeräuschpegel. Der Raumluftwechsel ist dort nach DIN EN 16798: Energetische Bewertung von Gebäuden - Lüftung von Gebäuden mit 40 bis 50 m³/h*Person (je nach Nutzungsart Einzelbüro oder Konferenzraum) bzw. mit einem Mindestraumluftwechsel von 5 ausgelegt, um die Kategorie II für ein schadstoffarmes Gebäude zu erreichen. Zur Kühlung der einzelnen Studios wäre die zentrale Lüftungsanlage nur bedingt geeignet, da die Zulufttemperatur nicht individuell eingestellt werden kann. -tg
Bautafel
Architektur: müller . architekten, Heilbronn
Projektbeteiligte: ZB-Zimmermann und Becker- Ingenieurgesellschaft für TGA, Flein (Gebäudetechnik); concept-A, München (Studio und Akustik); Reichmann + Partner Ingenieurgesellschaft, Ehringshausen (Tragwerk); Bauphysik 5, Backnang (Bauphysik und Schallschutz); Innogration, Bernkastel-Kues (Deckenplanung); TP Elektroplan, Gaggenau (Elektro); ILW Ingenieurleistungen Wiener, Wiesbaden (Elektro); Burghammer Landschaftsarchitektur, Wetzlar (Landschaftsarchitektur)
Bauherr*in: ERF Medien, Wetzlar
Fertigstellung: 2021
Standort: Berliner Ring 62, 35576 Wetzlar
Bildnachweis: Dietmar Strauß, Besigheim
Fachwissen zum Thema
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