Ørestad College in Kopenhagen

Lernen ohne Klassenzimmer

Eine Schule ganz ohne Klassen- und Lehrerzimmer ist hierzulande kaum vorstellbar. Dass es nicht nur möglich ist, sondern ausgesprochen gut funktioniert, zeigt der Bau eines Gymnasiums im neuen Kopenhagener Stadtteil Ørestad. Grundlage der Planung war die dänische Gymnasialreform, die von neuen Schulbauten Offenheit und Flexibilität verlangt. Die dänischen Architekten 3XN übersetzten diese Anforderungen in ein Gebäude mit fließenden Räumen, schwebenden Ruheinseln und geschwungenen Treppen.

Fließende Räume, schwebende Ruheinseln und geschwungene Treppen
Die riesige Halle reicht über vier Geschosse
Herzstück des Gebäudes ist die geschwungene Holztreppe

Das fünfgeschossige Ørestad College steht am gleichnamigen Boulevard, südlich der Kopenhagener Innenstadt. Farbige, senkrechte Glaslamellen umhüllen das Gebäude von außen. Sie sind mit Schriftzeichen bedruckt und den Buchrücken einer Bibliothek nachempfunden. An der nördlichen und teilweise auch an der östlichen Fassade sind die Sonnenblenden unbeweglich ausgeführt. Umrahmt werden sie von weißen Brüstungen, der obere Fassadenbereich ist ebenfalls weiß gestaltet. Von der Lamellenfassade setzen sich der etwas zurückgesetzte hausbreite Balkon im vierten Obergeschoss und das ebenfalls zurückgesetzte Erdgeschoss ab, das an drei Seiten raumhoch verglast ist. Auf der Gebäuderückseite grenzt ein flaches Parkhaus an, dessen Flachdach von der Schule als Freifläche genutzt wird, ebenso wie das Dach der Schule, das über einen Steg erreicht wird.

Hinter dem Eingang öffnet sich eine riesige, über vier Geschosse reichende Halle. Mit ihren organisch geformten Einbauten hat sie absolut nichts mit der eher statisch wirkenden Außenhaut des Hauses gemeinsam. In ihrer Mitte liegt die alles erschließende, geschwungene Holztreppe. Als Herzstück des Gebäudes ist sie neben ihrer Erschließungsfunktion vor allem ein Platz zum Verweilen. Über die Treppe gelangen die Schüler auf die vier bumerangförmigen, geschossweise verdrehten Galerieebenen. Getragen werden diese von drei Zylindern, von den Architekten mega columns genannt, in denen sich die Fluchttreppenhäuser, die Toiletten und die Technik befinden.

Anstelle der sonst üblichen Klassenzimmer gibt es zahlreiche Passagen, Öffnungen, Teilräume und Nischen. Nur wenige Bereiche sind abgetrennt, wie etwa für die Verwaltung und einige Fachräume. Andere können mithilfe von Schiebewänden flexibel genutzt werden. Zudem gibt es die geschlossenen, kreisrunden Räume mit den sogenannten Ruheinseln auf ihren Dächern. Hier können die Schüler ihre Pausen auf orangefarbenen oder grünen Sitzkissen verbringen. Als Materialien prägen der schwarze Industriefußboden, das helle Holz der Treppen sowie die weißen Wände und Decken den lichten Innenraum.

Rund 1.000 Schüler im Alter von 16 bis 19 lernen am Ørestad College. Die weitgehend hierarchiefreien Räume sollen ihre Fähigkeit fördern, individuell, aber auch in Teams selbstorganisiert und verantwortlich zu arbeiten.

Akustik
Aufgrund des großen offenen Raumgefüges müsste in der Schule eigentlich eine unerträgliche Geräuschkulisse herrschen. Dank der Akustikdecken, -wände und -böden ist dies aber nicht der Fall. Zur Ermittlung der notwendigen raumakustischen Maßnahmen wurde in der Planungsphase ein Verfahren angewendet, dass eine Hörbarmachung des Raumes unter Berücksichtigung seiner geometrischen und akustischen Eigenschaften ermöglichte. Mithilfe dieses sogenannten Auralisationsprogramms ließen sich genaue Rückschlüsse über die Auswirkungen der verschiedenen Maßnahmen ziehen, was mit konventionellen Mitteln um vieles komplizierter gewesen wäre.

Für die komfortable Raumakustik insbesondere in der über alle Geschosse reichenden Halle kamen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz. Eine abgehängte Akustikdecke aus fein perforierten Metallkassetten sorgt nicht nur für ein optisch ruhiges Erscheinungsbild, sie verfügt auch über gute schallabsorbierende Eigenschaften. Ihre Oberfläche ist einbrennlackiert und pulverbeschichtet. Als Trägerplatte dienen Mineralwolleplatten, die Zwischenschicht besteht aus einem Akustikvlies.

Auf die Wände wurde ein mehrlagiges Akustikputzsystem aufgebracht, das besonders bei mittleren und hochfrequenten Tonlagen wirksam ist. Von den Wänden akustisch abgekoppelt ist der Boden. Entkopplungsmatten unter dem dunklen Magnesit Industriefußboden unterbinden die Schallübertragung zwischen den verschiedenen Raumbereichen. Die Ruheinseln sind mit einem schwarzen Teppichboden belegt, der ebenfalls zur Schalldämpfung beiträgt und außerdem eine wohnliche Atmosphäre erzeugt.

Bautafel

Architekten: 3XN Architekten, Kopenhagen
Projektbeteiligte: Søren Jensen, Kopenhagen (Statik); Helle Mathiasen, Århus (Pädagogische Beratung); Frederik Wiuff (Akustik); Odeon, Kongens Lyngb (Berechnungssoftware); Dampa, Tommerup (Akustikdecken)
Bauherr: Gemeinde Kopenhagen
Fertigstellung: 2007
Standort: Ørestads Boulevard 75, 2300 Kopenhagen
Bildnachweis: Adam Mørk, 3XN Architekten

Fachwissen zum Thema

Norm-Schallpegeldifferenz (Längs-Schalldämmung) einer Mineralfaser-Unterdecke mit und ohne rückseitiger Beschichtung

Norm-Schallpegeldifferenz (Längs-Schalldämmung) einer Mineralfaser-Unterdecke mit und ohne rückseitiger Beschichtung

Decken

Abgehängte Unterdecken - Systeme

Membranabsorber

Schallabsorption

Membranabsorber

Eine Langfeldplatten-Decke aus der Serie

Eine Langfeldplatten-Decke aus der Serie

Schallabsorption

Schallabsorbierende Metalldecken

Böden

Weichfedernde Beläge

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de