Wohnhaus in Goes

Reetdeckung an Dach und Fassade

Auf der niederländischen Halbinsel Zuid-Beveland liegt die kleine Stadt Goes. Ihre Geschichte reicht weit ins Mittelalter zurück. Nachdem viele der aus Holz errichteten Häuser im 16. Jahrhundert einem Brand zum Opfer gefallen waren, wurde die damalige Hafenstadt bald wieder aufgebaut. Noch heut ist ihr Zentrum von schmalen Spitzgiebelhäusern des 17. und 18. Jahrhunderts geprägt. Etwas außerhalb, umgeben von Wiesen und Feldern, planten Grassodenridder Architekten aus dem benachbarten Bergen op Zoom das Wohnhaus für eine vierköpfige Familie. Sie schufen ein Ensemble aus Haupthaus und versetzt dazu angeordnetem, deutlich kleinerem Nebenhaus. In etwa Nord-Süd ausgerichtet, vereinen die beiden sich ähnelnden Baukörper traditionelle und zeitgenössische Merkmale.

Die lang gestreckte Gebäudeform mit Satteldach orientiert sich an traditionellen Bauernhäusern
Im Südosten fassen die Baukörper eine Terrasse
Im Nebenhaus befindet sich die Garage, ein Büro sowie ein Gästezimmer im Dachgeschoss

Der Form nach orientiert sich das lang gestreckte Hauptgebäude mit Satteldach an historischen Bauernhäusern – sogenannten Langhäusern. Reet bzw. Schilfrohr wird bereits seit Jahrhunderten in den Küstenregionen der Nordsee als Dachdeckung eingesetzt – bei diesem Wohnhaus zieht sich die Reetdeckung über Dach und Fassade, um etwa kniehoch über dem Boden zu enden. Dort schließt ebenso wie an den Giebelseiten und einer rechteckigen Aussparung im Bereich des Eingangs eine vertikale, dunkle Holzbekleidung an. Das Nebengebäude ist analog dazu gestaltet, ein gläserner Gang verbindet die beiden Häuser miteinander. Sämtliche Kanten verlaufen klar und gradlinig, schmal und dunkel gerahmte Fenster erscheinen als tiefe Einschnitte in der Gebäudehülle.

Während sich die die Baukörper zur Straße nach Westen und Norden eher geschlossen zeigen, weisen ihre zum Garten hin ausgerichteten Süd- und Ostfassaden große Fensterflächen auf. Der Eingang liegt etwas zurückversetzt an der langen Westseite des Haupthauses. Beim Eintritt lenkt die Garderobe zur Linken den Blick hoch in den Dachraum; rechterhand geht es zur offenen, großzügigen Küche und von dort weiter in den Ess- und Wohnbereich. Die im Süden und Osten übereck geführten Glasfassaden lassen viel Tageslicht hinein und schaffen fließende Übergänge zwischen Innen- und Außenraum. Das Erdgeschoss ist teilweise über beide Geschosse offen gestaltet. Eine schmale Treppe mit Eichenholzstufen führt ins Dachgeschoss. Hier befinden sich das Elternschlafzimmer mit angeschlossenem Bad sowie zwei Kinderzimmer mit einem weiteren Bad. Im Erdgeschoss des Nebenhauses sind die Garage und ein Büro untergebracht, im Dachgeschoss ein Gästezimmer mit Bad.

Nachhaltig Bauen
Die Ausrichtung der Wohn- und Hauptaufenthaltsräume nach Süden reduziert den Heizenergieverbrauch des Wohnhauses. Aufgrund großer Fensterflächen profitieren diese Räume auch im Winter von direkter Sonneneinstrahlung. Die Beheizung erfolgt über eine Niedertemperaturheizung mit außentemperaturabhängiger Regelung der Vorlauftemperatur. Die Verteilung der Wärme übernimmt in erster Linie eine Fußbodenheizung. Die kompakte Bauweise des Wohnhauses und die Aufteilung der Räume stellen eine effiziente Flächennutzung dar; Hüllfläche und Volumen stehen in einem ausgewogenen und energetisch wirkungsvollen Verhältnis (A/V).

Das unbehandelte Schilfrohr, das als Dachdeckung und Bekleidung der West- und Ostfassaden beider Häuser eingesetzt wurde, ist ein regional nachwachsender Rohstoff. Kurze Transportwege halten den Energieaufwand und den damit verbundenen CO₂-Ausstoß gering. Darüber hinaus besitzt Reet gute Dämmeigenschaften, ist witterungs- und feuchtebeständig. An den mit Holz verkleideten Giebelseiten und Sockelbereichen wurde Mineralwolle als Dämmmaterial eingesetzt. Die Fenster sind mit Dreifachverglasung ausgeführt. Sämtliche Möbeleinbauten, wie die Schrankwände in Wohnzimmer, Küche, Garderobe und Bad wurden aus dunklem, geräucherten Eichenholz gezimmert.

Bautafel

Architekten: grassodenridder_architecten, Bergen op Zoom
Projektbeteiligte:
grassodenridder_architecten, Bergen op Zoom (Innengestaltung); Metaglas, Tiel (Hersteller Verglasungen)
Bauherr: privat
Fertigstellung:
2014
Standort:
Goes
Bildnachweis: Architekten

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Ost- bzw. Westfenster empfangen 60%, Nordfenster 40% der nutzbaren Solareinstrahlung eines nach Süden gerichteten Fensters (Bild: Wohnen am Woerthboeschel in Baden-Baden)

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Fachwerkbau aus Holz und Ziegelausfachung in Norddeutschland (um 1800)

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Baustoffe/​-teile

Holz

Unser Helligkeitseindruck hängt von der Beleuchtungsstärke und den Reflexionen der angestrahlten Gegenstände ab.

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