Temporärer Umbau: Kulturzentrum in München

Gründung und Fassade in einem

Schwere reiter – tanz theater musik: Wer bei diesem Namen an Konversion von Kaserne zu Kultur denkt, liegt prinzipiell richtig. Schon seit 2008 befindet sich die Spielstätte der freien Münchner Theaterszene am Nordrand des 20 Hektar großen Konversionsareals der ehemaligen Luitpold-Kaserne zwischen Maxvorstadt, Schwabing West und Olympiapark rund 2,5 Kilometer nordwestlich der Innenstadt. Das junge, ortsansässige Büro Mahlknecht Herrle Architektur hat hier für das von drei Vereinen betriebene Haus schwere reiter einen Interims-Neubau auf dem seit Jahren in Entwicklung befindlichen Kreativquartier Neuhausen errichtet. 

Gründung und Außenhülle bestehen aus Spundwänden.
Über den Eingängen wurden die Spundwände höher montiert.
Der Haupteingang ist zusätzlich durch gelbe Leuchtbuchstaben markiert.

Aus Kostengründen wurde statt der geplanten Sanierung der Bestandsbauten an der Schwere-Reiter-Straße ein Provisorium in der zweiten Reihe realisiert. Der eingeschossige, längsgerichtete Bau auf rund 20 mal 50 Metern Grundfläche sollte in kurzer Zeit, in simpler Bauweise und mit nach Rückbau wiederverwertbaren Materialien erstellt werden. Entsprechend klar ist er strukturiert: Hinter dem Haupteingang an der nordwestlichen Schmalseite befindet sich das Foyer mit Bar. Ihm folgt der große Bühnensaal mit 200 Quadratmetern Spielfläche und einer Tribüne mit 120 Sitzplätzen. Im südöstlichen Gebäudedrittel befinden sich das kleinere Studio als Raum für Proben, Workshops und Lesungen zzgl. Garderoben und Büros. Die Nebenräume wurden entlang der Nordostfassade organisiert. 

Weiße Wände, schwarze Decken mit sichtbar belassenen Stahlfachwerkträgern sowie Dielenparkett im großen Saal bzw. Beton-Gehwegplatten in den Verkehrszonen prägen das Erscheinungsbild im Inneren. Außer dem Haupteingang gibt es noch eine verglaste Fläche mit Seiteneingang im Foyer und vier weitere Nebeneingänge. Der Bau mit seinem experimentellen Charakter birgt zum Teil überraschende Detaillösungen. Beispielsweise verhindert der innovative Einsatz von Wärmeleitblechen, wie sie in Trockenbau-Fußbodenheizungen verwendet werden – ohne elektrische Energie – Tauwasserbildung am Verbindungspunkt von Stahlfachwerkträgern und Außenwand.

Fassade: Holzständerelemente hinter Spundwänden

Der rohe, provisorische Charakter kommt am deutlichsten an der Fassade zum Ausdruck. Gründung und Außenhülle bestehen aus rostbraunen, trapezförmigen Stahl-Spundwänden, die üblicherweise im Hafenbau, Hochwasserschutz und zur Baugrubensicherung eingesetzt werden. Eine Assoziation zum Vorhangmotiv – im Theaterbau gern verwendet – liegt nahe, auch wenn es sich hier um stehende statt abgehängten Module handelt. Hinter den Spundwänden wurden vorgefertigte Holzständerelemente montiert, die im Bereich des Aufführungsraums auch höhere Schallschutzanforderungen erfüllen.

Vor den Eingängen sind die Spundwände in erhöhter Position montiert, so dass der Eindruck entsteht, die sonst absolut dichte Barriere sei an diesen Stellen hochgeschoben worden. Der Haupteingang ist durch den vertikalen Schriftzug „schwere reiter“ in gelben Leuchtbuchstaben markiert. Die stehenden Bürofenster haben die Breite eines Trapezelements, das hier jeweils oberhalb des Fensters beginnt, aber oben nicht über die umlaufende Attikakante herausragt. An verschieden Stellen wurden filigrane Stahlseile vor die rostige Hülle gehängt, an denen schon bald nach Fertigstellung erste zarte Pflanzen emporzuranken begannen.

Das Einrammen der Spundwände bis zu 3,50 Meter in die Erde führte gegenüber einer konventionellen Bauweise mit Fundament und auflastender Fassade zu einer Bauzeitverkürzung um mehrere Wochen. Im Fall eines Rückbaus können die Spundwände, die ohne Beschichtung eine Lebensdauer von mindestens 100 Jahren haben, herausgezogen und andernorts wiederverwendet werden.

Bautafel

Architektur: Mahlknecht Herrle Architektur, München
Projektbeteiligte: Lukas Mahlknecht, Alexander Herrle, Anne Sophie Birnkammer, Andreas Baumann (Projektteam Architektur); Eglinger und Clausnitzer Beratende Ingenieure, München (Statik); grünhochvier, München (Landschaftsarchitektur); G3 Ingenieure, München / B&W ELT-Planungsbüro, Gräfelfing (Gebäudetechnik); OK Ingenieure, Lenggries (Brandschutz); Möhler + Partner Ingenieure, München (Bauphysik)
Bauherr/in: MGH - Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrums GmbH
Fertigstellung: 2021
Standort: Dachauer Str. 114a, 80636 München
Bildnachweis: Oliver Jaist, Neustift / Mahlknecht Herrle Architektur, München

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Materialien

Metalle

Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Eine der frühesten Vorhangfassaden aus Stahl und Glas ist die Fassade der Fagus-Werke in Alfeld von Walter Gropius. Die Aufnahme von 1913 zeigt das Gebäude kurz nach Fertigstellung der zweiten Bauphase noch vor Beginn des Ersten Weltkriegs.

Materialien

Stahl, Edelstahl, Cortenstahl

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