Rathaus in Deventer

Eichenholzrahmen und Aluminiumgitter auf der Basis von Fingerabdrücken

Von den knapp 100.000 Einwohnern der niederländischen Gemeinde Deventer findet fast jeder Vierzigste seinen Fingerabdruck auf der Fassade des neuen Rathauses der Stadt wieder: Unterschiedlich stark vergrößert, in Aluminium gegossen und in Eichenholz gerahmt bilden die 2.264 Identitätsmerkmale der Bürger der Stadt die Fassaden des Neubaus. Sie sind das Werk der Künstlerin Loes ten Anscher. Der Entwurf für das Gebäude stammt von den Architekten Willem Jan Neutelings und Michiel Riedijk.

Seine Fassade wird aus Eichenholzrahmen mit Gittern aus Aluminium gebildet
Der Neubau entwickelt sich vom Grote Kerkhof in die Tiefe des Blocks bis hindurch zur Bursestraat (Südostansicht)
Mit dem neuen Rathauskomplex integrierten die Architekten ein recht großes Volumen klug in die kleinteilige Struktur der historischen Altstadt

Mit dem neuen Rathauskomplex integrierten die Architekten ein recht großes Volumen klug in die kleinteilige Struktur der historischen Altstadt, verbanden es mit den historischen Gebäuden am Platz und ergänzten das vorhandene städtische Wegesystem. Der Neubau erweitert die in den Bestandsbauten vorhandenen 4.000 Quadratmeter Nutzfläche um rund 20.000 weitere Quadratmeter, sodass von nun an die über Stadt verteilt gewesenen kommunalen Dienstleitungen alle hier versammelt sind.

Am Grote Kerkhof, der von der mittelalterlichen Kirche Deventers dominiert wird, hat die neue Stadtverwaltung ihr Eingangsgebäude und entwickelt sich von hier aus in die Tiefe des Blocks bis hindurch zur Bursestraat. Der Bürgermeisterhof hinter dem alten Stadthaus wurde ebenso integriert wie die Gartenhöfe der Wohnhäuser an der Assenstraat und der Polstraat. Der neu geschaffene Binnenraum des im Hof platzierten großen Neubaus wurde als dreigeschossiges Atrium ausgebildet, zu dem sich im Erdgeschoss die Tresen der Verwaltung öffnen. Er ist der große offene und öffentliche Raum der Verwaltung, der von allen vier Seiten des Blocks betreten werden kann und damit allen Passanten auch als Durchwegung und Abkürzung auf den alltäglichen Wegen durch die Innenstadt dient.

Die beiden Obergeschosse des Neubaus sind mit den integrierten Bestandsgebäuden verbunden und nehmen vor allem die zahlreichen Büros der Mitarbeiter der Verwaltung auf. Unter dem hohen, zurückgesetzten Mansarddach am Grote Kerkhof befindet sich die Kantine. Hierhin führen aus den rückwärtigen Gebäudetrakten auch oberirdische Wege so breit wie Dachterrassen, die sich hinter der hohen Attika zum Grote Kerkhof und entlang des Bürgermeisterhofs verbergen.

Fassade
Die Fassade des Neubaus, die inmitten der historischen Fassaden des Grote Kerkhof – zwischen backsteinernem Schweifgiebel, klassizistischer Strenge und gegenüber sakraler mittelalterlicher Wucht – bestehen muss, entwickelten die Architekten in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Loes ten Anscher. Unterschiedlich große rechteckige Eichenholzrahmen sind in Reih' und Glied neben- und übereinander montiert und fassen jeweils ein Gitter aus Aluminium. Grundlage für die kurvige Linienstruktur der Gitter sind die Fingerabdrücke der Bürger der Stadt Deventer. Strukturell sind die Muster einander sehr ähnlich, aber im Detail gleicht keines einem anderen – und das nicht aus Willkür, sondern weil es in der Natur der Sache liegt.

Für das Rahmenwerk wurden von 2.264 Freiwilligen Fingerabdrücke genommen, digitalisiert und unterschiedlich stark vergrößert. Die Linienzeichnungen wurden auf weiche, ausgewalzte Tonplatten übertragen, ausgeschnitten und anschließend per Hand leicht in Form geknetet. Einzeln in flachen Holzkästen ausgelegt brachte man sie in die Gießerei, wo die Kästen mit Formsand ausgegossen wurden. Nach dem Aushärten des Sandes wurde der Ton ausgekratzt und 980°C heißes Aluminium in die Form gegossen. Die so hergestellten Abgüsse wurden nach dem Abkühlen geschleift und auf die Baustelle gebracht. Erst nach der Montage der Fassade aus den verglasten Eichenholzrahmen in fünf Größen fügte man von außen das jeweils vorbestimmte Aluminiumgitter hinein.

Ein großer Teil der Außen- und der Innenfassaden wird aus diesen transparenten, einem vergitterten Fenster nicht unähnlichen Rahmen gebildet, während die flankierenden Volumen zur Bursestraat und zu den Höfen der Wohnhäuser massive Außenwände haben und mit rotbunten Ziegeln verkleidet sind.

Bautafel

Architekten: Neutelings Riedijk Architecten, Rotterdam
Projektbeteiligte: Adviesbureau voor Bouwtechniek, Velp (Ingenieure); Aronsohn Constructies Raadgevende Ingenieurs, Rotterdam (Tragwerksplanung); DGMR Raadgevende Ingenieurs, Arnhem (Bauphysik); Hiensch Engineering, Amsterdam (Gebäudetechnik); Bosch Slabbers tuin en landschapsarchitecten, Middelburg (Landschaftsarchitekten)
Bauherr: Stadt Deventer
Fertigstellung: 2016
Standort: Grote Kerkhof 1, Deventer, Niederlande
Bildnachweis: Scagliola Brakkee, Rotterdam/© Neutelings Riedijk Architecten, Rotterdam

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