Zahnarztpraxis in Köln
Lichte Behandlungszimmer durch Konstruktion aus Eichenholz und Glas
Der Architekt Alvar Aalto sprach sich für einen Funktionalismus aus, der jenseits bloßer Zweckmäßigkeit auch dem Wunsch nach Behaglichkeit Rechnung trägt. Was er in dem 1940 publizierten Artikel „The Humanizing of Architecture" anhand seines Sanatoriums in Paimio erläuterte, gilt nicht minder für eine Zahnarztpraxis: Neben den hygienischen und ergonomischen Anforderungen, die selbstverständlich erfüllt sein müssen, kann ein ansprechendes Interieur dazu beitragen, den Patientinnen und Patienten die Angst vor Spritze und Bohrer zu nehmen. Vor denkbar großen Herausforderungen stand somit das Architekturbüro Rethmeier Schlaich, das gemeinsam mit Thierfelder Haase Architekten zahnärztliche Behandlungsräume in einem Kölner Bürogeschoss schaffen sollte.
Bedingt durch die Gebäudetiefe nahm sich die Bürofläche, die im ersten Geschoss eines unscheinbaren Geschäftshauses zwischen Habsburgerring und Aachener Weiher zu finden ist, zu großen Teilen dunkel aus. Da zudem die Aufteilung der Etage in wenige, großzügig geschnittene Arbeitsräume für die Nutzung als Praxis ungeeignet schien, wurden die Trennwände abgebrochen und der Rohbauzustand wiederhergestellt. Der veränderten Aufgabe entsprechend neu gegliedert wurde die Etage durch ein vom Tischler gefertigtes Modulsystem aus Eichenholz und Glas. Elegant, licht und freundlich, unterscheiden sich die Behandlungsbereiche somit deutlich vom Reinweiß anderer Arztpraxen. Noch umgewöhnlicher aber mutet die Anordnung dieser Sprechzimmer an, die nicht längs der Fassaden aufgereiht, sondern von den Außenwänden abgerückt sind.
Wohliger Funktionalismus
Mithin sind es die Korridore, die die Straßenfront wie auch die Hofseite säumen, indem sie vom Empfangs- und Wartebereich in die Tiefe der Praxis führen. Von Licht und Ausblick abgesehen, verdankt sich der besondere Reiz dieser Flure auch der gestaffelten Anordnung der Behandlungszimmer, die dem trapezoiden Gebäudegrundriss ebenso geschuldet ist wie dem Erfordernis, zusätzliche Nebenräume auf der Etage unterzubringen. Statt angstvoll dem Zahnarztstuhl entgegen zu schreiten, lassen diese Versprünge und die vielfache Variation, die innerhalb der modularen Ordnung erzielt wurde, den Weg zu Vorsorge und Behandlung zu einem Entdeckungsgang werden. Dabei findet sich der Übertritt in die medizinische Sphäre durch den Wechsel des Bodenmaterials akzentuiert – macht doch der geschliffene Estrich einem blauen Linoleumboden Platz. Der aber ist nicht allein rings der automatischen Stühle, sondern auch zwischen den hölzernen Kabinen ausgelegt. Hier steht dem Personal ein weiterer, innenliegender Gang zur Verfügung, der von den Patientenkorridoren strikt getrennt ist. Einzig an der Empfangstheke treffen beide Bereiche unmittelbar aufeinander.
Fenster und Türen: Aussicht ohne Einblick
Von der
einen Zone in die andere führen flächenbündige Türen, die in das
Holzständerwerk aus eigens entwickelten und von der Robertz
Schreinerei gerfertigten Eichenprofilen eingepasst sind und sich
mit festmontierten Verglasungen abwechseln. Dabei wurden die
unteren Felder jeweils mit vertikal strukturierten, 8 mm dicken
Scheiben von Saint Gobain ausgestattet, die zwar Licht in die
Behandlungskabinen fallen lassen, sie zugleich aber gegen Blicke
und Lärm abschirmen. Hingegen kam oberhalb der angenommenen
Augenhöhe Klarglas zum Einsatz, sodass sich während einer
Wurzelbehandlung oder Weisheitszahnentfernung der beruhigende,
vielleicht auch tröstliche Blick in die Kronen der alten Bäume
bietet, die vor dem Hause wachsen. -ar