Wohn- und Gewerbekomplex Central St. Giles in London

Knallbunte Keramikfassaden

In kräftigem Rot, Orange, Grün und Gelb leuchten die Fassaden des Central St. Giles, einem Gebäudekomplex im Herzen der Londoner City. Als „splash of joy“ bezeichnet auch der italienische Architekt Renzo Piano das von ihm entworfene Projekt, das im eher grauen Umfeld zwischen Covent Garden, Bloomsbury und Soho entstanden ist. Der Neubau besteht aus einem 15-geschossigen Wohnhochhaus und einem u-förmigen Bürogebäude mit elf Geschossen, die zusammen einen öffentlich zugänglichen Innenhof, die sogenannte Piazza, umschließen.

Die Keramikfassade ist mit insgesamt sechs kräftigen Farben gestaltet
Die Keramikplatten mit waagerechter Konturierung und davor gesetzten horizontalen bzw. vertikalen Profilen
Die zur Straßenseite und nach innen gerichteten Gebäudefronten sind in einzelne Fassadenabschnitte unterschiedlicher Größe gegliedert

Mit einer Fläche von rund 65.000 m² hat die Anlage riesige Dimensionen: 109 Wohnungen verteilen sich auf 8.800 m², auf 39.000 m² sind Büroflächen untergebracht. In den sechs Meter hohen Erdgeschosszonen befinden sich Läden, Cafés und Restaurants. Mehrere Durchgänge sowie ein öffentlicher Weg in Nord-Südrichtung durchqueren den über 2.050 m² großen Innenhof, der mit Sitzgelegenheiten, zwei Eichen und einigen Skulpturen ausgestattet ist. Auf seiner Südseite erstreckt sich eine große Lobby. Jedes Geschoss verfügt über Wintergärten, welche die Verbindung zwischen den Innenräumen und der umgebenden Stadtlandschaft herstellen sollen. Von den großen Dachterrassen in den oberen Geschossen können die Bewohner und Nutzer der Büros über ganz London blicken.

Die Gebäudefronten wurden in einzelne Abschnitte unterschiedlicher Größe gegliedert. Sie sind in verschiedenen Winkeln zueinander angeordnet und bis auf die Erdgeschosszonen mit keramischen Elementen in sechs Farben verkleidet. Die zur Straße ausgerichteten Fassaden zeigen sich entweder im knalligen Rot, Orange, Grün oder Gelb. Zum Hof hin wurden stattdessen zwei schlichtere, ruhigere Farben in helleren Nuancen gewählt. Zwischen den Fassaden liegen, etwas zurückversetzt, schmale Glasbänder, die über die gesamte Gebäudehöhe reichen. Diese leiten nicht nur Tageslicht in die tiefen Häuser hinein, sondern verringern auch die massive Erscheinung des riesigen Gebäudekomplexes. Zudem gewähren sie Durchblicke zwischen Innenhof und Straße. Die Fassaden des 10. und 11. Obergeschosses sind ebenfalls zu großen Teilen verglast. Auf der Nord- und Ostseite sowie im gesamten Erdgeschoss kommt eine Zweifachverglasung zum Einsatz, die Süd- und Westfassaden der oberen Geschosse sind mit Dreifachverglasungen ausgestattet. Über die begrünten Dächer des Gebäudekomplexes wird das anfallende Regenwasser zur Wiederverwendung aufgefangen. Die Beheizung und Warmwasseraufbereitung erfolgt über eine Biomassekesselanlage im Untergeschoss.

Fliesen und Platten
Hervorstechendes Merkmal von Central St. Giles ist zweifelsfrei seine bunte Fassade. Sie besteht aus einzelnen, keramischen Platten, deren Oberflächen eine geriffelte, waagerechte Struktur aufweisen. Davor verlaufen dünne, stangenartige Profile in horizontale und vertikale Richtung, die die Plastizität der gesamten Außenhaut verstärkt. Die Gebäudehülle ist als Doppelfassade ausgeführt, die Keramikelemente sind vorgehängt und hinterlüftet.

Zum Einsatz kamen stranggepresste (extrudierte) Profile in 18 verschiedenen Ausführungen, die allesamt nach einem Entwurf von Renzo Piano angefertigt wurden. Insgesamt 700 in Größe, Profilierung und Farbe unterschiedliche Formen wurden hergestellt und zu Fenster- und Fassadenmodulen zusammengesetzt. Im gesamten Gebäudekomplex sind 121.000 Einzelkeramiken verbaut, die nebeneinandergelegt, eine Länge von mehr als 110 Kilometer ergeben.

Im Zuge der Herstellung wurden die Profile zunächst geformt, gepresst, mehrere Tage getrocknet und anschließend 24 Stunden lang gebrannt. Danach wurden sie auf Länge geschnitten, mit einer Glasur versehen und abschließend ein zweites Mal gebrannt. Die verwendete Glasur hebt die Farbe hervor, schützt die Keramik vor Korrosion und sorgt außerdem für Frostbeständigkeit. Da die exponierte Lage des Grundstücks weder Gerüste und Kräne zuließ, wurde jedes Fassadenmodul über Flaschenzüge an seinen Platz gehoben und mittels Saugnäpfen ausgerichtet.

Keramik fand aber nicht nur an der Fassade des Gebäudekomplexes Verwendung, sondern auch bei der Gestaltung der Piazza und der Innenräume – in beiden Fällen allerdings in schlichterer Ausführung. Die Böden in der Haupthalle, der Lobby und in den Fluren sind auf einer Fläche von 5.500 m² mit 60 x 60 cm großen Feinsteinzeugfliesen in einem hellen Braunton belegt. In den Geschossen darüber ist auf 2.500 m² graues Feinsteinzeug im Format 30 x 60 cm verlegt. Die Piazza ist farblich ebenfalls zurückhaltender gestaltet: mit großformatigen Platten (60 x 75 x 8 cm), deren Farbe an Sichtbeton erinnert.

Bautafel

Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Genua in Zusammenarbeit mit Fletcher Priest Architects, London
Projektbeteiligte: Ove Arup & Partners, London (Tragwerksplanung, Gebäudetechnik); Emmer Pfenninger und Partners, Münchenstein (Fassadenplanung); NBK Keramik, Emmerich (Fassadenkeramik); Ceramiche Refin, Casalgrande (Bodenfliesen innen); Heinrich Klostermann Betonwerke, Coesfeld (Bodenfliesen außen)
Bauherr: Legal & General Property, London mit Mitsubishi Estate Corporation, London und Stanhope PLC, London
Fertigstellung: Mai 2010
Standort: 1 St Giles High St., Camden Town, London Borough of Camden

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