Patchworkhaus in Müllheim

Luftkollektor-Gebäudehülle und Biomasse-Fernwärme

In einer Wohnsiedlung am Rande der baden-württembergischen Stadt Müllheim hebt sich ein Gebäude deutlich von der umgebenden Bebauung ab. In Form zwar ein klassisches Wohnhaus mit Satteldach, ist die Außenhülle aus Polykarbonatplatten alles andere als typisch. Das tritt besonders bei Dunkelheit in Erscheinung, wenn die Innenbeleuchtung durch das milchig-durchsichtige Material von Dach und Wänden schimmert. Die Wahl für dieses Material beruht aber nicht auf seinem ungewöhnlichen Aussehen, sondern ist wichtiger Bestandteil des Energiekonzeptes.

Die massiven Giebelseiten (aus Leichtbetonsteinen)
In der Dämmerung sind die hinterleuchteten transparenten Luftkollektor-Elemente gut zu erkennen
In seiner Form fügt sich das Haus in die umgebende Bebauung

Die Planung stammt von dem Architekten Günter Pfeifer, der es gemeinsam mit einem Freiburger Architektenteam entwickelte. Es ist ein Gegenentwurf zum Konzept der hochgedämmten Gebäude, denn auf künstliche Dämmstoffe und komplexe Haustechnik wurde verzichtet. Stattdessen bilden Dachflächen und Seitenwände einen komplexen Luftkollektor. Die Giebelwände bestehen aus einschaligem Mauerwerk aus Leichtbetonsteinen; die traufständigen Wände und die Dachflächen wurden in Massivholz in Brettstapelbauweise ausgeführt.

Hinter der schlichten Fassade verbirgt sich ein variables Nutzungskonzept, das dem Gebäude auch den Namen Patchworkhaus gab. Mit einer Wohnfläche von 450 m², die sich auf dreieinhalb Ebenen verteilen, können zwei bis drei Parteien unter einem Dach in eigenen Rückzugsbereichen leben. Von der gemeinsam zu nutzenden Halle im Erdgeschoss, die gleichzeitig als Treppenhaus dient, führen gegenläufige gerade Treppen zu den separaten Wohnbereichen im Obergeschoss. Die Raumaufteilung ermöglicht allen Bewohnern ähnliche Lichtverhältnisse. Im Dachgeschoss befinden sich noch zwei Aufenthaltsräume.

Energiekonzept
Das Energiekonzept beruht auf der passiven Nutzung solarer Wärme über die Hüllflächen und der Speichermasse der Bauteile. Die solarthermischen Luftkollektoren vor den Holzbrettstapelelementen auf der West- und Ostseite des Gebäudes bestehen im Detail aus 6-Kammer-Polycarbonatplatten mit 16 cm Luftzwischenraum. Die Platten besitzen einen U-Wert von 1,15 W/m²K. Diesen Wert senkt im Winter die innenseitig stehende Luftschicht zusätzlich ab.

Die warme Luft aus den Luftkollektoren, sammelt sich im Dachspitz. Über einen Kanal des mehrzügigen Schornsteins befördert ein Ventilator die warme Luft zurück in die Erdgeschosshalle – Energiegarten getauft – und erwärmt dort die Luft. Die anliegenden Bauteile nehmen die Wärme mit ihrer Speichermasse auf. Die Zonierung, der zentrale Energiegarten und die Kollektorhüllflächen senken den Heizenergiebedarf so weit, dass eine Heizung als Bauteilaktivierung in den Betondecken ausreicht. Die im Winter benötigte Zusatzwärme für Heizung und Warmwasser liefert ein Nahwärmenetz. Es wird von einem Holzhackschnitzelheizwerk gespeist. Die Wärmeverteilung erfolgt über die Bauteilaktivierung der Betondecken. Nach zehn Jahren, nach der Abnehmpflicht für das Nahwärmenetz, kann ein wasserführender Holzkaminofen die Bauteilaktivierung übernehmen. Zusätzlich sind in den beiden Dachspitzräumen Flächen und Installationen für Wasserkollektoren vorgehalten.

Im Sommer strömt die unerwünschte Warmluft von innen über sechs motorisch bewegte Dachfenster im Dachfirst nach außen. Der dadurch erzielte Unterdruck öffnet zugleich eine Rückschlagklappe im Sockelbereich der Luftkollektoren. Sie können zusammen mit der Regenrinne die Funktion einer Zuluftöffnung übernehmen. Die Regelung der Lüftung erfolgt von Hand durch die Bewohner. Auf eine elektronische Regelung wurde bewusst verzichtet.

Bautafel

Architekten: Pfeifer Kuhn Architekten, Freiburg
Projektbeteiligte: Greschik + Falk + Partner, Berlin (Tragwerk); Delzer Kybernetik, Lörrach (Energiekonzept); Balck + Partner, Heidelberg (Planung Haustechnik); Zimmermann-Bau, Müllheim (Rohbau); Holzbau Baumer, Siemeonswald (Zimmereiarbeiten); RS-Bauelemente, Irslingen (Fassade)
Bauherr: Dr. Claudia Daubenberger, Müllheim
Fertigstellung: 2005
Standort: Müllheim, Rheintal
Bildnachweis: Fotostudio Ruedi Walti, Basel/CH; Pläne: Pfeifer Kuhn Architekten, Freiburg

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