Sanierung Pergamonmuseum in Berlin

Auf Zehenspitzen

Ein Umbau im Weltkulturerbe, auf schwammigem Grund und umgeben von Exponaten von unschätzbarem Wert: Die Instandsetzung des Pergamonmuseums auf der Museumsinsel in Berlin ist ein Mammutprojekt, dessen Planung bereits 1999 mit dem Abschluss des Masterplans Museumsinsel begann, und das voraussichtlich noch bis mindestens 2023 andauern wird. Das im neoklassizistischen Stil erbaute Ensemble beheimatet die Antikensammlung, das Vorderasiatische Museum und das Museum für Islamische Kunst. Höhepunkte der Sammlung sind neben dem namensgebenden Pergamonaltar weitere Monumentalobjekte wie das Markttor von Milet, das Ischtar-Tor und die Prozessionsstraße von Babylon sowie die Mschatta-Fassade.

Grundinstandsetzung und Ergänzung erfolgen nach einem Entwurf des Architekten O.M. Ungers († 2007), für die Ausführung zeichnet die Werkgemeinschaft Pergamonmuseum (siehe Bautafel) verantwortlich.
Unterhalb des Tempiettos ist die künftige Archäologische Promenade im Rohbau fertiggestellt.
Hinter der blickdichten Einhausung verbirgt sich der weltberühmte Pergamonaltar.

Der Masterplan für die Museumsinsel sieht vor, das Pergamonmuseum durch eine unterirdische „Archäologische Promenade“ mit dem Bode-Museum, dem Neuen Museum und dem Alten Museum zu verbinden. Die Grundinstandsetzung und Ergänzung des Bestandes erfolgen nach einem Entwurf des Architekten O.M. Ungers. Der inzwischen verstorbene Architekt hatte im Jahr 2000 einen entsprechenden Wettbewerb gewonnen. Das Vorhaben, dessen architektonische Planung die Werkgemeinschaft Pergamonmuseum übernommen hat, wird in zwei Bauabschnitten realisiert, sodass ein Teil des Museums immer für die Besucher geöffnet bleiben kann. Der erste Bauabschnitt umfasst den Nordflügel und den Mittelbau mit dem Pergamonaltar – weite Teile der Rohbauarbeiten konnten in diesen Bereichen inzwischen abgeschlossen werden.

Was lange währt

Das prägnanteste Merkmal des Umbaus ist der neu vor den Mittelbau gestellte Eingangsbereich im Innenhof. Dieser sogenannte Tempietto bildet die zeitgenössische Interpretation eines Portals. Dieses war – in neoklassizistischer Formensprache – beim Bestandsgebäude ursprünglich vorgesehen, aber nicht verwirklicht worden. Ungers entwarf eine transparente Stahl-Glas-Konstruktion, deren tragende Stahlelemente analog zur Fassade des Pergamonmuseums mit Natursteinplatten aus fränkischem Muschelkalk bekleidet werden sollen. Im zweiten Bauabschnitt soll zum Kupfergraben hin ein weiteres nicht ausgeführtes Element des ursprünglichen Entwurfs in zeitgemäßer Form verwirklicht werden: Ein aufgeständerter Bau wird dann im gleichen gestalterischen Duktus wie das Portal den Nord- und den Südflügel miteinander verbinden. Darin sollen Exponate des sogenannten Ägyptischen Museums untergebracht werden.

Nach der Fertigstellung steht jeder der insgesamt vier Sammlungen je einem der Flügel zur Verfügung. Der Hauptrundgang soll diese miteinander verbinden. Dafür ist im Inneren eine weitere spürbare bauliche Veränderung nötig: Um den Nordflügel entsprechend miteinzubinden, war der Abriss einiger Innenwände und der Bau einer neuen Tragkonstruktion notwendig. Daneben umfasst die Instandsetzung viele Elemente, die für die Museumsbesucher nicht ohne weiteres sichtbar sind: Die Verstärkung der Dachtragwerke und deren neue Verglasung, die Erneuerung der Lichtdecken, die Modernisierung der Klimatechnik sowie die Umsetzung von Vorgaben zur Barrierefreiheit im historischen Bestand.

Gerüste: Schützen und Stützen

Mit schwerem Baugerät zwischen wertvollen Exponaten: Die meisten der fest eingebauten Objekte verblieben während der Bauarbeiten an Ort und Stelle, da eine Demontage höchst aufwändig und risikoreich gewesen wäre. Zum Schutz der Kulturgüter wurden staubdichte, stabile Einhausungen gebaut. Diese basieren auf Systemgerüsten, an denen Kassettenelemente als Protect-Einhausung befestigt wurden.

Für die Baumaßnahmen wurden sehr niedrige Erschütterungs- und Setzungsgrenzwerte festgelegt, die durch ein Monitoringsystem in Echtzeit überwacht werden. Wird einer der Grenzwerte überschritten, werden die Bauarbeiten gestoppt, die Ursachen geklärt und im Zweifelsfall die Arbeitsabläufe umgeplant. Daneben setzt man in bestimmten Fällen auch auf konventionelle Schutzmaßnahmen wie die Sicherung durch Gurte oder Rissmarken über den Fugen von Reliefplatten.

Dachtragwerke und Lichtdecken

Insgesamt sind bei der Sanierung des Pergamonmuseums etwa 700 Tonnen Stahl in Form von Baubehelfen (Gerüsten, Windböcken, Stützkonstruktionen) im Einsatz. Besonders groß ist der Stützaufwand bei der Ertüchtigung der Dachtragwerke, der Erneuerung der für das Tageslichtmuseum nötigen Verglasungen sowie der Lichtdecken. Um die Bausubstanz vor Witterungseinflüssen zu schützen, werden weitspannende Wetterschutzdächer montiert. Die entsprechenden Konstruktionen unterscheiden sich dabei je nach Lage und statischen Gegebenheiten.

Im Pergamonsaal etwa waren Schwerlastgerüsttürme im Inneren nötig, da die Lasten über die Bestandswände nur ungenügend abgetragen werden konnten und vor allem im Bereich des Innenhofs keine Stützkonstruktionen errichtet werden konnten. Das für die Arbeiten am Dachtragwerk nötige Material wurde vorsichtig mit dem Kran über Öffnungen im Wetterschutzdach eingehoben und in einigen Sälen auf großen Schwerlast-Plattformen abgestellt. Durch die komplexen Raumgerüste zum Lastabtrag und zur Schaffung von Arbeitsebenen verwandelten sich einige Gebäudeteile – wie etwa der Pergamonsaal und der Hellenistische Saal – geradezu in einen Stützenwald.

Auf kleinstem Raum

Neben der Aufgabe, bei laufendem Betrieb in der unmittelbaren Nähe von wertvollen Kulturgütern zu bauen, ist bei der Sanierung des Pergamonsmuseums auch die Logistik eine Herausforderung. Die Lagerflächen sind stark begrenzt und müssen je nach Bauphase umgeräumt und neu organisiert werden. Statt der eigentlich nötigen vier Kräne finden auf der verfügbaren Fläche lediglich zwei Platz. Sämtliche Baumaßnahmen können daher erst nach Zuweisung von Lagerflächen und Krannutzungszeiten durchgeführt werden. Änderungen im Bauablauf haben deshalb erhebliche Auswirkungen.

Bautafel

Architektur: O. M. Ungers (2007 verstorben), Berlin (Entwurf); Werkgemeinschaft Pergamonmuseum, bestehend aus: Kleihues + Kleihues, Berlin; Walter A. Noebel, Berlin (2012 verstorben), BAL Bauplanung und Steuerung, Berlin
Projektbeteiligte: PMS, Berlin (Projektsteuerung)
Bauherr: Stiftung Preußischer Kulturbesitz vertreten durch das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
Standort: Bodestraße 1-3, 10178 Berlin
Fertigstellung: 2023 oder 2025 (geplant)
Bildnachweis: BBR / Peter Thieme

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