Art Magazin in der ehemaligen Tabakfabrik Linz
Fassadenreparatur und simulierte Abbruchkanten
Der Architekt Peter Behrens tritt uns auf bekannten Porträtfotos als nachdenklicher, Pfeife rauchender Intellektueller entgegen. Gut möglich, dass er auch österreichischen Pfeifentabak bezog. Denn von 1929 bis 1935 hatte er zusammen mit seinem österreichischen Schüler und Kollegen Alexander Popp die Tabakfabrik Linz geplant, 20 Gehminuten donauabwärts vom Hauptplatz. Das ehemalige Magazin zur Pfeifentabacktrockung wurde 2020 vom Linzer Architekten Philipp Weinberger zum Art Magazin – Haus FALK für Kultur und Kreativwirtschaft umgebaut.
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Die Tabakfabrik Linz ist der erste neusachliche Stahlskelettbau Österreichs und zugleich der letzte Industriekomplex von Behrens. Die südöstliche Kante der Anlage bildet die ehemalige Zigarettenfabrikation (Bau 1), ein fast 230 Meter langer, leicht gebogener Riegel mit Fensterbändern und Putzbrüstungen. Nordwestlich gegenüber, zur Donau hin, steht die frühere Pfeifentabakfabrik (Bau 2). Daran schließt der Werkseingang Untere Donaulände an, mit ehemaliger Bahnzufahrt und drei parallel angeordneten hohen Riegeln, den Rohstoffmagazinen. Zentral im Hof angeordnet ist das Kraftwerk, bestehend aus Kessel- und Maschinenhaus mit hoch aufragender Kohlebeschickung.
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Nach Ende der Zigarettenproduktion 2009 hatte die Stadt Linz das Areal gekauft, mit dem Ziel, es in ein Zentrum für Kreativwirtschaft, Kunst, Veranstaltungen und Digitalisierung umzuwandeln. 2012 entwickelte man eine Box-in-Box-Lösung, um aus Bau 2 ein Bürohaus zu machen. Anschließend erfolgte der Umbau von Bau 1, wo Leichtbau- und Glaselementen eingesetzt und im Bereich hoher Brüstungen das Bodenniveau angehoben wurde. Aus dem Kraftwerk wurde mit weitgehend reversiblen Eingriffen in eine Schaubrauerei mit Gaststätte und Veranstaltungssaal. Zuvor waren bereits die Magazine an der Reihe gewesen: Hier wurden zunächst die Ergänzungsbauten, mit denen in den 1960er-Jahren die Lücken zwischen den drei Tabakspeichern gefüllt worden waren. Heute befinden sich im südlichen Magazin 3 und im mittleren Magazin 2 mit Büros.
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Der älteste der drei Riegel, das Magazin 1, war ab 1930 zur Pfeifentabaktrocknung errichtet worden. Das abgestufte, vier- bis siebengeschossige Lagerhaus verfügt teils über rotes Sichtmauerwerk, teils über Fensterbänder und verputzte Brüstungen. An einer der straßenseitigen Ecken hängen zwei große Uhren mit Mosaiken von Karl Hauk. Philipp Weinberger plante den Umbau zum Art Magazin mit Ateliers, Co-Working-Space, Besprechungsräumen, Gastronomie sowie Ausstellungsflächen und dem Depot der Linzer Stadtmuseen. Dabei blieb der denkmalgeschützte Bestand weitgehend erhalten und dem historischen Erscheinungsbild weitgehend wieder angenähert.
Wenige, markante Eingriffe sind sichtbar, etwa die neuen Versorgungsleitungen. Andere Einbauten wurden dem ursprünglichen Fabrkonzept angepasst. Hinzu kam auch eine große Stahlwangen-Wendeltreppe vom ersten ins dritte Obergeschoss. Sie erinnert an das sogenannte Behrensband, dem alten Transportnetz der Tabakfabrik, dessen Blau heute den Besucher*innen des Areals Orientierung bietet. Thema der Freiraumgestaltung sind die zur Anlieferung der Tabakballen nötigen, ehemaligen Gleisanlagen zwischen den Magazinen. Das mit Stahlgitterrosten belegte und mit gelben Stahlgeländern versehene Fahrgestell eines ausrangierten Güterwaggons dient als leicht erhöhte Plattform vor dem neuen Haupteingang.
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Fassade: Symbolischer Abbruch
Im Zuge des Umbaus wurden die Bestandsfassaden mit ihrem verputztem Ziegelmauerwerk und den Fensterbändern mit Stahlrahmen und Einfachverglasung restauriert. An der Südostseite erfolgte nach Rückbau der Zwischenbauten aus den Nachkriegsjahrzehnten folgte eine Neuinterpretation der historischen Fassade. Während am gegenüberliegenden Magazin 2 die ehemaligen Brüstungsfelder mit Glasbausteinen nachempfunden sind, unterbrechen am Magazin 1 heute zwei Reihen von Glastüren mit Balkonen die Fensterbänder. Die mit schmaler Fuge vorgehängten, neu gefertigten Betonplatten muten durch ihre unregelmäßigen, schroffen Kanten so an, als wären sie beim Abbruch übrig geblieben – ein symbolischer Verweis auf die rückgebauten Decken der Zwischenbauten und eine „Erklärung“ für das Einfügen der Türöffnungen. Die Abbruchkante wurde zum Fassadenornament.
Bautafel
Architekten: Philipp Weinberger, Linz u.a.
Projektbeteiligte: KMP ZT, Linz (Statik), TAS Bauphysik, Leonding (Bauphysik), Etech, Linz (techn. Ausstattung), Philipp Weinberger, Linz u.a. (Freiraumgestaltung, zus. mit Studio BlauGrün, Linz, Bepflanzungskonzept)
Bauherr: Tabakfabrik Linz Entwicklungs- und Betriebsgesellschaft
Fertigstellung: 2020
Standort: Peter-Behrens-Platz 3-6, 4020 Linz, Österreich
Bildnachweis: Kurt Kuball, Wien (Fotos); Philipp Weinberger, Linz u.a. (Pläne)
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