Stavros Niarchos Foundation Cultural Centre in Athen

Erdbebengesichertes Gerüst durch schwimmende Lager

Auf einem fast 21 Hektar umfassenden Grundstück in Kallithea, vier Kilometer südlich von Athen, das zunächst als Rennbahn, dann seit der Olympiade 2004 als Parkplatz genutzt wurde, entsteht ein Komplex, der die griechische Nationaloper und -bibliothek unter einem Dach vereinen wird. Ein öffentlicher Platz nach dem Vorbild der klassisch-griechischen Agora bildet den Zugangs- und Verbindungsbereich zum Stavros Niarchos Foundation Cultural Centre. Eingebettet ist der Kulturtempel in einen 170.000 Quadratmeter großen Park. Der Architekt ist Renzo Piano, dessen Building Workshop 2008 einen internationalen, eingeladenen Wettbewerb gewonnen und sich mit seinen Ideen in einem mehr als einjährigen Evaluierungsverfahren gegen Konkurrenten aus aller Welt durchgesetzt hatte. Der Entwurf folgte höchsten Umweltstandards – unter anderem durch Emissionsneutralität und die entsprechende Materialauswahl.

Die temporäre Unterstützung des 10.000 Quadratmeter messenden Überdachs etwa 40 Meter über dem Baugrund war eine der größten Herausforderungen
Die rundum verglasten Lesesäle bieten einen 360-Grad-Blick auf den Hafen und Athen
Luftbild aus Südosten

Ein weiterer Leitgedanke war, die Sichtbeziehung zum nahe gelegenen Meer wiederherzustellen, was durch die Aufschüttung eines künstlichen Hügels gelang. Das Thema Wasser wird zudem mit einem Kanal entlang der Hauptachse in die Parklandschaft geholt. Der Außenbezug ist auch für die Innenräume wichtig: Die rundum verglasten Lesesäle bieten einen 360-Grad-Blick auf den Hafen und Athen. Die Oper hat zwei Auditorien, eins mit 450, eins mit 1.400 Plätzen. Die Stavros Niarchos Stiftung verkündet stolz, mit 550 Millionen Euro die bisher größte Summe innerhalb Griechenlands in eine Kulturinstitution zu investieren, einen der umfangreichsten Beträge auch im internationalen Vergleich.
 
Gerüste und Schalungen
Nationalbibliothek und Staatsoper liegen hinter der aufgeschütteten Anhöhe, die schrägen Dächer der Gebäudeteile sind quasi die Verlängerung des Anstiegs und bilden im Inneren ansteigende Decken von bis zu 31 Metern Höhe. Für eine Vielzahl der Wände und Stützen war beste Sichtbetonqualität gefordert. Diese Aufgabe sowie die temporäre Unterstützung des 10.000 Quadratmeter messenden, schattenspendenden Überdachs etwa 40 Meter über dem Baugrund waren die größten Herausforderungen für die Schalungs- und Gerüstexperten. Über ein ausgefeiltes Logistikkonzept dirigierten sie die enormen Materialmengen und deren Verarbeitung auf der Baustelle.

Um den ästhetischen Ansprüchen zu genügen und unter den Rahmenbedingungen Schalungstechnik und Material bestmöglich aufeinander abzustimmen, wurden Probe-Betonagen durchgeführt. Das Ergebnis wurde als Referenzfläche für die Oberflächenbeschaffenheit und damit als Standard für den gesamten Bau ausgewiesen. Um Abdrücke zu vermeiden, wurden die Schalungsplatten von hinten verschraubt. Die Fugenanordnung und die Lage der Ankerstellen passten die Ingenieure den gestalterischen Vorgaben an. In einigen Bereichen wurde selbstverdichtender Beton eingesetzt, die Nahtstellen der Schalhaut zusätzlich mit Silikon verfugt und abgeklebt, um einwandfreie Fugenbilder zu erhalten. Bei höheren Wänden stand die Wandschalung auf Kletter- sowie Faltbühnen; die Konsolen wurden mit einem Kran zum nächsten Betonierabschnitt gehoben. Durch die Verwendung eines speziellen Ankersystems gelang auch hier die geforderte Optik. Wände ohne besondere Anforderungen an die Sichtfläche hingegen wurden mit großflächigen Rahmenschalungen in Form gebracht. Für die bis zu sechs Meter hohen, runden Stützen kam eine Säulenschalung aus Stahl zum Einsatz. Unter den Decken wurden flexible, einfach und rasch zu montierende Modul-Traggerüste sowie Stütztürme verwendet, um auf die je nach Höhe und Schräge unterschiedlichen Geometrien und Lasten zu reagieren.

Der „fliegende Teppich“ (Renzo Piano), das große Überdach, schwebt zwölf Meter über dem eigentlichen Dach der Oper. Es ist das charaktergebende Element, aber auch das wichtigste, um das Ziel der Emissionsneutralität zu erreichen. Die Konstruktion besteht aus einer Reihung von vorgefertigten Elementen aus Ferrocement, die später mit einer Ortbetonergänzung verbunden werden. Aufgesetzte Solarmodule sorgen für „grüne“ Energie zur teilweisen Stromversorgung des Komplexes. Die Form dieses Überdachs gleicht einer konvexen Linse – der Querschnitt verjüngt sich also zu den Rändern. Dreißig sehr schlanke Stahlstützen tragen die Konstruktion, angeordnet im 15-Meter-Raster auf einem Stahlrahmen. Der weitere Lastabtrag in den Baugrund erfolgt über die darunterliegenden Gebäudestützen. Optisch scheinen die Stützen also mit der Tragkonstruktion der Staatsoper zu verschmelzen.

Gerüst
Diese außergewöhnliche Konstruktion erforderte während der Bauphase ein maßgeschneidertes Traggerüst, das eine Vielzahl von Funktionen übernahm: Es diente zum einen als Auflager für die vorgefertigten Ferrocement-Module und musste gleichzeitig die Feinjustierung dieser Paneele in ihre finale Position ermöglichen; ein Sonderbauteil ließ exakte Verschiebungen in Quer- und Längsrichtung bis zu fünf Zentimetern zu. Außerdem waren unterhalb der Dachfläche durchgängige, sichere Arbeitsflächen für die Montage- und Betonierarbeiten notwendig. Nicht zuletzt musste das Gerüst erdbebensicher ausgeführt werden: Das Traggerüst stand auf speziell entwickelten schwimmenden Lagern, um im Erdbebenfall die eigenen Bewegungen abzufangen.

Die Größe des Projekts und der enge Bauzeitenplan sind für die Ausführung eine ganz besondere logistische Herausforderung. Zum Schalen der immensen Wandflächen innerhalb des Gesamtkomplexes sind auf der Baustelle eine Vielzahl an Systemschalungen zeitgleich im Einsatz – gleiches gilt für die große Menge an Traggerüsten. Ein wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Zusammenarbeit ist folglich die stetige Abstimmung des Bedarfs und der jeweiligen Liefermengen. Ein Projektleiter der Gerüst- und Schalungsexperten sorgt(e) hier für die notwendige Kommunikation und Koordination, er unterstützt die Bauleitung bei der Einhaltung des strengen Bauzeitenplans.

Bautafel

Architekt: Renzo Piano Building Workshop, Genua
Projektbeteiligte: Betaplan, Athen (Bauleitung); Deborah Nevins ans Associates, New York mit H. Pangalou and Associates, Athen (Landschaftsarchitektur); Peri, Koropi (Schalung, Traggerüst, Logistik, Baustellenbetreuung)
Bauherr: Stavros Niarchos Foundation, Athen
Standort: Athen, Griechenland
Fertigstellung: 2016 (geplant)
Bildnachweis: Michel Denancé; RPBW; Ruby on Thursdays; SNFCC - ph. Yiorgis Yerolymbos

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