Viergiebelhaus in Berlin

Split Levels und Kreuzdach hinter Kork und Stampfbeton

Bei Kork als Baustoff denken die meisten vermutlich an Schüttungen als Dämmung in Zwischenräumen oder an Korkplatten als Bodenbeläge. Doch das Planungsbüro Rundzwei Architekten aus Berlin geht neue Wege – zumindest für deutsche Verhältnisse: Bei ihrem Korkenzieherhaus, das im Juni 2018 als Wohnhaus für drei Personen im Berliner Ortsteil Staaken fertiggestellt wurde, besteht die gesamte Außenhaut oberhalb des Gebäudesockels aus dem natürlichen Baustoff.

Die Fassadenplatten wurden mit viel Druck und Wärme aus Korkgranulat gepresst, das als Abfallprodukt bei der Flaschenkorken-Produktion in Portugal anfällt
Da bei diesem Prozess die im Kork enthaltenen Harze austreten, verbindet sich das Granulat, ohne dass weitere Stoffe hinzufgefügt werden müssen
Obendrein sorgen die Harze dafür, dass der Werkstoff resistent gegen Witterung und Schimmel ist

Was in südlicheren Ländern als Fassadenbekleidung lange Tradition hat, ist hierzulande kaum anzutreffen. Doch auch innen überrascht das Einfamilienhaus in der Vorstadtsiedlung: Auf dem relativ kleinen Grundstück war baurechtlich nur ein einziges Vollgeschoss erlaubt. Mit einer ebenerdigen Bebauung hätten die räumlichen Anforderungen der zukünftigen Bewohner nicht erfüllt werden können. Die unteren Wohnebenen wurden darum in den Betonsockel integriert, sodass sich ihre Bodenniveaus teilweise unterhalb der Geländeoberkante befinden. Über dem Sockel erhebt sich ein zentrales, atriumartiges Treppenhaus, um das spiralförmig Teilgeschossflächen angelegt sind. Wie bei einem Korkenzieher schrauben sich durch diese Split-Level-Bauweise die insgesamt acht Ebenen nach oben bis unter den Dachstuhl. Auf diese Weise wurde nicht nur eine raffinierte Analogie zwischen Baukörper und Baumaterial hergestellt. Auch konnte durch den komplexen Raumplan auf einer Grundfläche von etwa 100 m² eine Bruttogeschossfläche von 320 m² mit einer Wohnfläche von 251,8 m² erreicht werden.

Sockelzone und Aufbau unterliegen trotz der gegenseitigen räumlichen Durchdringung einer strengen Teilung, die sich über die Materialwahl äußert. Während das Haus oberhalb der Geländekante eine reine Holzkonstruktion ist, deren Fassaden sowie Dachflächen mit Kork verkleidet sind, bestehen alle unterhalb des Normalterrains liegenden Außen- und Innenwände aus Stampfbeton. Die traditionsreiche Betonart besteht aus einem Gemisch von Natursteinen und Zement, das von Hand in die Schalung eingebracht und verdichtet wird. Die Architekten wählten das grobe Material, damit der Sockel wie aus dem Erdreich ausgegraben wirkt. Außerdem verhindert seine offenporige Beschaffenheit Rissbildung. Nur die Bodenplatte wurde aus Ortbeton gegossen. Die Außenwände oberhalb der Geländekante werden auf Höhe des Erdgeschosses durch große Glasflächen geprägt, die bis zur Decke der Wohnebenen reichen. Durch sie dringt viel Tageslicht herein, auch in die zwei tiefer gelegenen Ebenen des Sockelgeschosses.

Ganz unten befindet sich ein Schlafzimmer mit Bad und Ankleide, das über einen direkten Zugang zum Außenpool verfügt. Auch das Schwimmbecken ist von Stampfbetonwänden eingefasst und liegt so tief, dass es von Nachbargrundstücken nicht eingesehen werden kann. Etwas höher befindet sich die Wohnebene mit Kamin, daneben ein Essbereich mit offener Küche, ein Gästezimmer und ein Bad. Oberhalb des Gebäudesockels befinden sich kleinere Zimmer, die durch die zentrale Treppe erschlossen werden. Teilweise sind sie untereinander verbunden und können optional zu separaten Studio-Apartments umgewandelt werden. Ein eigener Eingang wurde vorsorglich mit eingeplant. Derzeit befinden sich hier zwei Schlafräume, ein weiterer Wohnraum, ein Arbeitszimmer, eine kleine Küche sowie zwei Bäder. Direkt unter dem Dach wurde ein Lesezimmer mit Kamin ausgebaut sowie ein weiteres Arbeitszimmer.

Dach

Die Dach- und Fassadenplatten wurden unter Einsatz von Wärme und hohem Druck aus Korkgranulat gepresst, das als Abfallprodukt bei der Flaschenkorken-Produktion in Portugal anfällt. Da bei diesem Prozess die im Kork enthaltenen Harze austreten, verbindet sich das Granulat, ohne dass weitere Stoffe hinzugefügt werden müssen. Obendrein sorgen die Harze dafür, dass der Werkstoff resistent gegen Witterung und Schimmel ist. In Portugal hat Kork darum eine lange Tradition als Sichtfassadenmaterial. Das Naturprodukt hat darüber hinaus ausgezeichnete Dämmwerte, was sowohl zur Energieeffizienz als auch zur Nachhaltigkeit des Gebäudes beiträgt. Eine zusätzliche Putzschicht ist überflüssig.

Im Bestreben, natürliche und nachhaltige Baustoffe zu verwenden, verzichteten die Planer beim Bau auf Kleber und Bauschäume. Neben den Korkplatten kamen Holzfaser- und Zellulose-Dämmstoffe für die Dämmung der Wände zum Einsatz. Holz- und Gipsfaseroberflächen mit diffusionsoffenen Anstrichen absorbieren Feuchtigkeit und sorgen für eine natürliche Regulierung des Raumklimas. Alle verwendeten Bauteile können bei Bedarf ohne großen Energieaufwand in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden, die wiederum komplett recycelbar sind. Die Wärmeversorgung ist durch ein Schichtenspeichersystem – unterstützt von der im Dach integrierten Solarthermie – nahezu autark.

Nicht nur die Materialwahl des Daches ist für hiesige Breitengrade ungewöhnlich, auch seine Form. Mit einer steilen Dachneigung von 45° und vier firsthohen Giebeln bildet es ein Kreuzdach, eine Sonderform des Satteldaches. Um die Kubatur des Hauses zu unterstreichen und das homogene Bild der Außenhaut aus Kork nicht zu stören, fehlt ein Dachüberstand. Nicht nur die Firste sorgen für Höhe und für Tageslicht im Dachraum. Im Kreuzungsbereich der Dachstühle beleuchten große Fensterflächen das Treppenhaus.
 
Dachaufbau (von außen nach innen)

  • Korkverkleidung 1000 x 500 mm d=40 mm mit Stufenfalz-Fräsung
  • Holzlattung 20/60 mm
  • Trapezblech Aluminium wasserführend hinterlüftet 20 mm
  • Konterlattung 30/60 mm
  • Holzlattung 24/48 mm
  • Unterspannbahn diffusionsoffen
  • Holzsparren 200/80 mm
  • Holzfaser-Einblasdämmung WLG 040 200 mm
  • Grobspanplatte (OSB) als Dampfbremse und Windaussteifung 22 mm
  • Untersparrendämmung Holzfaser 20 mm
  • Gipsfaserplatte einfach beplankt 10 mm, gespachtelt in Qualitätsstufe 3 (Q3), Silikatanstrich

Bautafel

Architekten: rundzwei Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Krawitz, Berlin (Tragwerksplanung); Enegieberater Land Brandenburg, Potsdam (Energieplanung/KfW); Geologe Andreas Zill, Berlin (Bodengutachten); EFG Sandler, Kaufbeuren (Anlagentechnik); Zimmerei Johannsen, Berlin (Holzbau + Korkfassade); Timm Fensterbau, Berlin (Fenster und Türen); Caerus Construction, Berlin (Stampfbeton); Seidel Metallbau, Berlin (Metallbau + Geländer); Seeigel Pooltechnik, Berlin (Pool); Theo's Handwerk, Berlin (Ausbau + Trockenbau + Innentüren); Marotzke Malereibetrieb, Berlin (Malerarbeiten); Schmidt Fußbodentechnik (Holzpflasterparkett); Tischlerei Rothe, Berlin  (Einbauelemente + Küche); Sanitherm Priebe, Berlin (Heizung + Sanitär); Isik Elektrotechnik, Berlin (Elektro); Katsch Markisen, Berlin (Sonnenschutz)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2018
Standort: Berlin-Staaken
Bildnachweis: Gui Rebelo/rundzwei Architekten

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