Sky Yards Hotel in Jiaozuo

Gezielt gerahmte Aussicht

Die Provinz Henan im zentralchinesischen Tal des Gelben Flusses gilt als Ursprung der chinesischen Zivilisation. Der Name rührt von der geographischen Lage „Südlich des Flusses“, der gemeinsam mit dem Taihangshan-Gebirgszug im Westen eine natürliche Grenze für die inzwischen zu den bevölkerungsreichsten Provinzen zählenden Region darstellt. In der ländlich-industriell geprägten Stadt Jiaozuo errichteten die aus Shanghai stammenden Domain Architects das Sky Yards Hotel, das seine Gestalt der gezielten Inszenierung von Teilen seiner Umgebung verdankt.

Dessen Westfassade erhält ihr charakteristisches Erscheinungsbild von den ungewöhnlich gestalteten Balkonöffnungen.
Die wenig reizvolle Umgebung ist von Industrie, Baustellen und Brachen gekennzeichnet.
Daher wird der Blick aus den Hotelzimmern gezielt nach oben gelenkt.

Optische Abgrenzung

Im unmittelbaren Umfeld des Objekts finden sich zahlreiche Baustellen, Brachen und Industrieareale, die wenig Reiz für Aussicht und Aufenthalt bieten. Während sich Hotelanlagen normalerweise nach außen öffnen, galt es für die Planerinnen und Planer rund um Bürogründer Xiaomeng Xu eher vor der Umgebung abzuschotten und einen ästhetischen baulichen Kontrast zu schaffen. Das Raumprogramm des Sky Yard Hotels beinhaltet neben 48 Zimmern auch ein hoteleigenes Restaurant, einen Bankettsaal, Pools, eine Tiefgarage und Bereiche, die für einen späteren Ausbau zur Verfügung stehen. Fläche, Budget und Zeitplan waren im Projekt jedoch durchaus begrenzt. Zudem kam herausfordernd hinzu, dass das Architekturteam die Baustelle aufgrund der Pandemie nur ein einziges Mal besichtigen konnte.

Ausrichtung nach oben

In ihrem Entwurf bedienten sich die Planer zwei entscheidender Mittel, um die gewünschte Abschottung und gleichzeitige Öffnung zum reizvolleren Landschaftsteil zu erzielen. Zunächst hoben sie die Erdgeschossebene um ein halbes Geschoss oberhalb der umgebenden Brachlandschaft an und schütteten das Gelände mit dem Baugrubenaushub auf. Dadurch steht das Gebäude auf einem kleinen grünen Hügel, der – gleich einem Sockel für eine Plastik – das Bauwerk inszeniert. Die skulpturale Anmutung des Bauwerks entstand dabei durch das ungewöhnliche Gestaltungsprinzip der Hotelzimmerboxen: Wo sich normalerweise quaderförmige Einheiten über Balkone oder Loggien nach außen hin öffnen und der klassisch gefasste Freisitz eine maximale Aussicht generiert, schotten sich die nach Westen ausgerichteten Zimmer durch massive, diagonal gekippte Betonbrüstungen weitgehend ab. Die auskragenden Dächer der rückspringend gestaffelten Balkone greifen wiederum das flügelähnliche Gestaltungsmuster auf und bilden so eine Form aus, die an Pagodendächer erinnert. Der nach oben gerichtete Balkonausschnitt lenkt den Blick daher gezielt in Richtung Taihang-Gebirge und Himmel.

Die Zimmer selbst sind über raumhohe, weit öffenbare Glastüren mit den Balkonen, den sogenannten Sky Yards, verbunden. Die privat nutzbare Fläche wird dadurch erweitert, Innen- und Außenraum verschmelzen. Auch interagiert hier das Sonnenlicht zu den verschiedenen Tageszeiten auf unterschiedliche Weise mit der ungewöhnlichen Wandöffnung. Bei der Gestaltung der Anlage bedienten sich die Architekten nach eigenen Angaben der traditionellen chinesischen Gartenbau-Methode des Verbergens und Enthüllens, was sich in dem Fall durchaus auch auf die Fassaden übertragen lässt.

Von der Rahmen- bis zur Bambusschalung

Die Konstruktion ist vollständig in Ortbeton errichtet worden, der nachträglich hell verputzt und an den Untersichten der Balkondächer mit einer Lattung aus Holz versehen wurde. Die Freiform der Balkonbrüstungen sowie die geschwungenen Spitzen an den Dächern sind mithilfe von Stahlnetzen umgesetzt worden, auf die der Beton gegossen wurde. Für das Gebäude kam insgesamt eine Rahmenschalung, für die nicht-vertikalen Wand- und Deckenbereiche der Sky Yards eine Brettschalung zum Einsatz. Für die Betonwand, die das Gelände umzäunt, wählten die Beteiligten eine Bambusschalung, die sich in der Oberflächenstruktur deutlich ablesen lässt. -sab

Bautafel

Architektur: Domain Architects: Xiaomeng Xu, Chun Wang, Hannah Wang
Projektbeteiligte: Domain Architects (Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur); AND Office (Tragwerksplanung), Unolai Lighting Design & Associates (Lichtplanung)
Bauherr/in: Sky Yards Hotel
Standort: Jiaozuo, Kreis Xiuwu, Provinz Henan, China
Fertigstellung: 2020
Bildnachweise: Chao Zhang

Fachwissen zum Thema

Durch Einlagen wie Matrizen oder Folien lässt sich das Spektrum der Gestaltungsmöglichkeiten von Sichtbetonoberflächen erweitern (Fassade des Museums für Architekturzeichnung in Berlin von Speech Tchoban & Kuznetsov, Moskau).

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