Villa in Aumühle

Kühlen und Heizen mit Eisspeicher und Wärmepumpe

Die kleine Gemeinde Aumühle liegt etwa zwanzig Kilometer östlich von Hamburg im Sachsenwald, dem größten Waldgebiet Schleswig-Holsteins, das den Menschen der Metropolregion Hamburg als Naherholungsgebiet dient. In dieser idyllischen Umgebung wurde nach Plänen des Büros Bechtloff für ein privates Bauherrenpaar eine Villa im Stil der klassischen Moderne errichtet, die in ihrer Nutzung als nachhaltiges Gebäude angelegt ist. Das bedeutet zum einen, dass die Bewohner das Haus bis ins hohe Alter ohne Umbaumaßnahmen nutzen können sollen, weshalb es als Bungalow umgesetzt wurde und barrierefrei gestaltet ist. Zum anderen entschied sich die Bauherrschaft für den Einsatz erneuerbarer Energien. Ein Eisspeicher sorgt im Sommer für Kühlung und im Winter für die Beheizung der Wohnräume, wobei beide Phasen sich einen Großteil der benötigten Energie quasi gegenseitig zuspielen.

Aus der Topografie des Geländes haben die Architekten für den Grundriss eine Z-Form entwickelt.
In einem Teil-Untergeschoss befinden sich die Neben- und Versorgungsräume sowie eine zusätzliche, kleine Wohnung mit zwei Zimmern und – dank des Geländeverlaufs – Ausblick in den Garten.
Großzügige, raumhohe Verglasungen auf fast der gesamten Süd-West-Seite des Wohnbereichs ermöglichen einen starken Bezug zwischen Außen- und Innenraum.

Der Topografie des Grundstücks folgend beschreibt das Gebäude eine Z-Form. Im oberen, kurzen Teil des Zetts, der nach Nordwesten zeigt, befinden sich die Schlafräume und Bäder, im Hauptteil sind Küche, Essbereich und das großzügige Wohnzimmer untergerbacht. Mithilfe großformatiger Schiebetüren können diese Bereiche voneinander getrennt respektive miteinander verbunden werden. Der untere, kurze Teil beherbergt eine Garage für bis zu drei Autos. In einem Teil-Untergeschoss befinden sich darüber hinaus eine Werkstatt, Lager- und Versorgungsräume, ein Waschraum sowie eine zusätzliche, kleine Wohnung mit zwei Zimmern und – dank des Geländeverlaufs – Ausblick in den Garten.

Der Garten als Innenraumgestalter

Die Villa ist umgeben von einem weitläufigen Grundstück mit altem Baumbestand. An der Südwestseite öffnet sich das Gebäude mit raumhohen Verglasungen zum Garten. Die Fassadenflächen zwischen den Gebäudeöffnungen sind mit dunklen rot-blau changierenden Klinkern bekleidet. Die umlaufende Terrasse und das weit auskragende Dach wurden in feinem, weißem Sichtbeton ausgeführt. In der Verlängerung des Eingangsbereichs wird das Betondach von weißen Stahllamellen durchbrochen, die das Licht filtern und ein interessantes Schattenspiel auf dem Boden kreieren.

Im Inneren ist ein heller, honigfarbener Parkettboden aus Eiche verlegt, die Wände sind schlicht weiß verputzt. Die Attraktion der Räume sind jedoch die großen Verglasungen und der Blick in den Garten. Das Grün von draußen wird zudem durch Vorhänge in derselben Farbe in die Innenräume geholt.

Eisspeicher zur Klimatisierung

Um die Innentemperatur aktiv regulieren zu können, ist es möglich, die gesamte Decke des Gebäudes über einen Eisspeicher emissionsfrei zu kühlen bzw. zu beheizen. Das Eis-Energiespeicher-System besteht im Grunde aus vier Elementen: Im Erdboden neben dem Haus sind zwei Zisternen aus Beton ohne Isolierung als Speicher vergraben, die mit zehn Kubikmetern Wasser gefüllt sind. Auf dem Dach befinden sich Flächenabsorber (Flachkollektoren), die die Wärmeenergie aus der Umgebungsluft und der Sonneneinstrahlung sammeln und dem Speicher zuführen. Eine Sole-Wärmepumpe wiederum entzieht dem Wasser der Zisternen die Wärmeenergie und führt sie schließlich dem Kreislauf in der Decke zu.

Funktionsweise des Eisspeicher-Systems

Der Eisspeicher funktioniert dabei wie ein stark verzögerter, effizienter Puffer: Die Wärmeenergie, die im Sommer gesammelt wurde, kann im Winter – unter Nutzung der Wärmepumpe – zum Heizen verwendet werden. Bei fortdauerndem Wärmeentzug während der Heizperiode wird dem Wasser in der Zisterne so viel Wärme entzogen, dass es am Ende der Heizperiode zunehmend gefriert. In dieser Phase wird die sogenannten latente Wärme genutzt: Sie wird beim Übergang des Wassers vom flüssigen zum festen Zustand freigesetzt, dem sogenannten Kristallisationspunkt. Bei diesem Phasenwechsel von flüssig zu fest bilden sich Kristalle und das 0 °C kalte Wasser wird zu 0 °C kaltem Eis, wobei es Wärme abgibt. Diese Kristallisationswärme entspricht derselben Energiemenge, die man benötigt, um die gleiche Menge Wasser von 0 °C auf 80 °C zu erhitzen.

Wird im Sommer die Wärmepumpe dann auf Kühlung umgestellt, liefert der Eisspeicher genug Kälteenergie, um die sommerliche Klimatisierung nachhaltig betreiben zu können. Die Kälte für dieses „Natural Cooling“ ist quasi kostenlos, da das Eis während der Heizperiode als „Abfallprodukt“ entstanden ist. Der Betrieb einer solchen Eisspeicheranlage ist mit deutlich geringen CO2-Emissionen möglich als der Einsatz konventioneller Gebäudetechnik zum Heizen und Kühlen.

Auch die Energiekosten für die Warmwasserbereitung lassen sich merklich reduzieren. Diese erfolgt in Verbindung mit einem Warmwasserspeicher im Sommer direkt über den Absorber, im Winter ebenfalls über die Energie der Zisterne. -tg

Bautafel

Architektur: Buero Bechtloff, Hamburg
Projektbeteiligte: Henning Bau, Hattersheim (Generalunternehmer); Lauritsen Haustechnik, Wiegersen mit Viessmann, Allendorf (TGA), Roschke Franzen und Partner, Hamburg (Entwurfsstatik), Frick + Petersen, Flensburg (Gesamtstatik)
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Piet Niemann


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