Wohnkomplex Ilot Queyries in Bordeaux

Schadstoffabbauende Fliesen auf 10.000 Quadratmetern Fassadenfläche

Wie die Spitzen eines Eisbergs stechen die mit hellen Keramikfliesen bekleideten, stark geneigten Dachflächen in den Himmel. Die markante Bauskulptur nach Plänen von MVRDV und dem ortsansässigen Büro Flint als Co-Partner liegt östlich des Flusses Garonne, direkt gegenüber der größten Kathedrale Frankreichs, die als städtebaulicher Hochpunkt das historische Zentrum von Bordeaux markiert. Selbst von dort dürfte der neue Wohnkomplex Ilot Queyries noch ins Auge fallen.

Wie die Spitzen eines Eisberges stechen die mit hellen Keramikfliesen bekleideten, stark geneigten Dachflächen in den Himmel.
Das Großprojekt bildet eine Einheit mit drei kleineren, angrenzenden Wohngebäuden nach Plänen von JA Joubert Architecture (links im Bild).
Das teils 200 Meter lange Gebäude füllt das Grundstück bis an seine Grenzen aus und umschließt einen öffentlich zugänglichen, begrünten Innenhof mit einer Fläche von 5.200 Quadratmetern.

Das Großprojekt bildet eine Einheit mit drei kleineren, angrenzenden Wohngebäuden nach Plänen von JA Joubert Architecture, dem Büro des ehemaligen MVRDV-Mitarbeiters Marc Joubert. Es stellt eine Art Testlauf für den Masterplan des niederländischen Büros für das benachbarte Quartier Bastide-Niel dar. Das von Lagerhäusern, Kasernen und Bahngleisen geprägte, 35 Hektar große Gebiet soll nach dem Vorbild der kleinteiligen, historischen Altstadt Bordeauxs urbanisiert werden. Wohnbauten für 3.500 Familien sowie Büros, Institute der Universität, Geschäfte und eine Reihe von öffentlichen Einrichtungen sollen dort künftig ein nachhaltiges, überwiegend von Fußgängern und Radfahrern dominiertes Viertel mit kleinen Straßen bilden. Dabei soll allerdings so viel wie möglich vom industriellen Erbe erhalten bleiben.

Ein Gebäude als ganzes Quartier

Der Wohnkomplex Ilot Queyries versucht nun, all dies im Kleinen umzusetzen. Das bis zu 200 Meter lange Gebäude füllt das Grundstück bis an seine Grenzen aus und umschließt einen öffentlich zugänglichen, begrünten Innenhof mit einer Fläche von 5.200 Quadratmetern. Bepflanzt ist er mit 83 Erlen und Birken und einer Vielzahl von Gräsern. Der Hof liegt höher als das Straßenniveau, darunter befinden sich Pkw-Stellplätze, sodass das Areal frei von parkenden Autos gehalten wird. An verschiedenen Stellen verbinden große Portale durch das Gebäude hindurch den Innenhof mit dem Außenbereich.

Das Gebäude bezieht sich allseits auf seine Umgebung: Im Südosten greift es mit eingeschossigen Abschnitten die niedrige Nachbarbebauung auf, während es im Nordosten, zum Fluss hin, bis zu neun Stockwerke hoch wird. An diesem höchsten Punkt befindet sich in einer gläsernen Krone ein Restaurant mit Blick auf die Garonne und das historische Zentrum von Bordeaux. Gemäß den im Masterplan Bastide-Niel entwickelten Regeln variieren die Dachneigungen je nach Sonneneinstrahlung zwischen 14 und 45 Grad. Dies kreiert komplexe und interessante Innenräume. Jede der 308 Wohnungen – davon 163 Sozialwohnungen – verfügt über einen Balkon oder eine Loggia.

Schadstoffabbauende Fliesen auf 10.000 Quadratmetern

Die gefliesten Fassadenflächen gehen nahtlos in die geneigten Dächer über. Sie setzen sich mit scharfen, präzisen Kanten vom roten Putz des Innenhofes ab, der sich in Einschnitten, Durchblicken und Durchgängen hier und da kontrastreich seinen Weg nach außen bahnt. Neben kontextuellen und gestalterischen Erwägungen ist die helle Außenfarbe auch durch Umweltbelange motiviert. Sie verleiht dem Gebäude eine hohe Albedo (Rückstrahlungsvermögen) und reduziert damit den städtischen Wärmeinseleffekt.

Bei den Fliesen für die 10.000 Quadratmeter Fassadenfläche handelt es sich um Spezialanfertigungen eines Fassadensystems. Der Hersteller entwickelte nach Vorgaben der Architekturschaffenden drei unterschiedliche Profile. Auch das helle Grau der Keramik ist eine Sonderfarbe.

Die langen und schmalen, rechteckigen Fliesen wurden vertikal verlegt und betonen so die Höhe des Gebäudes. Da die Platten nur in das Systemprofil eingehängt werden, war zur Montage kein zusätzliches Werkzeug nötig. Die Fugen sind so ausgebildet, dass die Konstruktion vor Schlagregen geschützt wird. Die Keramik ist mit einer Hytect-Technologie mit Self-Washing-Effekt ausgestattet, die antibakteriell wirkt. Sie baut zudem Schadstoffe wie Stickoxide ab und trägt somit aktiv zu einer besseren Luftqualität bei. Damit trotzt die Gebäudehülle jeder Witterung, Verunreinigung sowie Moosbildung und verursacht nur äußerst niedrige Unterhaltskosten. So kann zudem ein langer Gebäudelebenszyklus erreicht werden. -sas

Bautafel

Architektur: MVRDV, Rotterdam
Projektbeteiligte: Flint, Bordeaux (Co-Partner); Sabine Haristoy, Bordeaux (Landschaftsarchitektur); Agrob Buchtal, Schwarzenfeld (Hersteller Fliesen und Befestigungssystem; Produkt: KeraTwin)
Bauherr/in: Kaufman & Broad, Île-de-France; ADIM Nouvelle Aquitaine, Bordeaux
Fertigstellung: 2021
Standort: Quai de Queyries, Bordeaux
Bildnachweis: Ossip van Duivenbode; MVRDV, Rotterdam

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