Shakespeare-Theater in Danzig

Großflächiges Sichtmauerwerk aus dunklen Ziegeln in historischem Format

Shakespeare hat in Danzig Tradition. In der Stadt mit dem damals größten Hafen im östlichen Europa gastierten im 17. Jahrhundert tatsächlich regelmäßig durchreisende englische Schauspieler und brachten die Stücke des großen Dichters und Dramatikers der Renaissance zur Aufführung; zunächst in einer alten Fechtschule und dann in einem Elisabethanischen Freilufttheater. Ende des 19. Jahrhunderts ersetzte ein Neorenaissancebau ganz anderer Bestimmung die Bühne: Danzigs Große Synagoge, die 1939 schließlich von Nationalsozialisten abgerissen wurde.

Der imposante dunkle Backsteinbau mit hohen Mauern öffnet gelegentlich, von einer geheimnisvollen Mechanik angetrieben, sein Dach und lässt es steil in den Himmel aufragen
Der Eindruck, es handle sich um einen gewaltigen massiven Baukörper, täuscht; das Theater gliedert sich in einzelne Volumen, die von einer sechs Meter hohen, den Verlauf des Grundstücks nachzeichnenden raumhaltigen Mauer umschlossen sind
Die Eingänge für das Publikum und für die Schauspieler und Mitarbeiter liegen an der langen Wand nach Norden der Altstadt gegenüber

An genau dieser Stelle der Stadt, zwischen einer mehrspurigen Hochstraße und der nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend wieder aufgebauten Altstadt, steht heute wieder ein Theater: ein imposanter dunkler Backsteinbau mit hohen Mauern, der, gelegentlich von einer geheimnisvollen Mechanik angetrieben, sein Dach öffnet und steil in den Himmel aufragen lässt und der wie eine hölzerne Intarsie einen Theaterraum nach dem Vorbild des Globe Theaters birgt. Die Initiative für den Neubau des Teatr Szekspirowski kam von der 1991 unter der Patronage des britischen Thronfolgers Prince Charles gegründeten Stiftung Theatrum Gedanese, die 2005 einen internationalen Architekturwettbewerb auslobte. Der Entwurf stammt von dem Venezianer Renato Rizzi.

Der Eindruck, es handle sich um einen gewaltigen massiven Baukörper, täuscht; das Theater gliedert sich in einzelne Volumen, die von einer sechs Meter hohen, den Verlauf des Grundstücks nachzeichnenden raumhaltigen Mauer umschlossen sind. Dahinter sind in einer Achse die Verwaltung, der 18 Meter hohe weithin sichtbare Bühnenturm und der zwölf Meter hohe Theatersaal aufgereiht. So entstehen zwischen hohen Mauerwerkswänden geschützte Hofräume und schmale Erschließungsgänge und auf der Dachfläche des Verwaltungsbaukörpers ein öffentlicher Platz in überhöhter Lage.

Die räumliche Gliederung des Theaters mit Eingängen, Foyer, Treppenanlagen, Erschließungsgängen, Zuschauerrängen und Bühnenraum folgt einer klaren Axialsymmetrie und differenziert deutlich zwischen engen Passagen und weiten Räumen. Im Kontrast zu den dunklen Ziegelfassaden ist hier alles licht und hell: weißer Putz, heller Naturstein und noch helleres Birkenholz. Der hölzerne, von drei Geschossen umlaufender Galerien und Logen eingefasste Theatersaal wirkt wie eine streng kultivierte und fein gearbeitete Variante der frühen Fachwerkkonstruktionen und bodenständigen Bretterbühnen. In den Rängen ist auf hölzernen Podesten Platz für rund 300 Zuschauer und im Bühnenraum je nach Art der Aufführung für weitere 280. Der Hebeboden aus einer Vielzahl beweglicher Plattformen kann mechanisch in zahllosen Arrangements höhenverstellt werden und das Theater nach elisabethanischem Vorbild zu einer Guckkastenbühne oder zu einem Konzertsaal. Technischer, räumlicher und theatralischer Höhepunkt ist jedoch das temporär zu öffnende Dach über dem Theaterraum. Die beiden je 46 Tonnen schweren Dachflügel lassen sich innerhalb von wenigen Minuten öffnen und wieder schließen. In geöffnetem Zustand stehen die mit korrodierten Kupferplatten verkleideten Flügel senkrecht zwölf Meter hoch, überragen den quer platzierten backsteinernen Bühnenturm und entlassen Shakespeares Genius mit großer Geste in den Danziger Abendhimmel.

Mauerwerk
Die doppelten Wände der raumhaltigen Umfassungsmauer sind jeweils zweischalig ausgeführt. Vor 30 cm dicken, an ihren Innenseiten verputzten und tragenden Stahlbetonwänden sind in einem Abstand von 2 cm anthrazitfarbene Handformziegel vorgemauert. Die sehr flachen, langen Steine haben mit Abmessungen von 20,8 x 9,8 x 5,1 cm das historische Waalformat. Ihre Wärmeleitfähigkeit λ beträgt 0,56 W/mK und ihre Druckfestigkeit ≥ 17,5 N/mm². Sie sind mit kontrastierend hellem Dünnbettmörtel im Läuferverband vermauert und in ihrer Farbe deutlich dunkler als die lokal üblichen roten Ziegel.

Die Baukörper der Verwaltung und des Theaters im Inneren der Umfassungsmauer haben 60 cm dicke, ebenfalls zweischalige Außenwände. Tragend ist hier eine 25 cm dicke Stahlbetonwand, der auf ihrer Innenseite 8 cm starke Hohlziegel mit weißem Löschkalk auf 2 cm Unterputz vorgelagert sind. Außenseitig sind 12 cm Wärmedämmung angebracht und vor einer 3 cm starken Luftschicht das wie oben beschrieben ausgeführte Sichtmauerwerk. Die Wände des Theatersaals und des Bühnenturms werden außenseitig im Achsraster von 2,80 m durch Strebepfeiler mit einem 20 cm breiten Stahlbetonkern verstärkt. Sie leiten die nicht unerheblichen Windlasten ab, die bei geöffnetem Dach entstehen können. Die gestaffelten Rücksprünge der Pfeiler werden von je einer Lage vertikal aufgestelltem Klinker und einer Rollschicht betont.

Die leicht angeschrägte Attika wird aus vier Lagen vertikal aufgestellter, mit Kreuzfugen vermauerter Klinker mit abschließender Rollschicht gebildet. Auch die horizontalen Flächen der Wege, Rampen und Plätze im Außenbereich sind mit Klinker belegt.

Bautafel

Architekten: Renato Rizzi, Venedig
Projektbeteiligte: Armando Mammino, Treviso und Andrej Dabrowski, Danzig (Statik); Gianfranco Rorato, San Donà Di Piave (Anlagenbau); Jan Wachacki, Krakau (Elektro); Arkadius Kontecki, Warschau (Mechanik); Lukasz Pilch (Hydraulik); Zbigniew Koska (Gebäudtechnik); Q-Arch, Krakau (Bauleitung)
Bauherr: Gdański Teatr Szekspirowski, Danzig
Fertigstellung: 2014
Standort:
Wojciecha Bogusławskiego 1, 80-818 Danzig
Bildnachweis: Matteo Piazza, Mailand

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