Unterkunft der Hippo Farm in Biên Hòa

Low-Tech für tropisches Klima

Vietnam öffnet sich mehr und mehr dem Tourismus und entwickelt Angebote, um Reisende anzulocken. Einige lokale Gastgeber setzen auf alternative Urlaubskonzepte – so zum Beispiel eine französische Auswandererfamilie mit der Hippo Farm in Biên Hòa im Distrikt Đồng Nai, knapp 30 Kilometer östlich von Ho-Chi-Minh-Stadt.

Die Eingangsfassade mit Zugängen zu sieben Schlafräumen
Eine Auswandererfamilie aus Frankreich hat die Hippo Farm aufgebaut.
Leicht aufgeständert, ist das Schlafhaus vor Überflutung und auf dem Boden lebenden Insekten geschützt.

Auf den ersten Blick mag die Farm als „normaler” Reiterhof erscheinen, mit Reitkursen, Koppeln und Stallungen. Das vielfältige Programm geht jedoch darüber hinaus: Es richtet sich an Familien, an Schulklassen und Studierende, um durch den Umgang mit Tieren, Pflanzen und Handwerk eine nachhaltige Lebensweise zu vermitteln. Neben dem Reiten und der Pferdepflege gibt es Workshops zu Landwirtschaft, zum Umgang mit Nutztieren wie Schweinen und Hühnern, zum Bauen mit Naturmaterialien, aber auch Seminare zum Teambuilding.

Schlichtes Bauwerk mit sieben Schlafsälen

Um der steigenden Nachfrage größerer Gruppen mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerecht zu werden, wurden die bestehenden Unterkünfte in Bungalows durch ein Gebäude mit Schlafsälen für Reisegruppen erweitert. Im Stile „klassischer” Jugendherbergen oder Backpacker-Unterkünfte wurden sieben Schlafräume geschaffen. So entstand für 56 Gäste eine einfache und günstige Übernachtungsmöglichkeit, ganz im Sinne des Konzepts einer ressourcenschonenden Lebensweise.

Das von T3 architects aus Ho-Chi-Minh-Stadt geschaffene, schlichte Bauwerk aus lokalen Materialien fügt sich gut in die Landschaft und beeindruckt mit seinen handwerklichen Details. Der aufgeständerte, längliche und eingeschossige Baukörper ist zugänglich über drei kurze Außentreppen. Je vier Stufen führen auf eine Veranda, die als Laubengang sieben gleiche Schlafräume erschließt. In jedem Raum stehen vier Etagenbetten, es gibt eine Waschmöglichkeit sowie eine Trockentoilette, die stirnseitig an der Außenwand zum Freien angeordnet ist. Entsorgt werden die wassersparenden Toiletten über Klappen in der rückwärtigen Außenwand.

Aufgeständerte Stahlkonstruktion und Ziegelwände

Für das Gebäude wurden teilweise Baumaterialien aus dem Abriss eines Pferdestalls wiederverwendet. Durch die Aufständerung ist es in der Regenzeit vor Überflutung geschützt, zudem werden Insekten am Boden und andere Tiere ferngehalten. Errichtet ist es als einfache Stahlkonstruktion, die in der Nähe des Standorts angefertigt wurde. Die Wände bestehen aus lokal hergestellten Ziegeln, bedeckt mit natürlichem Kalkputz und rotem Sand. Alle Türen und Fenster sind aus massivem Holz, ebenfalls aus lokaler Produktion (Thermoholz für das Deck der Veranda), kombiniert mit Bambuswebereien. Die Materialien sind kostengünstig, wasserdicht und ermöglichen die natürliche Belüftung des Gebäudes.

Bauphysikalische Aspekte: Das Klima ist maßgeblich
Dem naturnahen Konzept des Reiterhofs folgend, analysierten die Architekten zunächst die klimatischen Standortbedingungen. Hohe Temperaturen, Sonneneinstrahlung und starke Niederschläge insbesondere während der Regenzeit sind die maßgeblichen Faktoren – sommerlicher Wärmeschutz, Belüftung und Schutz vor Feuchte von außen die bauphysikalischen Parameter, auf die es galt, mit einem Low-Tech-Konzept zu reagieren.

T3 architects entschieden sich für ein „bioklimatisches Design” und untersuchten zunächst die ideale Orientierung zur Sonne und Windrichtung sowohl während der Trockenzeit (um den maximalen Nutzen aus dem natürlichen Luftstrom zu ziehen) als auch während der Regenzeit (um die Fassade vor dem Eindringen von Wasser zu schützen). Dementsprechend positionierten sie das Gebäude auf dem Grundstück.

Weit auskragendes Dach, natürliche Durchlüftung

Das weit auskragende Pultdach bietet Schutz vor starkem Regen, direkter Sonneneinstrahlung und Überhitzung. Zusätzlich fungiert das Vordach als Witterungsschutz. Für die Dachdämmung werden Getreideschalen (Reis) mit Kieselgranulat gemischt, um Insektenbefall vorzubeugen. Die Getreideschalen sind silikathaltig, widerstehen der hohen Luftfeuchtigkeit im tropischen Klima, sind kostengünstig und biologisch abbaubar.

Die Klimatisierung des Gebäudes erfolgt durch natürliche Durchlüftung: Quer zur Hauptwindrichtung ausgerichtet, sind die Längsfassaden mit Rattangeflecht ausgefacht, so dass angestaute Wärme im Inneren zügig abgeleitet werden kann. Klapp- und Schiebeläden ermöglichen eine Regulierung der Querlüftung und des Sonnenschutzes.

Bautafel

Architektur: T3 Architects, Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam
Beteiligte: Charles Gallavardin, Tereza Gallavardin, Rafael Lira (Chefplaner), Ta Quang Hai, Huy Nguyen (Designteam); Harmonie Constructions, Ho-Chi-Minh-Stadt (Generaplaner und -unternehmer)
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2020
Standort: Biên Hòa, Đồng Nai / Vietnam
Bildnachweis: Hervé Gouband, Ho-Chi-Minh-Stadt

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