Umbau einer Doppelhaushälfte in Gent

Kunstgriff mit Giebel

Prächtige Zunfthäuser, mittelalterliche Staffelgiebel und reich dekorierte Barockkirchen: Die Altstadt von Gent, der mit 260.000 Einwohnern zweitgrößten belgischen Stadt, zeugt noch heute vom Aufstieg der ostflandrischen Stadt zur Zeit des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Nördlich des Zentrums schließen der Seehafen mit eher sprödem industriellem Charme, links und rechts davon ausgedehnte, anonyme Vorstadtsiedlungen an. Was hier im Rahmen des baurechtlichen Regelwerks möglich ist, hat das Büro Tim Peeters Architecten beim Umbau und der Erweiterung einer Doppelhaushälfte ausgelotet: Der zweigeschossige, jetzt größtenteils hellblau verputzte Bau der 1940er-Jahre hatte früher ein Walmdach und eine rote Backsteinfassade. Von Letzterer ist lediglich ein vorspringender Eingangsrisalit mit spitzem Satteldachgiebel übrig.

Der Aufstockung an der Ostseite folgt eine neue, schräge Traufkante.
Etwas steiler noch: die neue Traufkante der Westfassade.
Innen wurden Teile der Haushälfte entkernt.

Asymmetrisch gefaltetes Dach

Während im Westen die zweite, noch backsteinrote Doppelhaushälfte anschließt, wurde an der Ostseite aufgestockt, woraus die eigenwillige Gebäudeform resultiert. Die Traufkanten an der Nord- und Südseite wurden nach Osten hin schräg hochgezogen. Dagegen fällt die alte Firstkante jetzt von West nach Ost ab. Stattdessen sind zwei neue Firstkanten hinzugekommen, die V-förmig von der Nachbarhaushälfte auseinanderlaufen. Dadurch ist ein Faltdach mit dem Ortgangprofil in Form eines großen M entstanden.

Historisch durchsetzte Fassade

Zwei Steinlängen hinter dem historischen Eingangsrisalit erhebt sich die nun höhere, weiße Fassade mit der Doppelspitze des Faltdachs. Damit erhält die Ostfront eine auf den ersten Blick irritierende Mehrdeutigkeit. Scheint es doch, als hätte man es nicht nur mit einem einzigen Baukörper, sondern mit einer gestaffelten Gruppe aus drei schlanken Satteldachhäusern zu tun. Diese spielerische Vermengung von Hausgeschichte und archetypischen Bauformen wirkt aber alles andere als aufdringlich, denn frontal ist sie nur vom nahestehenden Nachbarhaus erlebbar, straßenseitig dagegen lediglich im schmalen Winkel einer verkürzen Schrägansicht.

Neues Raumgefühl mit Spuren der Vergangenheit

Einher ging der große Wandel mit einerm neu gewonnenen Raumgefühl im Inneren: Hier wurde großzügig entkernt. Mit einem Deckendurchbruch erzeugten die Architekten einen Luftraum über dem Essbereich. An der straßenseitigen Südfassade lässt sich dieser anhand eines großen, über zwei Geschosse verlaufenden Fensters ablesen. Die ursprünglich kleinteilige Raumstruktur ist an der westseitigen Wand über ein Raster aus Putz, Farb- und Mauerwerksresten nachvollziehbar geblieben. Die an der Südostecke gelegene Küche hat eine geschosshohe Falttür, die sich komplett zur Vorgartenterrasse hin öffnen lässt. Die Individualräume sind nach Osten ausgerichtet und über eine Galerie an den Luftraum angebunden.

Bautafel

Architektur: Tim Peeters Architecten, Gent
Projektbeteiligte: BAST Architects & Engineers, Gent (Tragwerksplanung)
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2017
Standort: Frans Uyttenhovestraat, 9040 Gent, Belgien
Bildnachweis: Stijn Bollaert, Gent / Tim Peeters Architecten, Gent

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