Ohboy Hotel und Wohnhaus in Malmö

Schottenbau für Fahrradfahrer

Wo in Malmö einst Werften und Industrie zu Hause waren, entsteht derzeit ein neuer Stadtteil zum Wohnen und Arbeiten. Der ehemalige Westhafen eignet sich, dank seiner Nähe zur Innenstadt, für Architekturkonzepte, die vom Fahrrad als Hauptverkehrsmittel der Bewohner ausgehen. Wie ein Wohngebäude gestaltet werden sollte, das optimale Bedingungen für Fahrradfahrer schafft, zeigt das Apartmenthaus und Hotel Ohboy der ortsansässigen Architekten Hausschild + Siegel.

Sportliche Bewohner können sich direkt vor dem Gebäude im Skatepark austoben
Der Wechsel von offenen und geschlossenen Flächen sowie Vor- und Rücksprüngen lässt die Fassade lebendig erscheinen
Trotz Fertigteilbauweise erinnert das Gebäude nicht an einen typischen Plattenbau

Der lang gestreckte Baukörper erhebt sich in unmittelbarer Nachbarschaft eines Skateparks. In seinem Souterrain und Erdgeschoss sind die Hotelzimmer auf Split-Levels untergebracht. Jedes der 31 Gästeräume wird, wie ein winziges Reihenhaus, auf einer der beiden Längsseiten unmittelbar von außen erschlossen. Darüber sitzen die Wohnungen, die in den Stockwerken eins bis vier eingeschossig, in der fünften und sechsten Etage als Maisonetten gestaltet sind. Ganz oben ist in Holzbauweise die sogenannte Orangerie aufgesetzt – ein gemeinschaftlich genutzter Raum für Veranstaltungen und Austausch.

Die Architekten, die bei diesem Bau auch als Projektentwickler fungierten, entwickelten das Konzept von Grund auf so, dass es den Bedürfnissen von Radlern entspricht. Anstelle teurer Stellplätze für Autos  – wie sie das schwedische Baurecht eigentlich vorsieht – gibt es eine große Fahrradgarage. Die Oberflächen sind zum Befahren geeignet und leicht zu reinigen, Türen und Erschließungsflächen, wie etwa Laubengänge, sind breiter als gewöhnlich. Aufzugtüren öffnen auf beiden Seiten, sodass das Gefährt nicht gewendet werden muss. Dadurch gelangen die Bewohner der oberen Geschosse sogar mit einem Lastenfahrrad bis vor die eigene Wohnungstür und können dort ihre Einkäufe bequem ausladen.

Die Obergeschosse werden durch ein zentrales Treppenhaus erschlossen, dessen Eingang zwischen den Hotelzimmern mittig in der Erdgeschossfassade sitzt. Von dort erreichen die Bewohner über Stufen oder einen Aufzug die rückwärtig gelegenen Laubengänge. Die wurden mit sägeblattförmigem Grundriss und entsprechenden Vertiefungen in der Fassade geplant, um Stellplätze für das kurzfristige Abstellen von Fahrrädern zu schaffen. Im Inneren legten die Architekten Wert auf lokale und authentische Materialien: Neben anthrazitgrauen Sichtbetonwänden ist massives Eschenholz das prägende Material des Innenausbaus. Zudem finden sich speziell für das Hotel- und Apartmenthaus entwickelte Möbel- und Leuchtendesigns. Den finanziellen Spielraum für diese besonderen Details schufen der Verzicht auf die Tiefgarage und die wirtschaftliche Bauweise mit Fertigteilen.

Von den Einsparungen profitiert hat auch die Infrastruktur rund um das Fahrrad. So bietet das Gebäude unter anderem auch Stationen zum Aufpumpen, Reparieren und Säubern von Fahrrädern, Lösungen zum dekorativen Verstauen der teureren Drahtesel in der eigenen Wohnung, eine Mietradstation mit Lastenrädern und Carsharing. Den Anspruch, Wohnen mit einem nachhaltigen Lebensstil zu verbinden, unterstreicht die ansprechende Außenraumgestaltung mit ihrer abwechslungsreichen Bepflanzung.

Beton

Für den Rohbau wählten die Planer eine Schottenbauweise mit vorgefertigten Bauteilen. Von außen entsteht mit gewissen Rhythmen von offenen und geschlossenen Flächen, Vor- und Rücksprüngen sowie vorgesetzten Elementen ein lebendiges Fassadenbild, das den Gedanken an typische Plattenbauten nicht aufkommen lässt.

Bei den Bauteilen für die Außenwand handelt es sich um meist geschosshohe Sandwichelemente mit 15 cm tragender Innenschale, 20 cm Dämmung und 7 cm Außenschale. Die tragenden Trennwände zwischen den Wohnungen sind 20 cm dick. Darauf ruhen die Filigrandecken. Auch die Haupttreppe wurde mit Betonfertigteilen erstellt.

Ungewöhnlich für ein Wohnhaus in Betonfertigteilbauweise ist, dass die Trennwände aus anthrazitfarbenem Beton im Inneren sichtbar belassen wurden. Nach dem Einbau wurden die Oberflächen, bei denen die Fügung verschiedener vorgefertigter Bauteile deutlich ablesbar ist, lediglich gesäubert. In den Maisonettewohnungen wurden die Wandbauteile im Werk sogar mit einem Reliefband versehen, das zwei Kreise unterschiedlicher Größe im Wechsel zeigt. -chi

Bautafel

Architekten: Hausschild + Siegel Architecture, Malmö / Kopenhagen / Hamburg (Team: Cord Siegel, Axel Hausschild, Martin Svensson, Andreas Gustavsson, Ingrid Wingårdh, Hanna Larsson, Ellen Mendel-Hartvig, Malin Bosru)
Projektbeteiligte: Structor Bygg, Malmö (Rohbau); Hausschild+Siegel / Ola Nielsen, Malmö (Landschaftsarchitektur); Branders Snickeri, Malmö (Holzbau)
Bauherr: Hausschild + Siegel Real Estate, Malmö
Standort: Lilla Varvsgatan 24, 211 75 Malmö
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Ole Jais

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