Wohnhaus La Casetta in Segnas

Einfamilienhaus mit 55 Quadratmetern

​​Ein Neubau mit frischer, schlichter Holzfassade in einem denkmalgeschützten Dorfkern? Dass das kein Ding der Unmöglichkeit ist, belegt das Projekt La Casetta im schweizer Örtchen Segnas. Mit dem Kleinsthaus auf der Grundfläche einer einstigen Scheune hat das Team von Atelier Schmidt aus Trun einer jungen Bauherrschaft den Wunsch nach einem Eigenheim in dem kleinen Dorf erfüllt.

Im denkmalgeschützten Dorfkern zu bauen war dank des Hofstattrechts möglich - unter Einhaltung der Gebäudegrenzen des zuvor hier stehenden Stalls.
Die Fassaden sind mit Schindeln bekleidet, das Dach hat eine Blecheindeckung.
Große Fensteröffnungen sorgen für alpine Ausblicke, ohne zugleich intime Einblicke zu gewähren.

Das malerische Segnas mit gerade mal 250 Einwohnern liegt in der Region Surselva des Kantons Graubünden, auf 1.331 Metern über dem Meer. Der Ort ist im schweizerischen Bundesinventar der schützenswerten Bauten als Dorfbild von nationaler Bedeutung aufgelistet. Entsprechend sind Neubauten sehr enge Grenzen gesetzt. Die einheimische Bauherrschaft erwarb hier einen Stall auf einer 31 Quadratmeter großen Parzelle im Ortskern erwerben. Die benachbarten Häuser stehen dicht an dicht in hangparallelen Reihen, entlang zweier Erschließungsachsen.

Hofstattrecht für Neubauten im Bestandsformat

Dank des schweizerischen Hofstattrechts ist es an dieser Stelle trotz Denkmalschutz erlaubt, Bestandsgebäude abzureißen und durch einen Neubau im gleichen Umfang zu ersetzen – und zwar ohne die generellen Vorschriften beispielswiese über Grenz- und Gebäudeabstände oder Gebäudehöhen zu berücksichtigen. Das Hofstattrecht geht historisch zurück auf Gewohnheitsrechte, die mit der Hofstatt, also dem Platz im Dorf, verbunden waren. Während es sich früher hauptsächlich um tradierte Nutzungs- und Bürgerrechte handelte, basiert es heutzutage auf den Raumplanungsgesetzen der einzelnen Kantone. Innerhalb dieser Gesetzgebung können die Kantone ihre Gemeinden dazu ermächtigen, Ausnahmen von geltenden Vorschriften in Bezug auf die Regelbauweise zuzulassen. Das gab den Planern die Möglichkeit, anstelle des alten Stalls ein Einfamilienhaus in Holzbauweise errichten zu lassen. Dafür musste der Neubau die Vorgaben der Denkmalpflege für einen behutsamen Umgang mit dem geschützten Dorfkern erfüllen. Das Gebäudevolumen des vormals hier stehenden Stalls war eine der Maßgaben für das Architekturbüro. Innerhalb dessen einhalten schufen sie komfortablen, nach heutigen Bedürfnissen ausgerichteten Wohnraum.

Elementturm als statischer und funktionaler Kern

Um den eng begrenzten Raum möglichst effizient zu nutzen, verteilten die Architekten die verschiedenen Nutzungsbereiche auf Halbgeschossen und einen vorgefertigten Brettsperrholzturm, der den Kern des Gebäudes bildet. Der Elementturm erfüllt die statische Funktion einer Stütze und leitet die Lasten der Firstpfette in den Boden. Diese Nutzungskonzentration erlaubt den Bewohnerinnen und Bewohnern den restlichen Raum frei zu nutzen. Dabei dient der Turm nicht nur dazu, die zwei Gebäudehälften mit ihren verschieden hohen Ebenen zu verbinden. Er ist zugleich Raumtrenner, Treppenturm, Steigzone, Kamin und Pelletlager. Zudem beherbergt er über alle Geschosse hinweg Einbauschränke und Regale. Auch wenn der Neubau über eine Gesamt-Wohnfläche von lediglich 55 Quadratmetern verfügt, wirken die Räume großzügig und hell. Dazu tragen helle Holztöne und weißer Kalkputz bei. Vor allem wird diese Wirkung aber dadurch erzielt, dass die offene Treppe die gesamte Gebäudelänge wahrnehmbar macht und so die Räume optisch vergrößert.

Holzschindelhülle gespickt mit geschickten Öffnungen

Die Fassaden des Hauses sind mit Schindeln aus einheimischer Fichte bekleidet – Sie nehmen Bezüge zu den Oberflächen im historischen Dorfkern. Den Sockelbereich bildet eine geschliffene Betonwanne. Sie ragt über das Terrain und über ein kleines Stück über die Fassadenebene hinaus und schützt die Schindeln vor Beschädigungen. Große Glasflächen lassen viel natürliches Licht ins Innere und ermöglichen außergewöhnliche alpine Ausblicke. Zugleich sind die Öffnungen so positioniert, dass trotz der dichten Bebauung im Dorf intime Einblicke verwehrt bleiben. Da das Hofstattrecht eine Erhöhung des Gebäudes verhinderte, wurden unterirdisch zusätzliche Räume erschlossen und attraktiv gestaltet. Ein gläserner Bodenausschnitt im Erdgeschoss ermöglicht es dem Tageslicht, bis hinunter ins Untergeschoss vorzudringen.

Sparrendach mit Treppenturm als Auflager
Von außen leicht zu erkennen: Es handelt sich um ein mit Blech eingedeckte Sparrendach. In dieser Form ist es eine Reminiszenz an den früheren Stall, der vor dem Neubau auf der Parzelle stand. Die Lasten aus der Firstpfette werden über den hölzernen Turm im Gebäudekern in den Boden abgeleitet.

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Blechdeckung, 15 mm
  • Dachschalung, 27 mm
  • Konterlattung (Hinterlüftung), 50/80 mm
  • Holzklötzchen für Querlüftung, 30/50 mm
  • Unterdachfolie
  • Weichfaserplatte, 35 mm
  • Sparren/Glaswolle, 160 mm
  • Dampfsperre (DSP), 27 mm

Bautafel

Architekten: Atelier Schmidt, Trun
Projektbeteiligte: Bearth len, Rabius (Holzelementbau);  Bisqolm Dach, Ladir (Bedachungsarbeiten); IPZ Ingenieure + Planer, Disentis (Ingenieur); STRABAG, Disentis (Baumeister); Elektro cadi, Disentis (Elektroanlagen); Guldimann, Trun (Sanitäranlagen); Huonder, Disentis (Gipserarbeiten); Scrinaria Flepp, Disentis (Schreinerarbeiten); Corsin Degonda, Sumvitg (Bodenbelag)
Bauherrschaft: privat
Standort: Via Sut Vitg 14, 7186 Segnas, Schweiz
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Rasmus Norlander, Zürich

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