Temporärer Pavillon in Wicked Fen

Begehbares Kunstobjekt in ostenglischer Wildnis

Eine Installation, die sich im Grenzbereich von Kunst und Architektur verorten lässt, schuf das Architektur- und Designbüro Studio Morison aus Stroh und Holz für die raue Landschaft des Naturparks Wicked Fen im englischen Cambridgeshire. Mithilfe der lokalen Tradition des Bauens mit Stroh schufen sie einen Ort für Naturerlebnisse und zur Kontemplation. Entstanden ist der temporäre Pavillon Mother als Teil des Kunstprojektes New Geographies. Das Projekt besteht aus zehn temporären Installationen an entlegenen Orten im Osten Englands.

Zu besuchen ist er bis Oktober 2020 im Naturpark „Wicked Fen“ in der Grafschaft Cambridgeshire in England.
Der Pavillon erinnert an traditionelle Heumieten, wodurch Ansichten sehr malerisch wirken.
Die Künstler griffen die Tradition des Bauens mit Stroh auf.

Als „Fenland“ wird die raue Sumpflandschaft bezeichnet, die früher die ganze Region prägte, jedoch fast vollständig in Ackerland verwandelt wurde. Im Naturreservat, das eines der ältesten Englands ist, hat man sich zum Ziel gesetzt, die über Jahrhunderte entwickelte Kulturlandschaft zu erhalten. Um die spezifische Artenvielfalt und ihr Habitat zu bewahren, werden die Halme der Binsenschneide einmal im Jahr geschnitten. Das getrocknete Stroh wird dann, wie Reet, zum Decken von Dächern verwendet. 

Im Einklang mit Natur und Bautradition
Inspiriert wurden die beiden Künstler Heather Peak und Ivan Morison vor allem durch das Buch Nature Cure (Die Heilkraft der Natur). Darin berichtet der britische Autor Richard Mabey, wie er über das intensive Erleben unberührter Naturlandschaften Englands seine Depression überwinden konnte. Für das Projekt wählte man folgerichtig ausschließlich Naturmaterialien: Stroh, das im Wicked Fen geschnitten wurde, sowie Holz, das aus dem Wald der Künstler stammt. Verarbeitet wurde das Stroh von einem „thatcher“, einem Strohdachdeckermeister, der ausgerechnet an diesem Ort sein allererstes Werk zu Beginn seiner Ausbildung vollendet hatte. 

Nicht nur beim Material Stroh, sondern auch in der Form des Pavillons orientierte man sich am Vorbild der traditionellen Heumieten, die in früheren Zeiten die Sumpflandschaft prägten. Der etwas über neun Meter hohe zylindrische Rundbau mit seinen dicken Wänden und dem konischen Dach, das im Zentrum über eine runde Öffnung verfügt, kann über drei 50 Zentimeter schmale hohe Eingänge betreten werden. Die Querbalken der hölzernen Tragstruktur eignen sich als Sitzgelegenheiten, als Lehne dient das weiche Stroh. Der Duft der Baumaterialien, die Symmetrie, die Stille und der Ausblick in den Himmel und die wilde Natur sollen zur Kontemplation anregen. 
 
Tragstruktur/Dach: Holzrahmenkonstruktion und damit verflochtene Strohdeckung
Eine innere Holzrahmenkonstruktion stützt die Wände aus gestapelten Strohballen sowie das strohgedeckte Dach. Drei Metallringe in verschiedenen Höhen sorgen für die Queraussteifung der Konstruktion. Für die Wände verwendete man 20 Zentimeter dicke Balken, die Strohballen haben die Abmessungen 35 x 50 x 130 Zentimeter. Die Balken im Bereich des Daches sind ebenfalls 20 Zentimeter dick, während das doppellagig angebrachte Deckstroh 15 Zentimeter stark ist. 

Am Fußpunkt beläuft sich der Durchmesser des Rundbaus auf 5,80 Meter, dieser verbreitert sich bis auf von 7,62 Meter, bevor er sich beim Dach wieder konisch verjüngt. Hölzerne Blöcke sorgen für die Standfestigkeit des Gebäudes, sie sind 21,4 Zentimeter tief mit stählernen Spiralankern im Untergrund verankert, die nach Ablauf des Projekts wieder entfernt werden können. Die statische Grundstruktur wird durch hölzerne Kragarme und einer Zangenebene gebildet, die Queraussteifung durch Zugbänder und Metallringe. Die Außenhaut aus Stroh ist vorgesetzt und mit der Tragstruktur verflochten. Die Dachneigung wird durch das Deckmaterial Stroh bestimmt. 

Das Konzept des Projektes sah ursprünglich auch einige interessante Veranstaltungen vor. Doch diese müssen bis zum Ende der Corona-Pandemie ausgesetzt werden. Wer dem Pavillon allerdings alleine oder zu zweit einen Besuch abstatten will, kann das noch bis zum 20. Oktober 2020 tun.

Bautafel

Architektur: Studio Morison
Projektbeteiligte: Artura, Bristol (Tragwerksplanung)
Bauherrschaft: Wysing Arts Centre, Bourn
Fertigstellung: 2020
Standort: Wicken Fen Visitor Centre, Lode Lane, Wicken Ely CB7 5XP, Vereinigtes Königreich
Bildnachweis: Charles Emerson, Courtesy of Wysing Arts Centre and National Trust for New Geographies



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