Zentrum für Botanische Kunst in Hengshui

Interval Studio zitiert mit dem Tower of Bricks einen historischen Ziegelofen

Um Smog zu reduzieren und Ackerland zu retten, das intensiv für den Bau von Ziegelöfen eingenommen worden war, verabschiedete sich China vor einigen Jahren von einer 2000 Jahre alten Tradition. 2003 wurden in kohlegefeuerten Brennöfen hergestellte Ziegel und Kacheln untersagt. Die Ziegelproduktion hatte den in den 1980er-Jahren beginnenden Bauboom Chinas gespeist und war noch im Jahr 2000 für rund ein Viertel von Chinas Kohleverbrauch verantwortlich. 

Der Brennofen wurde aufgrund seines schlechten baulichen Zustands abgerissen und 2018 durch einen Neubau, dem Zentrum für botanische Kunst, von Interval Studio ersetzt.
In dem langen schmalen Neubau finden sich die Proportionen und auch Grundrissprinzipien des Vorgängerbaus wieder.
Über einem eingeschossigen, rechteckigen Gebäuderiegel ragt als Äquivalent zum einstigen Schornstein des Brennofens ein begehbarer Turm mit quadratischem Grundriss und vier Aussichtspunkten in die Höhe.

Im Zuge dieses Gesetzes wurde auch ein im nordchinesischen Hengshui gelegener Ziegelofen stillgelegt. Die Regierung beschloss, das Feuchtgebiet, auf dem sich der Brennofen befand, in einen botanischen Garten umzuwandeln. Das Gebäude wurde aufgrund seines schlechten baulichen Zustands abgerissen und 2018 durch einen Neubau von Interval Studio ersetzt. Das Büro mit Sitz in Shanghai realisierte mit dem Tower of Bricks ein Zentrum für botanische Kunst. Der vielfältige Einsatz von Backsteinen an und um das Gebäude zitiert die Geschichte des Ortes.

Rekonstruktion einer Industriebrache

Die Grundlage des Entwurfs bildet der ehemalige Brennofen. In dem langen, schmalen Neubau finden sich die Proportionen und auch Grundrissprinzipien des Vorgängerbaus wieder. Über einem eingeschossigen, rechteckigen Gebäuderiegel ragt als Äquivalent zum einstigen Schornstein des Brennofens ein begehbarer Turm mit quadratischem Grundriss und vier Aussichtspunkten in die Höhe. Ehemals reihten sich im Brennofen – ein Hoffmanscher Ringofen, Vorläufer der modernen Tunnelöfen –  Brennkammern um einen zentralen Kamin. Anstelle des Kamins befindet sich im Neubau ein schlauchförmiger Innenhof, um den die Galerieräume, ein Restaurant und Nutzräume angeordnet sind. Diese Gliederung wird durch kleine Innenhöfe zwischen den Räumen aufgelockert. Von der Dachterrasse aus können die Besucher den Blick über den Botanischen Garten schweifen lassen.

Die Innenräume und -höfe werden durch eine Abfolge von massiven Mauerwerksrundbögen gebildet. Die Böden und Wände wurden im Innen- wie im Außenraum komplett mit Backsteinen ausgeführt. Diese Kontinuität des Materials wird nur durch die schwarzen Aluminium Fenster- und Türrahmen unterbrochen. Der Neubau unterscheidet sich vor allem durch seinen Charakter vom Bestandsgebäude. Der durch die industrielle Nutzung eher introvertierte Charakter des Brennofens wurde im Neubau zu einem öffentlich zugänglichen Gebäude umformuliert.

Bei all den Parallelen zum Vorgängerbau, aber auch angesichts der Tatsache, dass der Ziegelofen aus Umweltschutzgründen stillgelegt wurde, stellt sich jedoch die Frage, warum die Regierung einen Abriss einleitete. Ein Umbau wäre wohl deutlich nachhaltiger und kulturhistorisch wertvoller gewesen, als eine Industriebrache in ähnlicher Form zu replizieren. Und auch wenn eine Instandsetzung unmöglich gewesen sein sollte, so hätten zumindest recycelte Ziegel für den Neubau wiederverwendet werden können.

Mauerwerk: Ein Spiel aus Verbänden und Perforation

Die zweischalig ausgeführten Außenwände haben eine Stärke von insgesamt 44 cm: Als tragende Schicht fungiert ein 24 cm starkes Hintermauerwerk, gefolgt von einer 8 cm dicke Hartschaumdämmung, den äußeren Abschluss bildet das 12 cm starke Vormauerschale. Es wurden Ziegel im Normalformat mit 24 x 11,5 x 7,1 cm verwendet. Die Geschossdecke sind in Ortbeton ausgeführt.

Die Fassaden wurden in einer Art Mix aus Stapel- und Läuferverband ausgeführt. Dabei sind jeweils zwei Läuferschichten ohne Versatz aufgemauert. Um eine halbe Steinlänge gegen die darunterliegenden Schichten versetzt, folgen zwei weitere Schichten ohne Versatz zueinander usw. Den oberen Abschluss der Fassade bildet eine Art Fries, der aus einzelnen Ziegeln gebildet wird, die in regelmäßigen Abständen aus der Außenwand auskragen. An anderer Stelle wurde das Mauerwerk perforiert, wodurch natürliches Licht und frische Luft in die Innenhöfe und den Aussichtsturm dringt. Dabei alternieren jeweils drei Schichten im Stapelverband, in denen jeder zweite Läuferstapel halbiert wurde und so ein Loch ausbildet, mit einem zweischichtigen, ununterbrochenen Stapelverband, der schleppend zum Dreier-Stapel versetzt wurde. -lw

Bautafel

Architekten: Interval Architects, Shanghai
Bauherrschaft: Hengshui Botanic Park
Fertigstellung: 2018
Standort: Hengshui Botanic Park, Hebei Provinz, China
Bildnachweis: Zhi Geng

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