Seebad in Kaltern

Weit auskragendes Sonnendeck mit Ausblick

Das Areal des Seebads befindet sich am Westufer des Kalterer Sees. Neben der Integration des bestehenden Lidogebäudes bestimmten zwei weitere Faktoren die Lage des Bades: das Grundstück sollte weitgehend unbebaut bleiben und der Blick von der Seepromenade auf den See durfte nicht verstellt werden. Um diese Bedingungen zu erfüllen, wurde das Seebad auf zwei Ebenen angeordnet, dem so genannten Sonnendeck und der darunter liegenden Aquariumsebene. Der Zugang erfolgt über das Sonnendeck, das am höchsten Punkt des Grundstücks niveaugleich an das bestehende Gelände anschließt und die umgebende Topographie wie eine künstliche Landschaft in Richtung Seeufer fortsetzt. Das Sonnendeck mit den Schwimmbecken dient als Badebereich sowie als öffentlicher Freibereich. Zudem schafft es Raum für die Schwimmbadkasse, eine Bar, ein kleines Geschäft und eine Veranstaltungstribüne, die sowohl von Badegästen als auch extern genutzt werden können.

Einer der Stützkerne, die das Sonnendeck im Bereich des Mehrzweckbeckens durchdringen und als künstliche Felsformationen aus dem Wasser ragen
Durch verglaste Öffnungen im Boden des Mehrzweckbeckens und Glasbetonfelder im Sonnendeck dringt atmosphärisches Licht nach unten
Blick vom Sonnendeck auf den Kalterer See

Die leichte Hanglage des Grundstücks ermöglicht es, das Niveau der Liegewiese unter das Sonnendeck fortzusetzen und einen Großteil des Raumprogramms wie Haustechnik, Umkleide- und Sanitäranlagen sowie Personal- und Lagerräume im so genannten Aquarium unterzubringen. Dieser überdachte Bereich der Aquariumsebene ist gleichzeitig Spiel-, Fitness- und Veranstaltungsfläche und ist umlaufend mit Tageslicht belichtet. Durch verglaste Öffnungen im Beckenboden des Mehrzweckbeckens und Glasbetonfelder im Sonnendeck dringt atmosphärisches Licht ins Aquarium. Bei sommerlichen Regengüssen ist diese Schwimmbadzone ein regengeschützter Unterstand, an sonnigen, heißen Tagen eine schattige Spielzone. Durch die Anordnung auf zwei Ebenen kann die versiegelte Fläche verringert und die Liegewiese im Vergleich zum Altbestand um mehr als ein Drittel vergrößert werden.

Das bestehende Lidogebäude bleibt erhalten und dient nun als Restaurant mit Seeterrasse, das an der Nordseite durch eine neue Küche ergänzt wird. Dieser eigenständige Baukörper fasst die bisher vernachlässigte Rückseite zu einem Platz und stellt eine großzügige Sichtschneise zwischen östlichem Seeufer und neuem Seebad her.

Flachdach
Die schlechten geologischen Bodenverhältnisse machten eine Tiefgründung mit Bohrpfählen notwendig. Daher erfolgt die Lastableitung konzentriert auf wenige Bereiche. So lastet das Sonnendeck als fugenlose Konstruktion auf Stützkernen, von denen zwei das Sonnendeck im Bereich des Mehrzweckbeckens druchdringen und als künstliche Felsformationen, als Kamine, aus dem Wasser ragen. In ihrem Inneren – belichtet durch obere Öffnungen in den Kaminen – befinden sich Whirlpool und Regenraum. Insgesamt sechs Kerne und der teilweise im Terrain versenkte Bereich der westlichen Technikräume tragen das weit auskragende Sonnendeck.

Die Decke aus selbstverdichtetem Beton wurde fugen- und ankerlos betoniert und mit einer PU-Beschichtung versehen. Im Bereich des Beckenbodens wurde zur Aufnahme der Rohre für die Beckenhydraulik eine 21 cm dicke Schüttung aus Glasschaumgranulat zwischen Magerbetonsockeln aufgebracht. Der Beckenboden selbst wurde mit 1,5 mm dickem Edelstahl abgedichtet. Das umlaufende Sonnendeck besteht aus einem Dielenbelag aus Holzfaser-Kunststoff-Dielen auf einer Unterkonstruktion aus verzinktem Stahlblech, die wiederum auf Stellfüßen ruht. Zur Abführung des Niederschlagswassers wurde oberhalb der 35 cm dicken Stahlbetondecke ein Gefälleestrich in Leichtbeton aufgebracht; die Abdichtung des Flachdachaufbaus übernimmt eine 2 mm dicke Polyolefinfolie mit oberer Schutzschicht aus 4 cm dicken Leichtbeton.

Durch die ober- und unterseitige Nutzung (Sonnendeck und Aquarium als Fortführung der Liegewiese) wird das weit auskragende Dach in seiner ganzen Dimension erlebbar gemacht. Die Deckenuntersicht wirkt skulptural, weil sie die unterschiedlichen Beckentiefen und den Kräfteverlauf plastisch abbildet.

Bautafel

Architekten: The next Enterprise, Wien
Projektbeteiligte: Bollinger und Grohmann, Frankfurt/Wien (Statisches Konzept); Bergmeister und Partner, Vahrn/I (Tragwerksplanung)
Bauherr: Comune di Caldaro - Marktgemeinde Kaltern, Südtirol
Fertigstellung: 2006
Standort: Kaltern am See, Südtirol
Bildnachweis: Lukas Schaller, Wien

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