NS-Dokumentationszentrum in München

Rundum weißer Sichtbeton und thermisch aktivierte Geschossdecken

Dort, wo einst die Nationalsozialisten ihre Parteizentrale hatten, erhebt sich heute das scharfkantig weiße Sichtbetongebäude des NS-Dokumentationszentrums München. Es entstand nach Plänen der Berliner Georg Scheel Wetzel Architekten an der Brienner Straße und hat die Form eines Würfels mit einer Seitenlänge von 22,50 Metern. Schmale, hohe Fensterschlitze in präziser Reihung geben gezielte Ausblicke in die geschichtsträchtige Umgebung am Königsplatz frei, die ab 1933 systematisch von den Nationalsozialisten zum Parteiviertel umgebaut wurde. So befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der ehemalige „Führerbau", der nun die Hochschule für Musik und Theater beherbergt. Der markante helle Kubus selbst steht auf der Fläche des früheren Palais Barlow, das bis 1944 als „Braunes Haus“ Hauptsitz der NSDAP war und nach Kriegsende abgerissen wurde. Jetzt setzt der Neubau mit seiner asymmetrischen Fenstergliederung und der sachlich-strengen Betonfassade einen städtebaulichen Akzent innerhalb des axialen Platzgefüges mit seinen Natursteinbauten.

Ansicht Südwest von der Brienner Straße: im Hintergrund der ehemalige „Führerbau", heute genutzt durch die Hochschule für Musik und Theater
Von Westen: Eingang mit vorgelagerter Freiterrasse
Foyer im Erdgeschoss

Die Architekten hatten bereits 2009 den Realisierungswettbewerb um den Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus für sich entschieden. Ihr sechsgeschossige Betonbau ist nur oberirdisch ein Würfel – einige Räume wie ein Vortragssaal, ein Café, die Bibliothek, Seminarräume, Garderobe und WCs sowie Lager und Depots finden auf zwei unterirdischen Ebenen Platz. Besucher betreten das Dokumentationszentrum durch den verglasten Eingang von der Freiterrasse auf der Westseite und gelangen in ein über zwei Etagen reichendes Foyer mit Kasse, Informationstresen und kleinem Buchladen. Der Erschließungskern ist asymmetrisch im Raum positioniert: Ein breiter, offen konzipierter Treppenaufgang und ein Personenaufzug führen die Besucher zu den oberen vier Ausstellungsebenen, die jeweils durch einen Luftraum verbunden sind.

Der Besucherrundgang beginnt auf der vierten Etage. Die zweigeschossigen Lufträume liegen jeweils versetzt an den Gebäudeecken. Hohe, große Fenster auf allen vier Seiten erlauben Ausblicke auf die Stadt; in der Fassade ist dies an den vertikalen Betonlamellen ablesbar. Die grundlegenden Ausstellungsinhalte – Informationen vom Ende des ersten Weltkriegs über die Weimarer Republik, die NS-Zeit bis hin zu neonazistischen Bewegungen unserer Tage – werden an frei im Raum verteilten Leuchtkästen und -tischen vermittelt. Im fünften Obergeschoss befinden sich Büros und Sozialräume für die Direktion und die Mitarbeiter; es wird über einen weiteren Aufzug und ein zentrales innen liegendes Treppenhaus erschlossen.

Bauphysik
Sowohl die monolithische Bodenplatte als auch die Außenwände des Untergeschosses bestehen aus WU-Beton. Die unterirdischen Wände sind außenseitig gedämmt; der scharfkantige Würfel darüber ist als zweischalige Stahlbetonkonstruktion errichtet. Verwendet wurde ein Weißbeton aus weißem Zement, Titandioxid und besonders hellem Sand, der die hohen Anforderungen an die sichtbaren Oberflächen nach innen und außen erfüllt. Die Verglasungen sind Kastenfensterkonstruktionen aus lackierten Stahlprofilen mit hinterlüftetem Zwischenraum. Das Dach ist ebenfalls eine Stahlbetonkonstruktion. Die Dämmebene besteht aus Schaumglasplatten, es folgt eine bituminöse Abdichtung; den oberen Abschluss bilden Platten aus Weißbeton als fünfte Fassade. Die Decken im Gebäude sind Flachdecken aus Stahlbeton. Nur der zweigeschossige, stützenfreie Vortragssaal (ausgelegt für 200 Personen) unterhalb der Terrasse erhielt eine Decke mit Unterzügen.

Die Beheizung und Kühlung des Gebäudes erfolgt über thermisch aktive Betondecken mittels wasserdurchflossener Register in Modulbauweise. Das Rohrsystem bildet einen geschlossenen Wasserkreislauf, über den die Betonspeichermasse beheizt oder gekühlt wird. Eine zentrale Klimaanlage mit Wärmerückgewinnung sorgt für ausreichend Frischluft. Das gesamte Gebäude (2. UG bis 4. OG) ist mit einem Rauchansaugsystem und einer Niederdruckwassernebellöschanlage ausgestattet. Räume für haustechnische Anlagen befinden sich im zweiten Untergeschoss. Unter der Decke in den Fluren dieses Geschosses liegt die Hauptverteilung der verschiedenen Medien wie Trinkwasser, Heizung, Kälte und Sprinkler. Ihre Verteilung erfolgt grundsätzlich aus den Steigsträngen im Erschließungskern horizontal über die einzelnen Geschossdecken im Hohlraum eines Systembodens.

In den Foyer- und Ausstellungsräumen, den Seminar- und Pausenräumen, im Veranstaltungssaal und dem Vertiefungsbereich bzw. der Bibliothek waren raumakustische Maßnahmen erforderlich, um die Nutzergeräusche zu reduzieren und eine angemessene Hörsamkeit sicherzustellen. Im Foyer und den Ausstellungsbereichen sind Sichtbetonflächen vorherrschend, die aus ästhetischen Gründen und aufgrund der Bauteilaktivierung akustische Maßnahmen nur eingeschränkt zuließen. Schallabsorbierend wirken mikroperforierte Metalldeckenstreifen an der Decke, in die Bauteile zur technischen Überwachung, die Beleuchtung sowie Medien- und Stromanschlüsse integriert wurden. Zusätzlich wurde teilweise die Möblierung (Empfangstresen), die Brüstungen entlang der Lufträume sowie einzelne Wände in den Untergeschossen mit akustisch wirksamen, mikroperforierten Holzplatten versehen. Diese sind im hellen Farbton der Sichtbetonoberflächen lackiert. Die Aufenthaltsräume in den Untergeschossen – also Veranstaltungssaal, Bibliothek und Seminarräume – sind vollständig mit Holz bekleidet: Eichenparkett auf den Böden, Tafeln aus Holzfurnier an den Decken und mirkroperforierte Furnierplatten zur Schallabsorption an den Wänden. (us)

Bautafel

Architekten: Georg Scheel Wetzel Architekten, Berlin
Projektbeteiligte:
Wenzel + Wenzel, München (Objektüberwachung); Lammel, Lerch & Partner, Regensburg (Statik); Weidinger Landschaftsarchitekten, Berlin (Landschaftsplanung); ZWP, München (Gebäudetechnik TGA); Xaver Riebel, Mindelheim (Bauunternehmer); Dyckerhoff, Wiesbaden und Heidelbergcement (Sichtbeton); Deutsche Foamglas, Hilden (Dachdämmung)
Bauherr:
Landeshauptstadt München
Fertigstellung:
2015
Standort:
Brienner Straße 34, 80333 München
Bildnachweis: Stefan Müller, Berlin

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Bei einem Gebäude treten Wärmeströme vom beheizten zum unbeheizten Innenraum bzw. dem Außenraum auf (Abb.: ehem. Zollverein School of Management and Design in Essen, Sanaa, 2006).

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