Dortmannhof in Essen-Katernberg
Neue Räume nach dem Haus-im-Haus-Prinzip
Der Dortmannhof in Essen-Katernberg wurde erstmalig im Jahr 1552 urkundlich erwähnt – als sogenanntes Behandigungsgut (eine Form der Erbpacht) des Stiftes Essen. Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde das landwirtschaftliche Anwesen erweitert um ein ein- bis zweigeschossiges niederdeutsches Hallenhaus mit Stall- und Wohnteil. Das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Fachwerkgebäude wurde zwar in den 1980er-Jahren ausgebaut, ein Großteil der historischen Bausubstanz und der ursprüngliche Grundriss blieben jedoch erhalten.
Gallerie
Auf der Suche nach einer Wohnung für ihre vierköpfige Familie stießen die neuen Eigentümer – beide Berufsmusiker – auf die charaktervolle Immobilie. Die vorhandenen knapp 270 Quadratmeter Grundfläche (und 500 Quadratmeter Garten) schienen zunächst sicherlich ausreichend. Bald jedoch kam der Wunsch nach einer adäquaten Räumlichkeit für die Musik auf. Weiterhin sollte in dem Hallenhaus ein Gästebereich entstehen, denn mit dem bis zu elf Meter hohen Scheunen- und Stallbereich stand, zumindest in der Theorie, ausreichend Platz zur Verfügung.
Musikstudio, Gästewohnung und Badezimmer
Die Aufgabe für den in Berlin ansässigen dänischen Architekten Sigurd Larsen bestand darin, in das Scheunenvolumen (das etwas mehr als die Hälfte des Hallenhauses einnimmt) ein Musikstudio, eine Gästewohnung sowie ein neues Badezimmer einzufügen. Zwar hatte der Denkmalschutz einer Umnutzung der Scheune grundsätzlich zugestimmt, äußerlich sollte das historische Bauernhaus allerdings unverändert bleiben. Die neuen Bewohner wünschten zudem, das charmante Innere der Scheune mit sichtbarer Fachwerk- und Dachkonstruktion, originalem Pflasterboden und kalkverputzten Wänden zu erhalten.
Holzrahmenbau als Raum-im-Raum
Die Scheune ist durch die Fachwerk-Tragkonstruktion dreigeteilt und verfügt über mehrere Zugänge, auch bedingt durch die ursprünglich landwirtschaftlichen Betriebsabläufe. In jeden der drei Bereiche fügte Architekt Larsen ein „Raummöbel” ein: links die Gästewohnung, rechts das Badezimmer und in der Mitte das Musikstudio. Vor Ort in Holzrahmenbauweise errichtet, weiß verkleidet und gestrichen, ragt die Raumskulptur des Studios hoch hinauf in den Dachstuhl. Nach oben gefaltet und verjüngt, dringt die Spitze des eingestellten Baukörpers bis zur Dachhaut des alten und öffnet sich dort über ein Dachflächenfenster. Aufgrund der Form bleibt die Untersicht der historischen Dachkonstruktion mit der originalen Strohisolierung gewahrt.
Tragende Fachwerkbalken wurden in die neuen Raumgebilde integriert und bilden einen rauen Kontrast zu den glatten Wänden. Stirnseitig, in Richtung eines zweiflügeligen Scheunentors, ist der Proberaum vollständig verglast und als moderner Einbau klar ablesbar. Die autarke Gästewohnung ist ebenfalls aus weiß verkleideten Holzrahmenwänden erbaut und erstreckt sich auf zwei Etagen. Sie ist weniger hoch als das Musikstudio, aber ebenso wie dieses mit einer Dachöffnung versehen – im unteren Bereich des Satteldachs. Ein Bad und eine Kochzeile im Erdgeschoss sind über eine Wendeltreppe mit dem Schlaf- und Wohnbereich im Obergeschoss verknüpft.
Bauphysikalische Aspekte: Wärmeschutz
Der besondere Charme des ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäudes und insbesondere des Scheunenbereichs liegt in der Sichtbarkeit von Material und Konstruktion – innen wie außen. Weil die Vorgaben des Denkmalschutzes keine Veränderungen an Fassade und Dachfläche zuließen, waren eine zusätzliche Außendämmung – zumindest in der Theorie – ebenso wie nachträglich eingefügte Fensteröffnungen für mehr Tageslicht von Planungsbeginn an ausgeschlossen.
Um die historischen Oberflächen im Inneren des Gebäudes zu bewahren, wurde auf eine Verkleidung des Dachstuhls verzichtet. Die originale Holzkonstruktion blieb sichtbar, ebenso wie die Abdichtung der Dachziegel durch Strohbündel, die beinahe ornamental erscheinen. Eine nachträglich montierte Innendämmung der Außenwände hätte zwar für einen zeitgemäßen Wärmeschutz gesorgt, die ablesbare Geschichte des Scheunentrakts jedoch zerstört. So blieb es bei einem neuen Anstrich aus weißer Kalkfarbe und man konzentrierte sich auf die Dämmung der eingestellten „Möbel”. Deren Wände in Holzrahmenbauweise wurden mit 150 mm starken Holzfaserdämmmatten mit einer Wärmeleitfähigkeit von λD 0,036 (W/mK) ausgefacht. Der gedämmte Bereich in der ehemaligen Scheune ist damit auf die tatsächlich zum Aufenthalt genutzten Räume beschränkt.
Tageslicht durch Dachfenster und trichterförmige weiße Räume
Nachträgliche zusätzliche Fensteröffnungen ließ der Denkmalschutz nicht zu, lediglich zwei kleine Dachflächenfenster konnten als Kompromiss mit der Behörde verhandelt werden. Um diese Option zu nutzen, ragen die eingestellten Raummöbel des Musikzimmers und der Gästewohnung trichterförmig bis unter den Dachstuhl, verbinden sich hier mit der Dachhaut und den neuen Dachfenstern. Sinnbildlich wie in einer Reuse wird das Morgenlicht eingefangen und über die trichterförmigen Räume und weißen Oberflächen bis zum Boden geleitet. Trotz der ausgesprochen kleinen Öffnungen im Dach ließ sich in Verbindung mit dem indirekten Lichteinfall durch Glasflächen zum Scheuneninneren eine gute Tageslichtversorgung erzielen.
Gute akustische Bedingungen ohne parallele Wände
Hinsichtlich der akustischen Qualitäten stellen Berufsmusiker
als Bauherrn sicherlich höhere Anforderungen als andere. Die
räumlichen Möglichkeiten innerhalb der Scheune waren begrenzt, der
Aufwand für eine konstruktive Optimierung des Musikstudios sollte
im Rahmen bleiben. Letztlich reduzierte man die Maßnahmen auf ein
Minimum und arbeitete nach dem „Trial-and-Error”-Prinzip: Um
unangenehme und klangtechnisch nachteilige Schallreflexionen zu
vermeiden, wurden parallele Wände vermieden. Hätte sich
herausgestellt, dass zusätzliche schalldämmende bzw.
klangoptimierende Maßnahmen erforderlich gewesen wären, hätte man
sich mit dicken, schalldämmenden Vorhängen beholfen. Im Alltag
zeigt sich jedoch, dass das Studio über hervorragende akustische
Qualitäten verfügt – selbst ein komplettes Orchester hat
mittlerweile hier schon zufriedenstellend geprobt.
Bautafel
Architekten: Sigurd Larsen Design & Architecture, Berlin
Beteiligte: Ingenieurbüro Scheuten, Essen (Tragwerksplanung, Brandschutz, Bauphysik)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2020
Standort: Dortmannhof 12A, 45327 Essen
Bildnachweis: Christian Flatscher, Innsbruck