Schulzentrum Nord in Stuttgart

Komplettsanierung und Umstrukturierung mit neu eingeteilten Brandabschnitten

Mit über 160 Metern in Ost-West-Richtung und etwa 110 Metern in Nord-Süd-Richtung hat das Schulzentrum in Stuttgart-Nord eine wahrhaft stattliche Ausdehnung. Die Gebäudestruktur ist jedoch durch zahlreiche Vor- und Rücksprünge sowie durch einen Hof gegliedert; die horizontale und vertikale Ausformung der Topografie angepasst. Der Gebäudekomplex entstand in zwei Bauabschnitten von 1978 bis 1982 am Killesberg unterhalb der Weißenhofsiedlung. Er ist mit bis zu sechs Geschossen in der Höhe gestaffelt und beherbergt zwei voneinander unabhängige Lehranstalten: die Werner-Siemens-Schule und die Kaufmännische Schule Stuttgart-Nord. Da seit seiner Errichtung keine wesentliche Modernisierung vorgenommen worden war, sollte die Anlage umfassend neu strukturiert und energetisch saniert werden. Wulf Architekten – selbst in der baden-württembergischen Hauptstadt ansässig – verwandelten den Bestand in ein modernes Schulzentrum für rund 3.600 Schüler.

Von Norden: Das Gebäude ist mit bis zu sechs Geschossen in der Höhe gestaffelt
Innenhof im Nordflügel
Ansicht Nordwest vom Dach des ersten Obergeschosses auf die beiden Aufbauten des südlichen Flügels

Im Zuge des Umbaus blieben die Kubatur und Erschließungen weitgehend erhalten, während eine neue Fassade die bauzeittypische, horizontale Gliederung und Schichtung der Etagen noch betont. Verglaste, dunkel gerahmte Fassadenbänder liegen zurückversetzt hinter Deckenrandverkleidungen aus gelochten Aluminiumplatten. Die Dachflächen wurden begrünt und teilweise durch Terrassen aufgewertet.

Die Erschließung des Schulzentrums erfolgt über Zufahrten von dem südlich gelegenen Eckhartshaldenweg und der westlichen Mönchhaldenstraße. Aufgrund der Einbettung ins Gelände gibt es nicht nur im Erdgeschoss, sondern auch im ersten und zweiten Obergeschoss ebenerdige Zu- bzw. Ausgänge. Allein das erste Obergeschoss erstreckt sich mit rund 14.000 Quadratmetern über die gesamte Ausdehnung des Baukörpers. Im (zum Teil unterkellerten) Erdgeschoss teilt ein zweifach abgewinkelter Hof als breite Passage den Komplex in einen nördlichen und einen südlichen Flügel. Bis auf ein rechteckiges Teilstück im Nordflügel ist der Hof weitgehend vom ersten Obergeschoss überdeckt. Eine im Grundriss quadratische Aula mit Zugängen von Westen und Osten bildet das Herzstück der Anlage und ist nicht zuletzt aufgrund der Passage der Dreh- und Angelpunkt des Schulbaus. In diesen Saal gelangt jede Menge Tageslicht durch zusätzlich eingebaute Oberlichter. Prägend ist eine breite Treppenanlage mit Sitzstufen, die von einem tiefblauen, flauschigen Teppichboden überzogen sind. Nördlich der Aula befindet sich die Mensa. Sie wendet sich mit einer breiten Glasfassade und zweiflügeligen Türen zum Hof und ist auch extern für Veranstaltungen nutzbar.

Die übrigen, im ersten Obergeschoss verschieden großen Räume werden über breite Flure mit Treppenhäusern an den Kreuzungspunkten erschlossen. Den Eindruck eines lockeren, horizontal zusammenhängenden Raumgefüges unterstützen lichtblaue Bodenbeläge. Weitere Etagen erheben sich ausschließlich oberhalb des südlichen Flügels, der ab dem zweiten Obergeschoss in zwei getrennte Baukörper aufgeteilt ist. Beide sind gestaffelt – der westliche weist zusätzlich drei, der östliche zwei Geschosse auf, jeweils gekrönt von einem Technikgeschoss.

Der Hauptzugang der Werner-Siemens-Schule (WSS) liegt an der östlichen Gebäudeseite und führt in das Foyer der Aula im Erdgeschoss. Er erschließt einen Treppenraum, der vom Untergeschoss bis in die dritte Etage reicht. Ein weiterer Zugang mit angeschlossenem Treppenraum ist am westlichen Ende der Aula angeordnet. Der Hauptzugang der Kaufmännischen Schule-Nord (KSN) befindet sich an der Südseite im Westteil des Südflügels. Er liegt aufgrund des hier höheren Geländes auf dem Niveau des zweiten Obergeschosses und erschließt eine Eingangshalle mit Treppenraum, der diesen Gebäudeabschnitt vom Erdgeschoss bis zum vierten Obergeschoss durchgehend verbindet. Zwei weitere Zugänge der KSN gibt es an der westlichen und südlichen Gebäudeseite im ersten Stockwerk.

Das gesamte Gebäude – ein Massivbau aus Stahlbeton – wurde energetisch saniert: Sämtliche Deckenstirnseiten wurden gedämmt und neu verkleidet, die Fassaden zwischen den Geschossen durch verglaste Elemente ersetzt, die Flachdächer einschließlich der Entwässerung ertüchtigt bzw. erneuert.

Brandschutz
Das Brandschutzkonzept für die Sanierung und Neustrukturierung des Stuttgarter Schulzentrums basiert auf folgenden Rechtsgrundlagen: der Muster-Schulbaurichtlinie, der Versammlungsstätten-Verordnung sowie der Landesbauordnung Baden-Württemberg in Verbindung mit der Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung.

Teile des Gebäudekomplexes weisen bis zu fünf Etagen auf, zusätzlich gibt es Unterkellerungen und Dächer mit Technikaufsätzen. Insgesamt ergibt sich so ein maximal sechsgeschossiger Bau mit Gebäudeteilen von höchstens sieben Ebenen (maximale Höhe ab OK FFB EG: 23,66 m im Bereich des Westflügels). Zwischen den Ebenen verschiedener Gebäudeteile gibt es keine Höhenversätze. Ebenerdige Ausgänge sind sowohl im Erdgeschoss (±0,00 m, Ostseite) vorhanden, als auch im 1.OG (+4,03 m, West- und Südseite) und im 2.OG (+8,03 m, Südseite). Die beiden Versammlungsräume – Mensa und Aula – befinden sich im EG und 1.OG; die Aula erstreckt sich über zwei Geschosse mit Zugangsmöglichkeiten auf beiden Ebenen.

Vor dem Umbau war das Gebäude nicht in Brandabschnitte unterteilt; baurechtlich stellte es einen zusammenhängenden Brandabschnitt dar – allerdings horizontal separiert durch die Geschossdecken. Im Rahmen der Vorplanung wurden die bestehenden Flurtrennwände in Bezug auf Konstruktion, Einbau und Feuerwiderstandsdauer durch die MPA Dresden überprüft. Es zeigte sich, dass die Flurtrennwände im gesamten Gebäude nicht die erforderliche Feuerwiderstandsdauer aufwiesen; zudem bestanden erhebliche Mängel in der baulichen Ausführung. Aus diesem Grund (die Bauarbeiten erfolgten bei laufendem Schulbetrieb) wurde eine automatische Brandmeldeanlage zunächst provisorisch, dann dauerhaft eingerichtet. Sie ist mit einer elektroakustischen Alarmierungs- und Durchsageanlage kombiniert.

Um die Bauteilanforderungen hinsichtlich der Feuerwiderstandsdauer insbesondere bei notwendigen Fluren im Zuge von Rettungswegen zu erfüllen, wurden sämtliche Innenwände ersetzt. Weil die Gebäudeausdehnung deutlich über die zulässige Abmessung eines Brandabschnitts von 40 Metern (und auch die in der Muster-Schulbau-Richtlinie zulässige Erhöhung auf 60 Meter) hinausging, wurden im EG und 1.OG neue Brandabschnitte gebildet. Der Nordflügel im EG blieb als einzelner Abschnitt bestehen, obwohl auch hier die maximal zulässige Ausdehnung um ca. 25 m überschritten wird. Kompensiert wird dies über die BMA. Der Südflügel wird mittels zweier abschnittsbildender Wände in insgesamt drei Brandabschnitte unterteilt (s. Abb. 19). Im 1.OG erfolgt die Unterteilung der Gesamtfläche in vier Brandabschnitte über die Anordnung von insgesamt vier abschnittsbildenden Wänden (s. Abb. 20). Anstelle von inneren Brandwänden, deren Errichtung mit vertretbarem Aufwand im Bestand nicht möglich gewesen wäre, wurden geschossweise versetzte, feuerbeständige Wände aus nicht brennbaren Baustoffen (F90-A) ausgeführt. Weitere generelle Abschnittsbildungen erfolgten durch feuerbeständige Umfassungen von geschossübergreifenden Installationsschächten sowie Treppenräumen und Aufzugsschächten. Auch die Versammlungsräume sowie die Küche sind als eigenständiger Abschnitt in feuerbeständiger Bauart ausgeführt und gegenüber angrenzenden Räumen und untereinander abgetrennt.

Die Führung der Rettungswege erfolgt grundsätzlich über notwendige Flure und in allen nicht ebenerdigen Geschossen über notwendige Treppenräume. Eine Ausnahme bilden zwei südlich gelegene Unterrichtsräume im EG, für die ohne größeren baulichen, d.h. wirtschaftlichen Aufwand kein 2. Rettungsweg herstellbar war. Dieser wurde daher – wie bereits in der Vergangenheit im Bestand praktiziert – über öffenbare Fenster in den Unterrichtsräumen realisiert. Für Teilbereiche in den aufgehenden Geschossen wurden die 2. Rettungswege über Außentreppenanlagen und begehbare Dachflächen realisiert, da jeweils nur ein Treppenraum zur Erschließung vorhanden war (s. Abb. 21-32).

Die Mensa verfügt an der nördlichen Außenfassade über insgesamt fünf zweiflügelige Türen als direkte Ausgänge ins Freie; weitere Ausgangsmöglichkeiten bestehen an der gegenüberliegenden Seite zur Aula sowie in den Eingangsbereich der WSS, jeweils mit direkten Ausgängen ins Freie. Die Aula verfügt entsprechend im EG über zwei unabhängige bauliche Rettungswege; im 1. OG gibt es insgesamt fünf Ausgangsmöglichkeiten in drei voneinander unabhängige Rettungswege (s. Abb. 20). In den Versammlungsstätten sind Flucht- und Rettungswege beleuchtet gekennzeichnet. Unterdecken, Bekleidungen etc. bestehen hier aus schwerentflammbaren Baustoffen. Die aufsteigenden Sitzreihen in der Aula mit einer Konstruktion aus brennbaren Holzwerkstoffen konnten bestehen bleiben, da sämtliche Hohlräume mit Mineralwolle (nicht brennbar) ausgestopft sind. Die Entrauchung der Versammlungsräume erfolgt über Öffnungen im Dach.

Baustoffe, die brennend abtropfen können, sind im gesamten Schulzentrum nicht zulässig. Lüftungsleitungen und -kanäle sind aus nicht brennbaren Baustoffen ausgeführt, Leitungen aller Art an den Durchtrittsstellen mit Abschottungen in Qualität der durchdrungenen Bauteile versehen.

Die Aufzugsanlage verfügt über eine Brandfallsteuerung: Im Brandfall löst die BMA eine Evakuierungsfahrt zur Eingangsebene aus und verhindert eine anschließende Weiterfahrt. Beim Ansprechen des Melders in der Eingangsebene erfolgt die Evakuierungsfahrt zum 1.OG. Die Brandmeldeanlage ist nicht flächendeckend ausgeführt; überwacht werden „Normalklassen“ nur in den Zwischendeckenbereichen und nur dann, wenn dort Leitungstrassen verlaufen. Fachklassen werden jeweils im Raum und im Zwischendeckenbereich überwacht. Dagegen werden die Flure generell durch die BMA überwacht, außerdem die Versammlungsräume, die Hohlräume der ansteigenden Sitzreihen in der Aula sowie ein im Untergeschoss vorhandener Kriechkeller. Die BMA ist auf die Leitstelle der Feuerwehr Stuttgart aufgeschaltet. Bei einem Brandalarm in der Gebäudeanlage erfolgt eine automatische Räumung des gesamten Gebäudes mittels akustischer Alarmierungseinrichtungen. An allen Notausgangs- und Ausgangstüren sind zusätzlich Handauslösestellen (Druckknopfmelder) installiert. Der Schule wird die Beauftragung einer Person mit Verantwortung für den Brandschutz (Brandschutzbeauftragter) empfohlen.

Bautafel

Architekten: wulf architekten, Tobias Wulf, Kai Bierich, Alexander Vohl, Stuttgart
Projektbeteiligte: TÜV Süd Industrie Service Kompetenzzentrum Brandschutz, Ulm (Brandschutzkonzept)
Bauherr: Landeshauptstadt Stuttgart, Schulverwaltungsamt, vertreten durch das Technische Referat, Hochbauamt
Fertigstellung: 2015
Standort: Heilbronner Straße 153, 70191 Stuttgart
Bildnachweis: Markus Guhl und wulf architekten, Stuttgart

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Fachwissen zum Thema

Öffnungen in Dächern müssen so angeordnet sein, dass ein Brand nicht auf andere Gebäude oder Gebäudeteile übertragen werden kann

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Baustoffe/​Bauteile

Brandwände I

Beleuchtete Kennzeichnung in der Musikschule in Berlin-Kreuzberg

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Flucht-/​Rettungswege

Kennzeichnung von Rettungswegen

Die Muster-Schulbau-Richtlinie (MSchulbauR) regelt bezüglich des Brandschutzes besondere Anforderungen und Erleichterungen für den Bau und Betrieb von allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, soweit sie nicht ausschließlich der Unterrichtung Erwachsener dienen (Abb.: Sekundarschule in Berlin-Mahlsdorf).

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Sonderbauten

Schulbauten

Die Muster-Versammlungsstättenverordnung regelt besondere Anforderungen und Erleichterungen für den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten mit Versammlungsräumen, die einzeln mehr als 200 Besucher fassen (Abb.: Messe Leipzig).

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Sonderbauten

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