Apartment San Giobbe +160 in Venedig
Betonwanne schützt vor Hochwasser
Kaum eine Stadt ist so eng mit dem Wasser verwoben wie Venedig. Die historischen Bauten der von Kanälen netzartig durchzogenen Insel in einer Lagune am Mittelmeer gründen auf Pfählen. Ohne das essenzielle Element Wasser ist der Anziehungspunkt für Millionen Touristen im Norden Italiens undenkbar – stellt aber auch eine Bedrohung dar, wenn es über die Ufer tritt. Die Architekten Act Romegialli aus Morbegno wählten die Maßnahmen gegen Hochwasser als Ausgangspunkt für den Entwurf eines Apartments im Erdgeschoss eines dreigeschossigen Altbaus am nördlichen Kanal Fondamenta San Giobbe. Dem Höhenniveau entsprechend, das vor einem potenziellen Eindringen der Fluten schützen soll, nannten sie es San Giobbe +160.
Gallerie
Die ehemals als Werkstatt genutzte, 40 Quadratmeter große Wohnung schützt ein Becken aus wasserundurchlässigem Beton. Seine Oberkante liegt 1,60 Meter über dem Wasserspiegel und bestimmt die Höhe des Eingangs, aber auch einer kleine Küche und des Badezimmers im hinteren Teil des Apartments. Ein Erschließungsflur auf 1,22 Meter Höhe vermittelt zwischen dem neu geschaffenen Eingangslevel und dem ursprünglichen Bodenniveau auf 0,84 Meter im sogenannten San Giobbe „fondamenta“. So führen wenige tiefe Stufen in die Wohnung, verbinden Innen- und Außenraum, und machen den ansonsten üblichen temporären Hochwasserschutz überflüssig.
Die durchgängig sichtbare Einfriedung sorgt für ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit. Ihr oberer Rand dient als Stufe und Ablage, ist Basis für Einbaumöbel und Boden in Küche und Bad. Auch der Schlafraum hat dieses Niveau – dort allerdings bedecken Holzplanken den Betonboden. Als Kontrast zur rohen Anmutung der Betonwanne, deren technische Funktion ablesbar ist und die das Erscheinungsbild der Wohnung bestimmt, wählten die Architekten weiß gestrichene Wandverkleidungen aus sägerauem Holz, die mit wasserfestem Dämmstoff gefüllt sind. Weiß sind auch die Einbauschränke und Trennwände aus Glas und Holz. Küche und Badezimmer sind mit dunkelbraun-weiß gemusterten, handgefertigten Fliesen ausgestattet.
Bauphysik
Das für die Oberkante der Stahlbetonwanne
gewählte Level von 1,60 Meter resultiert aus einer Ermittlung
durchschnittlicher Hochwassermarken, die zwischen 1870 und 2000 in
der Bucht von Venedig erfasst wurden. Es soll den Schutz des
Wohnraums auch vor einem möglichen Jahrhunderthochwasser
gewährleisten. Zur Herstellung des Betonbeckens wurden die
Betonteile zur Raumbegrenzung mit der Grundplatte verklebt und
anschließend die Fugen mit Bentonite abgedichtet. Die Betonwanne
ist außen durchgängig mit einer wasserfesten Abdichtung
ummantelt. Zwischen der Grundplatte und dem Betonboden im Wohnraum
ist eine Dämmschicht angeordnet. Vertikale Plattenheizkörper zu
beiden Seiten einer Trennwand im Übergang zwischen Wohn- und
Schlafraum sorgen für die notwendige Wärme in den kalten Monaten.
us
Bautafel
Architekten: Act romegialli, Morbegno
Projektbeteiligte: Gianmatteo Romegialli, Angela Maria Romegialli, Erika Gaggia (Entwurf); Archh. Luigi Guzzardi e Roberto Pescarollo (Mitarbeit)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2015
Standort: Fondamenta San Giobbe, Venedig
Bildnachweis: Marcello Mariana, Mesero