Umbau und Erweiterung eines Hotels in Donaueschingen

Fünf Sterne hinter VHF

In der südbadischen Kleinstadt Donaueschingen ist die Donauquelle. Oder doch nicht? Die Frage nach dem wahren Donau-Ursprung hat schon Wissenschaft und Politik beschäftigt, von den Stuttgarter Landesministerien bis hin zum Meeresforscher Jacques Cousteau. Doch in Donaueschingen wird nicht nur um Europas zweitlängsten Fluss gerungen, sondern auch Golf gespielt. 1976 ließ Aldi-Süd-Gründer Karl Albrecht gut vier Kilometer östlich der Stadt das Golfhotel Öschberghof errichten, ursprünglich eine Vier-Sterne-Anlage mit gut siebzig Zimmern. Nach mehr als vierzig Jahren hat das Münchner Büro Allmann Sattler Wappner die Anlage im laufenden Betrieb saniert, umfassend erweitert und zu einem Fünf-Sterne-Superior Golf-und Wellness-Resort aufgewertet.

Dem Entwurf liegt die Anmutung eines Gehöfts mit gruppierten Satteldachhäusern zugrunde.
Fassaden und Dach der Neubauten sind mit gefalteten Stahlblechen verkleidet.
Die Bleche wurden mit drei unterschiedlichen Faltungsbreiten geformt.

Baumassenstaffelung und 5.000 Quadratmeter Spa
Der in die Jahre gekommene, mehrfach erweiterte Komplex musste neu organisiert werden, um Orientierung zu schaffen, Erschließungswege zu optimieren und einen wirtschaftlichen Betrieb zu gewährleisten. In mehreren Bauphasen wurde der Bestand entkernt, zum Teil abgebrochen und um mehrere gegeneinander abgestaffelte Baukörper mit 30-Grad-Giebeln ergänzt. Die mit drei neuen Bettenhäusern erheblich vergrößerte Hotelanlage ist nach einem klar ablesbaren Prinzip entlang zweier rechtwinklig zueinander stehender Achsen organisiert. Dem Entwurf zugrundegelegt ist das archetypische Bild eines Gehöfts aus frei stehenden und gruppierten Satteldachhäusern. Dem Bestandscluster wurde die Anmutung einer L-förmige Hofanlage verliehen, deren Einbindung in die Landschaft über die Baumassenstaffelung erfolgt ist.

Das Hotel umfasst jetzt 110 Zimmer und 16 Suiten. Außer einem neuen Foyer ist auch ein Tagungszentrum mit separatem Eingang und mit fünf Veranstaltungsräumen zwischen 60 und 90 Quadratmetern im Erd- und Obergeschoss hinzugekommen, weiterhin ein Board Room sowie ein 400 Quadratmeter großer Festsaal mit bis zu 300 Plätzen. Die Gastronomie umfasst vier verschiedene Restaurants. Der Spa-Bereich wurde auf 5.000 Quadratmeter mit Saunen, Dampfbädern, Eis-Lounge sowie Innen- und Außenpool erweitert. Großflächige Funktionsbereiche sind teils im Untergeschoss platziert, das durch eine sanfte Geländemodellierung gut belichtet werden kann. Die Parkgarage hat rund 140 Stellplätze. Auch das Golfareal wurde im Zuge der Maßnahmen überholt und zur 45-Loch-Anlage mit drei unterschiedlichen Plätzen erweitert.

Fassade: Gefaltete Stahlbleche und Holzschalung
Die Neubauten sind mit einer unregelmäßigen Vertikalstruktur aus dunkelbraunen, gefalteten Stahlblechen verkleidet, die abstrakt an Schalung oder Lattung von Speichern und Geräteschuppen erinnern. Die Bestandsbauten wurden dagegen mit einer traditionellen, silbrig-grauen Boden-Deckel-Holzschalung versehen. Damit ist die Unterscheidung von Alt und Neu ablesbar geblieben, ohne den harmonischen Gesamteindruck des Ensembles zu beeinträchtigen.

Ursprünglich war für die Erweiterungsbauten eine Außenhülle aus Kupferblech vorgesehen. Diese Lösung schied jedoch schnell wegen der zu erwartenden Ionenauswaschung aus. Damit wäre die Nutzung des Regenwassers, das zur Bewässerung des Golfplatzes in den hoteleigenen See eingespeist wird, undenkbar gewesen. Zum Einsatz an der Fassade kam daher stattdessen organisch bandbeschichtetes Stahlblech (Coil-Coating-Verfahren), bei dem die in Rollenform (Coil) vorliegenden Bleche in einem Walz- und Einbrennverfahren mit Primer und Decklack versehen werden. Das gewählte Material hat zudem durch seine Kristallstruktur in der Beschichtung eine recht lebendige Oberfläche.

Die Bleche wurden rechtwinklig abgekantet zu 45 mm tiefen Profilen mit drei unterschiedlichen Faltungsbreiten. Sie wurden verschnittfrei aus einem 800 mm breiten Coil hergestellt und an einem Fassadenmodell vorab auf Golfballbeschuss getestet, mit dem auch Hagelschlag simuliert wurde. Die vorproduzierten Einzelteile wurden ohne sichtbare Verschraubung mit eigens entwickelten Haften montiert. Ausgeführt als vorgehängte hinterlüftete Konstruktion vor 180 mm Mineralwolle setzt sich das System ohne Überstand von der Fassade in den Dachbereich fort. Die Regenrinnen wurden im Hinterlüftungsraum kaschiert. Auch Ortgang, Dachgrat und Kehle wurden entsprechend detailliert, um den Archetypus des ländlichen Satteldachhauses gestalterisch deutlich herauszuarbeiten.

In verschiedenen Bereichen wurde der gefaltete Stahl in Form von Lochblechen auch über Fensteröffnungen gezogen. Damit wurden homogene Wandflächen mit teils transluzenter Wirkung geschaffen – mit Assoziationen wiederum an den Lichteinfall zwischen den Latten einer Scheune. An anderen Stellen weisen die Fassaden großzügige Loggien mit verglasten Brüstungen, Edelstahlhandläufen und Panoramablick auf.

Die Erweiterung des Öschberghofs wurde vom Fachverband Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.V. (FVHF) mit dem Deutschen Fassadenpreis 2020 ausgezeichnet.

Bautafel

Architektur: Allmann Sattler Wappner Architekten, München
Projektteam: Telemach Rieff, Christian von Arenstorff (Projektleitung Allmann Sattler Wappner), Leticia Gil Munõz, Simon Köppl, Bertram Landwerlin, Andreas Köbinger, Florian Burkhard, Felix Eisenbrand, Adrian Stadler, Lukas Mühle, Judith Klug, Eugenia Gross, Marta Prokop, Juhyung Han, Olga Fraile Vasallo, David Selje, Philipp Pott, Thomas Oberniedermayr, Maciej Kuczynski
Projektbeteiligte: R+R Fuchs, München (Fassadenplanung); Schweickhardt & Erchinger Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Tuttlingen (Tragwerksplanung); HEBO Ingenieurbüro Heinrich, Bochum (Bauphysik); hhpberlin, Berlin (Brandschutz); IB Liepelt, Baiersbronn (Techn. Gebäudeausrüstung); Faktorgruen Landschaftsarchitekten, Rottweil (Landschaftsarchitektur); Thyssenkrupp Steel, Duisburg (Fassadenmaterial. Produkt: Pladur Relief Icecrystal)
Bauherr:schaft Öschberghof, Donaueschingen
Fertigstellung: 2019
Standort: Golfplatz 1, 78166 Donaueschingen
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart / Allmann Sattler Wappner Architekten, München

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Hinterlüftete Aluminiumverkleidung des Bauhaus Baumarkts am Kurfürstendamm in Berlin, Architektur: Müller Reimann Architekten, Berlin

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Fassadenelemente

Funktionsaufbau hinterlüfteter Fassaden

Goldfarben eloxiertes Aluminium am Berliner Axel-Springer-Hochhaus (1965), Architekten Melchiorre Bega, Gino Franzi, Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller

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Materialien

Metalle

Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Materialien

Stahl, Edelstahl, Cortenstahl

VHF am Baustofflabor der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur

VHF am Baustofflabor der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur

Fassadenarten

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF)

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