Talstation der Nebelhornbahn in Oberstdorf

Holzbögen unter Glas formen ein Tor in die Berge

Die Luftseilbahn zum Nebelhorn gilt als eine der längsten Personenschwebebahnen der Welt. Auf ihrem gut 5,7 Kilometer langen Weg zu einem Gipfel der Allgäuer Alpen überwindet sie rund 1.400 Höhenmeter. Um 1930 als Pendelbahn errichtet und knapp 50 Jahre später durch eine Bahn auf anderer Trasse ersetzt, entsprach die Nebelhornbahn zuletzt weder technisch noch architektonisch heutigen Anforderungen. Auch war die Beförderungskapazität zu gering. So hatte die alte Talstation mit ihren düsteren, rauen Sichtbetonhallen nach knapp 90 Jahren ausgedient. Im Rahmen eines geladenen Wettbewerbs entwickelten Hermann Kaufmann und Partner Architekten aus Schwarzach ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Konzept für einen Neubau.

Seitenansicht der Talstation mit transparentem Industrieglas bei Dunkelheit
Die Talstation aus 39 Holzträgern in Parabelform
Das Gebäudeensemble mit Service-Center, Talstation und Verwaltung

Der als „Tor in die Berge“ bezeichnete Entwurf ist durch die Lage im Ortskern bestimmt. Um eine behutsame Weiterentwicklung der vorhandenen kleinteiligen Bebauungsstruktur zu ermöglichen, verteilen sich die Funktionen auf drei Baukörper: das Stationsgebäude, einen Servicecenter und die Verwaltung. Diese ordnen die Außenräume neu und fügen sich zu einem einprägsamen, zeichenhaften Ort.

Zwischen Ortsgebiet und Landschaftsraum

Als Anlaufpunkt für Urlaubsgäste soll die Bahnstation ein selbstverständlicher Bestandteil von Oberstdorf sein. Sie bildet eine Schnittstelle zwischen Ortsgebiet und alpinem Landschaftsraum. Durch eine regelmäßige Reihung von 39 Holzparabeln, die von gebogenen Verbundsicherheitsgläsern umhüllt sind, entsteht ein transparentes, schimmerndes Volumen, das Leichtigkeit und Offenheit ausstrahlt. Je nach Fahrtrichtung wird die Struktur als Tor in die Berge oder ins Tal wahrgenommen, mit freiem Blick nach Oberstdorf, hangwärts und in den Himmel.

Das lang gestreckte Servicecenter, eine Holzkonstruktion, fasst den Straßenraum durch markante Setzung an der Wegkreuzung. Es trennt den motorisierten Verkehr und die Parkflächen von einem großzügigen Platz in Verlängerung der Fußgängerzone: Hier verschaffen sich die Passanten Orientierung. Der Kassenbereich, die Eingänge zum Shop, zu den Toilettenanlagen und dem Skidepot sind übersichtlich nahe der Talstation angelegt. Der Verwaltungsbau ist unmittelbar angebunden. Er ist in Mischbauweise errichtet, mit Decken und einem Erschließungskern aus Stahlbeton. Wie beim Servicegebäude besteht die Fassade aus unbehandeltem, sägerauen und Lärchenholz, gewonnen aus lokalen Wäldern.

Von Beginn an wurde auf eine umweltfreundliche Bauweise gesetzt. Die Bahn ist auf bestehenden Trassen und Stützen errichtet, während sich die Stationen architektonisch in das Landschaftsbild integrieren. Der Fokus lag auf heimischen Lieferanten, einer ökologischen Baubegleitung und regionalen Baustoffen.


Brandschutz: Rechtliche Grundlagen

Baurechtliche Grundlage für das Brandschutzkonzept ist die Bayerische Landesbauordnung (BayBO). Als technische Vorschrift gilt zusätzlich der Leitfaden für den Brandschutz bei Seilbahnen vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr sowie die DIN EN 17064: Sicherheitsanforderungen an Seilbahnen für die Personenbeförderung – Brandverhütung und -bekämpfung. Das „Gefahrengutachten – Brand für kuppelbare Zweiseilumlaufbahnen“ der Firma Leitner, welche die Seilbahntechnik plante, ergänzte das Brandschutzkonzept.

Differenzierte Nutzungseinheiten

Die insgesamt drei Stationen der Nebelhornbahn (Tal-, Zwischen- und Bergstation) sind jeweils mit den benachbarten Gebäuden und Nutzungseinheiten verbunden oder funktionieren in Abhängigkeit von diesen. Eine differenzierte Betrachtung war erforderlich: Zum Ensemble der Talstation gehören Stationsgebäude, Servicecenter und Verwaltung.

Das Servicegebäude umfasst verschiedene Nutzungseinheiten, darunter die Kassenhalle der Nebelhornbahn, einen großen Skiverleih im Erdgeschoss und ein Servicecenter im Untergeschoss. Letzteres ist über ein offenes Treppenhaus erreichbar und direkt an die Tiefgarage angeschlossen – ohne Zugangsschleuse.

Die Besonderheit des Verwaltungsgebäudes ist eine direkte Verbindung mit der Talstation der Nebelhornbahn, die logistische Nutzeinheit im Erdgeschoss und die Nachbarbebauung südlich des Gebäudekomplexes.

Auch die Seilbahntrasse muss im Kontext betrachtet werden: Sie verläuft in direkter Nähe oberhalb des Eissportzentrums, an Wohngebäuden und dem Skisprungstadion vorbei. Vor der Zwischenstation tangiert sie den Berggasthof Seealpe. Teil des Brandschutzkonzeptes war es dementsprechend, potenzielle Gefahren für die Umgebungsbebauung zu analysieren, zu beurteilen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Gefährdungs- bzw. Brandvermeidung zu planen.

Baulicher Brandschutz

Die seilbahnrelevanten Technikräume wie Niederspannungsräume, Generator- und Traforaum sind im Untergeschoss des südlich an die Talstation angrenzenden Verwaltungsgebäudes autark untergebracht. Die nördliche Außenwand des Verwaltungsgebäudes ist aus Gründen des Abstands als Brandwand ausgeführt. Sämtliche Wände zwischen Trafo-, NS-, Steuer-, Maschinen- und Lagerraum sind aus Stahlbeton in F90 A erstellt. Die Türen von brandschutztechnisch kritischen Räumen wurden mindestens in T30 RS und – wenn zwingend erforderlich – in T90 ausgeführt.

Der Dienstraum der Talstation befindet sich im Bahngebäude. Im Bereich der Schaltschränke ist er innenseitig mit nichtbrennbaren Platten ausgeführt. Die Wände und Decken erhielten eine nichtbrennbare Schaumglasdämmung, die mit Holz verkleidet ist. Die Tür des Dienstraums ist als RS-Tür (rauchdicht und selbstschließend) ausgeführt. Die Fußbodenkonstruktion ist aufgeständert, es handelt sich um einen System-Doppelboden mit Teppichbelag. Der Hohlraum des Doppelbodens wird mittels Rauchmelder überwacht.

Die Schaltschränke in der Dienstaufsichtshütte werden über den an der Decke befindlichen Rauchmelder mit überwacht. Abweichungen wurden mit der Freiwilligen Feuerwehr Oberstdorf abgestimmt, deren Standort von der Talstation knapp 550 Meter entfernt ist.

Die Ein- und Ausstiege sind durch eine selbsttragende Gebäudehülle weiträumig umschlossen. Die Fahrgäste halten sich primär im überdachten Stationsgebäude auf. Die großzügigen Zu- und Abgänge dienen auch als Fluchtweg. Die Stationsbrücke ist über eine fest installierte Bedienstiege für das Bahnpersonal frei zugänglich.

Brandmeldeanlage (BMA)

Teil des Brandschutzkonzepts ist eine automatische Brandmeldeanlage, welche eine ständige Überwachung und Brandfrüherkennung gewährleistet. Die Brandmeldeanlage wurde selektiv in allen Stationen, Nutzeinheiten und wichtigen Anlagenteilsystemen eingebaut und in Betrieb genommen. Zu den überwachten Bereichen gehören die antriebstechnischen Komponenten (Motoren), Schaltschränke (Steuer- und Antriebstechnik), Technikräume, ELT, Räume der Niederspannungsversorgung und diverse Werkstätten.

Für außergewöhnliche Brandereignisse besteht ferner die Möglichkeit, an der Tal-, Zwischen- und Bergstation einen Alarm per Handfeuermelder auszulösen. Diese befinden sich in den Flucht- und Rettungswegen sowie an den Ausgängen ins Freie.

Bautafel

Architektur: Hermann Kaufmann + Partner – HK Architekten, Schwarzach
Projektbeteiligte:
Stefan Hiebeler (Projektleitung); Wolfgang Hammerer (Bauleitung); Andreas Ströhle, Benjamin Baumgartl (Mitarbeiter); merz kley partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); IBH Ingenieurbüro Hirdina Wolfgang, Betzigau (Haustechnik); Elektro Uhlemayr, Seeg (Elektroplanung); idl Ingenieurbüro Dieter Linka, Oberstdorf (Brandschutz); Bernhard Weithas, Lauterach (Bauphysik); Tecum, Kempten (Akustik)
Bauherr:
Nebelhornbahn, Oberstdorf
Fertigstellung:
2021
Standort:
Nebelhornstraße 67C, 87561 Oberstdorf
Bildnachweis: Bruno Klomfar, Wien: www.klomfar.com

Fachwissen zum Thema

Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brands und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird.

Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brands und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird.

Baustoffe/​Bauteile

Anforderungen an Bauteile

Die Musterhochhausrichtlinie fordert gemäß Nr. 6.4 für Hochhäuser eine Brandmeldeanlage sowie Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen; für bestimmte Fälle gelten Ausnahmen.

Die Musterhochhausrichtlinie fordert gemäß Nr. 6.4 für Hochhäuser eine Brandmeldeanlage sowie Alarmierungs- und Lautsprecheranlagen; für bestimmte Fälle gelten Ausnahmen.

Brandmeldeanlagen

Brandmeldeanlagen in Sonderbauten

Planung von Brandmeldeanlagen

Brandmeldeanlagen

Planung von Brandmeldeanlagen

Raumabschließende Bauteile sind Wände, Decken, Dächer, Türen, Verglasungen, Abschottungen u.ä., hier im Berliner Quartier „Mittenmang“, Architektur: Sauerbruch Hutton

Raumabschließende Bauteile sind Wände, Decken, Dächer, Türen, Verglasungen, Abschottungen u.ä., hier im Berliner Quartier „Mittenmang“, Architektur: Sauerbruch Hutton

Baustoffe/​Bauteile

Raumabschließende Bauteile

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Brandschutz sponsored by:
Telenot Electronic GmbH, Aalen
www.telenot.com