Umbau einer Scheune in Sermuth

Schiefer als verbindendes Deckmaterial an Dach und Fassade

Eine von vielen weiträumig verstreuten Ortschaften in der landwirtschaftlich geprägten Gegend zwischen Leipzig und Dresden ist Sermuth, ein Ortsteil der Gemeinde Großbothen. Die dörfliche Struktur orientiert sich am Verlauf der Mulde, einem Nebenfluss der Elbe, der hier aus dem Zusammenfluss von Zwickauer und Freiberger Mulde entsteht. Wenige Straßen gliedern den Ort mit unterschiedlich großen Gehöften und frei stehenden historischen Einzelbauten. Eine alte Scheune als Bestandteil des größten lokalen Vierseithofs wurde nach Plänen der Leipziger Architekten Atelier ST zu Wohn- und Gewerbezwecken umgebaut.

Hofseite nach Osten: Die beiden ehemaligen Fassadenöffnungen der Tenne dienen heute als Hauseingang bzw. zur Anlieferung für das Lager
Westfassade: In südliche Richtung umschließen die alten Außenmauern einen intimen Innenhof im Anschluss an den Wohnraum
Zum Eingang der Wohneinheit führen zwei vorgelagerte Stufen

Die ehemalige Scheune bildet den westlichen Abschluss des Vierseithofes. Ihre innere Zweiteilung in ein Wohnhaus sowie eine gewerbliche Nutzung mit Lager und Büroräumen ist dem Gebäude äußerlich nicht anzusehen, wird aber im Detail deutlich. Heute dient die südliche Hälfte als privater Wohnraum auf zwei Etagen, die nördliche im Erdgeschoss als Lager und im Obergeschoss als Büro. Dafür wurden zunächst diverse Anbauten (Garagen, Schuppen, Mistplatz) der alten Scheune abgerissen und sämtliche Innenwände entfernt. Für die Neuplanung innerhalb der historischen Gemäuer blieb jedoch die elementare Struktur einer sächsischen Scheune mit durchgesteckter Tenne (befestigtem Stallboden), Öffnung zum Dachraum, Ställen entlang der Tenne und wenigen, aber großen Fassadenöffnungen maßgeblich. Konstruktionen sollten nach Möglichkeit sichtbar belassen, die verwendeten Materialien einfach sein.

Der südliche Teil der Scheune, der für eine junge Familie um- und ausgebaut wurde, übertraf das gewünschte Raumprogramm. Die alten Außenmauern blieben dennoch erhalten und umschließen nun einen intimen Innenhof im Anschluss an den Wohnraum. Beide Nutzungen werden über den Vierseithof erschlossen, an den östlich die Dorfstraße grenzt. Die ehemaligen Fassadenöffnungen der Tenne dienen heute als Hauseingang bzw. zur Anlieferung an das gewerbliche Lager. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich: Der Hauseingang ist gegenüber dem Niveau des Innenhofes etwas erhöht und mit verglasten Elementen ausgebildet, das Schiebetor zur Anlieferung hingegen erinnert an ein altes Scheunentor. Daneben gibt es, an der Hoffassade jeweils seitlich nach außen gerückt, zwei schmale Zugänge: den Eingang zum Büro und einen zum privaten Hof des Wohnhauses. Ein Fußweg entlang der Nordfassade verbindet Dorfstraße und Gehöft mit der westlichen Straße Am Feldrain.

Die Gewerbeeinheit verfügt über ein zum Hof ebenerdiges Lager, das entsprechend der Nutzung durch Fahrzeuge stützenfrei ausgebildet ist. Nördlich davon sind Nebenfunktionen wie Sozialraum, WC, ein separates Farblager und die Erschließung ins Obergeschoss angeordnet. Der einsehbare Dachraum im Obergeschoss ist geprägt vom Konstruktionsraster bestehender Sparren und Stützen. Mit zum Teil aus Glas bestehenden leichten Trennwänden sind die Büroeinheiten, Teeküche und WC in die Struktur eingefügt.

In der Wohneinheit liegt das Fußbodenniveau etwas höher, da es sich am westlich anschließenden Gartenniveau orientiert. Zwei vorgelagerte Stufen führen zum Eingang. Dieser mündet – in Anlehnung an die frühere Tenne – in einem breiten Durchgang als Herzstück des Wohnens, an dessen Ende ein großes Panoramafenster den Bezug zum Garten herstellt. Hier befinden sich Diele, Essplatz und die Erschließung: eine leichte und offene, einläufige Harfentreppe aus Holz, die Durchblicke ins Obergeschoss ermöglicht. Feine Holzprofile zu beiden Seiten trennen zugleich Foyer und Wohnbereich im Erdgeschoss. Waren früher rechts und links der Tenne Kammern und Ställe aufgereiht, befinden sich dort heute die privateren Räume. Das Obergeschoss verfügt ebenfalls über einen offenen Dachraum; es beinhaltet Schlaf- und Kinderzimmer, Bäder sowie eine gemeinsame Galerie.

Die bestehende Konstruktion der Außenwände blieb grundsätzlich erhalten, wurde jedoch durch Holzrahmenbauwände auf eine einheitliche Traufkante ergänzt. Auch der fehlende nördliche Giebel ist inzwischen ergänzt und die südliche, eingestellte Fassade (zum privaten Innenhof) neu errichtet. Das ursprüngliche Satteldach ist entsprechend der neuen Nutzung mit einer geringeren Neigung und tieferem First ausgebildet. Neben der einheitlichen Fassade vermittelt es zwischen Wohn- und Gewerbeeinheit, seine Schieferdeckung bildet ein ganz entscheidendes Merkmal des Hofgebäudes. Der Außenputz der alten Wände wurde abgeschlagen, die Mauerwerksoberflächen sandgestrahlt, gewaschen und mit Putzschlämme beschichtet. Unterschiedliche Bauteile aus Ziegel, Bruchstein, Feldstein und Beton bleiben unscharf erkennbar, und doch erscheint das Bauwerk insgesamt einheitlich. Um die Massivität der Außenwände zu betonen, und in Erinnerung an die Lüftungsschlitze der Scheune, sitzen die Fenster als schmale Öffnungen tief in der Laibung.

Die tragende Konstruktion besteht aus einem System aus Stützen und Trägern bzw. Unterzügen in Kombination mit aussteifenden, massiven Querwandscheiben als Brand- und Giebelwände. In der Gewerbeeinheit handelt es sich um Stahlbeton (aufgrund des Brandschutzes und der Lagerung von Farben und Lacken), in der Wohneinheit überwiegend um Holz. Hier wurden die alten Balken der Scheune wiederverwendet, Zwischenräume mit Holzfaserdämmung ausgefacht und mit Lehmputz versehen. Die Gesamtenergiebilanz des Gebäudes liegt deutlich unter den Anforderungen der EnEV 2009, beheizt wird es mit einer Pelletsheizung.

Schiefer
Sowohl die neue Fassade zum privaten Wohnhof im Süden, die ergänzten Fassaden nach Westen und Norden, als auch die Dachhaut sind mit traditionellen Schieferplatten bekleidet, die typisch für die Region sind. Auf dem um etwa 30° geneigten Dach wurden Steine im Format 30/30 cm verwendet. Es handelt sich um eine Bogenschnittdeckung (auch Deutsche Deckung genannt) mit linker Deckrichtung an der westlichen, und rechter Deckung an der östlichen Dachfläche, jeweils mit Gebindesteigung.

Die Schiefer als Wandbekleidung haben ein Format von 20/20 cm. Auch sie sind im Bogenschnitt gedeckt, je nach Ausrichtung mit linker oder rechter Deckrichtung ohne Gebindesteigung. Auf dem Dach und an den Außenwänden kommt spanischer Schiefer zum Einsatz, der auf eine hinterlüftete Vollholzschalung genagelt wurde (siehe Abb. 9-12). us

Bautafel

Architekten: Atelier ST, Leipzig
Bauherr: Teilobjekt Wohnen: privat; Teilobjekt Gewerbe: Firma Mükotec
Fertigstellung: 2013
Standort: Sermuther Dorfstraße 2, 04680 Colditz OT Sermuth
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin

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Beispiel einer Universal-Deckung an der Fassade mit Deckrichtung nach links (Linksdeckung)

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Deckungsarten

Universal-Deckung an der Fassade

Beispiel Universaldeckung auf dem Dach eines Wohnhauses

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Deckungsarten

Universal-Deckung auf dem Dach

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