Schweizer Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig

Oszillierende Backsteinwand

In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts schuf Bruno Giacometti, Bruder des Künstlers Alberto Giacometti, den Schweizer Pavillon auf dem Gelände der Biennale in Venedig als reduzierten Backsteinbau mit Flugdach über schlanken Stützen. 2008 beherbergte das Ausstellungsgebäude ein Gebilde aus dunklem Backstein, das den gesamten Raum durchmaß, zerteilte und förmlich in Bewegung zu setzen schien.

Schweizer Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig
Schweizer Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig
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Die mäanderförmige, 100 m lange Ziegelwand gab der Ausstellung „Explorations“ über den aktuellen Stand der Architekturforschung in der Schweiz Raum. Entwickelt wurde die ozillierende Backsteinwand von den Architekten Fabio Gramazio und Matthias Kohler mit ihrem Forschungsteam an der ETH Zürich, gemauert vor Ort durch die mobile Roboteranlage R-O-B.

Die temporäre Wand griff die Materialität des Giacometti-Baus farblich differierend vom hellen Backstein des Pavillons auf, um dann die Geradlinigkeit des Gebäudes mit der frei schwingenden Form zu sprengen. Bei den Ausstellungsflächen, die sich zwischen dem temporären Ziegelband und den Pavillonwänden aufspannten, trafen damit alt und neu, gerade und geschwungen aufeinander. Im Inneren des Wandkontinuums entstand ein vom Pavillon gelöster, amorpher und nahezu introvertierter Raum. Folgten die Besucher der Form, wurden sie in spannungsreichen, weichen Bögen durch das Haus geleitet.  Unterbrechungen des Backsteinbandes dienten der Erschließung und erlaubten den Wechsel zwischen den Ausstellungszonen.

Mauerwerk
Als Novum kam der mauernde Roboter (kurz R-O-B) nicht im Rahmen einer Vorfabrikation zum Einsatz, sondern mauerte vor Ort. Durch seine computergestützte Steuerung konnte er auch hochkomplexe Wandstrukturen punktgenau mauern und verkleben. Der Entwurf des Forscherteams basierte auf einer kontinuierlichen Grundrisslinie, deren Verlauf den Ausstellungsweg und die verschiedenen Ausstellungsbereiche markierte.

Ausgehend von dieser gekrümmten Linie entwickelten die Architekten die plastische Ausformung der Wand - ihre Form folgte ihrer Funktion und damit den statischen Notwendigkeiten. Der architektonische Ausdruck der in einzelnen Segmenten gebauten Ziegelwand ergab sich aus den Maßnahmen, sie zu stabilisieren. Wandsegmente, die aufgrund ihrer geometrischen Form instabil waren, mussten durch eine stärkere Schwingung der unteren Lagen und die Vergrößerung der Standfläche wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Diesem Schwung antwortete dann wiederum im oberen Wandbereich ein Gegenschwung und es entstand gleichsam eine stabile Labilität.

Die Oberflächenstruktur des Backsteinbandes ergab sich durch die Ausdrehung einzelner Steine, wobei der Grad der Drehung sich unmittelbar von der Wandgeometrie ableitete: Je stärker die Wand gekrümmt ist, umso stärker müssen die Steine ausgelenkt werden. Folgerichtig sind die Steine in wenig gekrümmten Wandsegmenten in einem geraden Verband gemauert. Eben durch diesen Wechsel wird die Plastizität der Wand noch verstärkt, das eigentlich harte Material Ziegel erhält einen nahezu textilen Charakter.

Bautafel

Architekten: Gramazio & Kohler, Architektur und Digitale Fabrikation, ETH Zürich; Projektleiter: Michael Knauss, Mitarbeiter: Tobias Bonwetsch, Michael Lyrenmann, Ralph Bärtschi
Projektbeteiligte: Keller Ziegeleien, Pfungen (Ziegel); Sika Schweiz, Zürich (Mörtel); Kuka Roboter Schweiz, Dietikon (Roboter)
Bauherr: BAK - Bundesamt für Kultur
Fertigstellung: 2008
Temporärer Standort: Arsenale, Venedig
Bildnachweis: r-o-b-about.com, Zürich

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