Philosophicum in Frankfurt am Main

Umgestaltung eines Baudenkmals der Nachkriegsmoderne

Es war das erste Hochhaus auf dem Campus der Goethe-Universität im Frankfurter Stadtteil Bockenheim: Mit knapp 80 Meter Länge und lediglich 10,58 Metern Tiefe stellt der neungeschossige Stahlskelettbau des Philosophicums ein bedeutendes Baudenkmal der Nachkriegsmoderne dar. Nach Plänen des Architekten Ferdinand Kramer wurde das Hochschulgebäude in den Jahren 1958-1960 errichtet. Eine Besonderheit war das außen liegende Tragsystem aus stählernen Doppel-T-Stützen, die für einen stützenfreien und flexiblen Innenraum sorgen. Städtebaulich und architektonisch war der Bau in seiner Entstehungszeit umstritten, da die „Rückseite“ mit Treppentürmen und Fluren der Straße, die östliche Schauseite dem Unicampus und der Stadt zugewandt war. Später traten die für zahlreiche Nachkriegsbauten typischen Mängel auf. Ein ursprünglich innovatives Heiz- und Kühldeckensystem wurde nach seinem Defekt nicht instand gesetzt, sodass den Studierenden im Winter bitterkalt und im Sommer unerträglich heiß war. Die Instandhaltung durch das Universitätsbauamt beschränkte sich auf das Nötigste – mit der Standortverlegung 2001 auf den neuen Campus Westend stand der Bau leer und verwahrloste zunehmend.

Das denkmalgeschützte Philosophicum erhielt eine neue Fassade in Anlehnung an das Original (Ostansicht)
Durch die Erweiterung im Westen schlossen Stefan Forster Architekten den Blockrand (Ansicht von Süden)
Fassade des Neubaus mit den dahinter liegenden alten Treppentürmen: Insgesamt wurden 238 sogenannte Mikroapartments untergebracht

Eine Umnutzung für Wohnzwecke bestätigten Gutachten als unwirtschaftlich, für gewerbliche Zwecke fehlte ein Investor, einen Abriss konnte nur der Denkmalschutz verhindern. Eine Initiative zur Erhaltung, Sanierung und einem Umbau in Wohnungen, Kita und Café scheiterte letztlich an der Finanzierung. 2014 schließlich erwarb der private Investor Rudolf Muhr, der bereits in mehreren Hochschulstädten Immobilien mit Studentenwohnungen betreibt, das Baudenkmal und beauftragte Stefan Forster Architekten mit dessen Umgestaltung in sogenannte Mikroapartments. Neben der Transformation waren die baukonstruktiven und bauphysikalischen Defizite zu kompensieren.

Das Konzept wurde in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalschutzbehörde erarbeitet – trotz der anderen Nutzung sollte möglichst viel von der Originalsubstanz und der ursprünglichen Gestaltungsidee erhalten bleiben. Einer Erweiterung des Bestands durch einen Anbau wurde aber zugestimmt. Forster führte diesen als Riegel aus, der die Flucht des Straßenzuges aufnimmt, und dessen Höhe sich am bestehenden Blockrand orientiert. Nun überragt das alte Philosophicum den Neubau und bleibt im Stadtraum wahrnehmbar, ist in diesen aber eingebunden. Im Grundriss des Anbaus spiegelt sich die Struktur des Altbaus: Die Erschließungsflure liegen einander gegenüber, die Apartments im Neubau orientieren sich zur Straße und die einst dorthin gerichteten Treppenhäuser verbinden alt und neu. Bei der Konstruktion orientierten sich die Architekten ebenfalls am historischen Vorbild und verzichteten auf tragende Wände und Stützen im Inneren des Gebäudes. Außen liegende Stützen und Treppenhäuser sorgen für maximale Freiheit im Grundriss. So konnten 238 Mikroapartments (174 im Bestand und 64 im Neubau) in das Raster eingefügt werden.

Bauphysik

Obwohl die Ostfassade gestalterisch von großer Bedeutung war, stellte ihr Erhalt sich im Zuge weitergehender Untersuchungen als unmöglich dar. Die gerade einmal 55 Millimeter starken Fassadenpaneele konnten heutigen Anforderungen in Bezug auf den Wärme-, Feuchte-, Schall- und Brandschutz nicht annähernd gerecht werden; Kältebrücken und Tauwasserbildung waren nicht in den Griff zu bekommen. Zudem war ein großer Teil der Fenster defekt: Die ehemals verlöteten Rahmen waren undicht, die Profile der Fenster für das Gewicht der nachgerüsteten Zweifach-Verglasung unterdimensioniert und dadurch verformt.

So wurde entschieden, eine optisch identische Fassade zu entwickeln – ein Aufwand, der sich nur durch den Status als Baudenkmal rechtfertigen ließ. Aus der ehemaligen Curtainwall wurde eine Stahlrahmenkonstruktion mit Füllungen aus nicht tragenden Leichtmetallpaneelen. Die neuen, knapp 180 Millimeter starken Fassadenelemente bestehen aus thermisch getrennten Profilen mit Isolierverglasung. Zur Aufnahme von Windkräften wurde die Fassade innenseitig durch eine Stahlunterkonstruktion verstärkt. Eine zusätzliche Dämmebene aus Mineralwolle wurde aufgebracht und mit einer feuchtevariablen Dampfbremse und einer zweilagigen Verkleidung aus Gipskarton versehen.

Als Sonnenschutz wurden an der Außenseite die gleichen Aluminium-Raffstore angebracht, die Ferdinand Kramer wenige Jahre nach Errichtung des Gebäudes nachgerüstet hatte. Den Vorteil der außen liegenden Stahlstützen in Bezug auf die Grundrisse relativiert ein entscheidender Nachteil dieses Konstruktionsprinzips: Ohne thermische Trennung verläuft die horizontale Tragstruktur ins Gebäude. Die entstehenden Kältebrücken mussten entsprechend gedämmt und mit einem zeitgemäßen Feuchte- und Brandschutz versehen werden.

Anhand der alten Brandversuche aus den 1950er-Jahren ließ sich erneut nachweisen, dass eine ausreichende Standsicherheit im Brandfall gewährleistet ist, ohne die außen liegenden Stahlstützen zu ertüchtigen – im Gegensatz zur innen liegenden Stahlkonstruktion. Deren Stahlbauteile erhielten je nach Anforderung eine mehrschichtige Verkleidung. Zunächst wurden die Stahlprofile mit Mineralwolle (Schmelzpunkt >1.000 C°) ausgedämmt und mit feuerfesten Gipsplatten ummantelt, um den notwendigen Brandschutz herzustellen. Darauf wurde eine Unterkonstruktion aus C-Profilen montiert, die wiederum mit Mineralwolle gedämmt wurden, um den Anforderungen des Wärmeschutzes zu genügen. Aus Gründen des Feuchte- und Schallschutzes wurde abschließend eine feuchtevariable Dampfbremse zwischen Dämmung und einer Innenverkleidung aus zwei Lagen Schallschutzplatten (insgesamt 25 mm) aufgebracht. Trockenbauverkleidungen wurden in Längsrichtung zur Verbesserung des Schallschutzes zwischen den einzelnen Apartments mit Fugen getrennt, vorhandene Bauteilbewegungen in den Decken mit gleitenden Deckenanschlüssen aufgenommen.

Bautafel

Architekten: Stefan Forster Architekten (Sanierung und Neubau 2017), Ferdinand Kramer, Frankfurt am Main (1898-1985; Entwurf des Bestands von 1960)
Projektbeteiligte: Nina Bölinger (Projektleitung), Jelena Duchrow, Ildikó Návay, Nora Vitale, Anna Reeg, Wiebke Nolte, Sandra Klepsch (Mitarbeiter Architekturbüro); B+G Ingenieure Bollinger und Grohmann, Frankfurt (Statik, Fassadenplanung, Bauphysik)
Bauherr: RMW Wohnungsgesellschaft Frankfurt II
Fertigstellung:
2017
Standort: Gräfstraße 74, 60486 Frankfurt am Main
Bildnachweis: Lisa Farkas, Frankfurt am Main; © Kramer Archiv/ Foto: L. Kleinhans (Bestandsfotos)

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