Stadtbibliothek in Seinäjoki

Vorpatinierte Kupferfassade als Kontrast zu weißen Putzflächen

Ein einzigartiges von Alvar Aalto gestaltetes Gebäudeensemble prägt seit vielen Jahren das Zentrum der westfinnischen Stadt Seinäjoki. Die 1960 fertiggestellte Kirche mit dem schlanken, weithin sichtbaren Turm bildete den ersten Baustein der Stadtmitte, die innerhalb der folgenden acht Jahre durch ein Rathaus, eine Bibliothek, die Stadtverwaltung und das Gemeindehaus weiter ausformuliert wurde. Die Fertigstellung des Ensembles erfolgte erst nach dem Tod des Architekten, als im Jahr 1987 das Theater unter der Leitung von Elissa Aalto entstand.

Mit großen Fensterflächen öffnet sich der Neubau zur Umgebung und bezieht dadurch die Nachbargebäude in die Innenraumgestaltung mit ein
Die Fassadenbekleidung aus Kupferblech wurde eigens für dieses Projekt gefertigt
Die weißen Eingangswände beziehen sich auf das gegenüberliegende Bestandsgebäude

Aaltos Bibliothek besteht seit 1965. Nach außen zeigt sich der Lesesaal mit einem markant aufgefächerten Volumen, im Inneren ähnelt das Bauwerk der Bibliothek in Vipurii, die über eine für Aalto charakteristische Halle mit abgesenktem Mittelbereich verfügt. Die Bewohner Seinäjokis mögen ihre Bibliothek, deshalb ist der Bau durch den intensiven Gebrauch inzwischen in die Jahre gekommen. Auch kann das Gebäude die Anforderungen an eine zeitgemäße Bibliothek nicht mehr erfüllen, sodass sich die Stadt schließlich eine Erweiterung wünschte. Doch wie erweitert man ein stimmiges Objekt, das noch dazu Teil eines abgeschlossenen Ensembles ist?

Die mit der Aufgabe betrauten finnischen JKMM Architekten fügten dem Zentrum einen Neubau hinzu, der die Balance findet zwischen Distanz und Nähe, zwischen Kontrast und Übereinstimmung. Die neue Bibliothek hält auf den ersten Blick Abstand und besetzt als Solitär ein freies Grundstück hinter dem Altbau. Das Volumen ist deutlich größer als das der bestehenden Bibliothek. Die Architekten fragmentieren es deshalb in drei Baukörper mit polygonalem Grundriss, die sich dem Maßstab des Stadtzentrums annähern und den Neubau wie eine Skulptur aus jeder Richtung anders erscheinen lassen. Die bewegte Kubatur erinnert entfernt an die polygonale Außenwand der Aalto-Bibliothek. Im Gegensatz zu deren introvertierten, von oben belichteten Räumen öffnet sich der Neubau mit großen Fenstern nach außen, um die charakteristischen Nachbargebäude in seine Innenräume einzubeziehen.

Kernstück der neuen Bibliothek ist eine große, breit angelegte Treppe, die hinab in die Sammlungen und einen unterirdischen Tunnel führt. Dieser verbindet den Neubau mit der bestehenden Bibliothek. Die große Treppe dient nicht nur der Erschließung, sondern auch als gestufte Leseterrasse, auf der farbige Sitzelemente zum sitzen, lesen und kommunizieren einladen. Bei Veranstaltungen wird sie als Tribüne genutzt. Nicht nur funktional schlägt der nach unten gestufte Raum somit eine Brücke zur Architektur Aaltos. Um den dreieckigen Trichter der Leseterrasse drehen sich die Räume der Bibliothek als offenes Kontinuum, das durch geometrische Verschränkungen, differenzierte Höhen, bewegte Decken, unterschiedliche Lichtführungen und Ausblicke äußerst abwechslungsreich wirkt.

Wände und Decken zeigen sich in brettgeschaltem Sichtbeton, einzelne Flächen sind weiß akzentuiert oder mit Farbe künstlerisch gestaltet. Ein höhlenartiger Rückzugsraum, organisch geformte Sitznischen und frei eingestellte Kuben, die Bücherregal, Sitzmöbel und Lesehütte zugleich sind, sprechen vor allem die junge Generation an. Infolge der ortsunabhängig verfügbaren Informationsquelle Internet hat sich die Funktion der Bibliothek über die Buchausleihe hinaus zum öffentlichen Raum für Bildung, Begegnung und Veranstaltung gewandelt.

Fassade
Wie alles an dem neuen Haus bewegt sich auch die Fassade im Bezug auf die alte Bibliothek zwischen Respekt und Herausforderung. Nur die Schrägen, die den breit gelagerten Eingang rahmen, greifen den weißen Putz von Aaltos Stadtzentrum auf. Die übrigen Wand- und Dachflächen sind in größtem Kontrast dazu mit dunkel vorpatinierten Kupferschuppen bekleidet und verleihen der neuen Bibliothek eine lebhafte Textur. Die Schuppen, die in Form von Parallelogrammen eigens für das Bauvorhaben gefertigt wurden, sind mittels einer Schalung als hinterlüftete Fassade vor die hoch wärmegedämmten Betonaußenwände gehängt. Kupfer bedeckt zwar auch die Dächer der Aalto-Bauten, doch leuchtet es dort in grüner Patina. Dem wird sich die Haut der neuen Bibliothek vermutlich mit der Zeit angleichen. -pn

Bautafel

Architekten: JKMM Architects, Asmo Jaaksi, Helsinki
Projektbeteiligte:
Magnus Malmberg Oy, Eero Pekkari, Helsinki (Tragwerksplanung); Ylitalo Oy, Pekka Nykänen, Oulu (Gebäudetechnik); Satakunnan Insinöörikeskus Oy, Lauri Levo (Elektroplanung)
Bauherr:
Stadt Seinäjoki
Fertigstellung:
2012
Standort:
Alvar Aallon Katu 14, 60100 Seinäjoki, Finnland
Bildnachweis: Tuomas Uusheimo, Helsinki; Hannu Vallas, Pirkkala; Mika Huisman, Espoo

Fachwissen zum Thema

Vorgehängte, hinterlüftete Fassade aus Titanzinkblech am Jüdischen Museum, Berlin (Beispiel leichte Bekleidungselemente)

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Fassadenelemente

Bekleidungselemente

Goldfarben eloxiertes Aluminium am Berliner Axel-Springer-Hochhaus (1965), Architekten Melchiorre Bega, Gino Franzi, Franz Heinrich Sobotka und Gustav Müller

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Materialien

Metalle

VHF am Baustofflabor der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur

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Fassadenarten

Vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF)

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