Nordwesthaus in Fußach

Eisblumenglas auf Beton

Nicht nur die Doppelnutzung als Clubraum und Bootshaus ist ungewöhnlich - auch das Lichtspiel auf der Glasfassade mit dahinter liegendem, frei geformtem Beton macht das Nordwesthaus von Baumschlager und Eberle einzigartig. Als neuer Treffpunkt am Hafen konzipiert, steht es neben Anlegestellen und Liegeplätzen am Bodensee in Fußach. Mit seiner geometrischen Form bildet der 7 m breite und 14 m hohe Kubus einen starken Kontrast zur umliegenden Naturkulisse aus Schilfgürteln und Bäumen.

Auf dem Eisblumenglas zeichnet sich die frei geformte Tragstruktur aus Beton ab
Symbiose aus Glas und Beton
Detailaufnahme Fassadenbefestigung

Bis zur Grenze des statisch machbaren ist die Tragstruktur aus Ortbeton aufgelöst, um durch die äußere Hülle aus transluzentem Glas ein Maximum an Belichtung ins Innere des Hauses zu bringen. Eine Kristallstruktur im Glas verhindert, dass Hülle und Kern scharf kontrastieren. Durch die Form der Tragstruktur und die besonderen Gläser entsteht zu jeder Tageszeit eine andere Beleuchtungssituation. Nachts sorgen 1.500 einzeln ansteuerbare LEDs für ein leuchtendes Schauspiel auf der Außenhülle.

Im Erdgeschoss befindet sich auf Wasserniveau die Bootsgarage. Von hier gelangen die Besucher über eine schlichte Betontreppe ins Zentrum des Nordwesthauses - den 8,80 m hohen Clubraum.

Fassade/Glas

Für die Herstellung des Glases wurde eine alte Verfahrenstechnik neu belebt. Nach dem Patent Nr. 24329 des Kaiserlichen Patentamtes von 1883 wird das so genannte Eisblumenglas zunächst sandgestrahlt und dann mit warmem Knochenleim bestrichen. Bei der Trocknung reißt der Leim durch Schrumpfen unregelmäßige Stückchen aus der Glasoberfläche - das unregelmäßige Eisblumenmuster entsteht.

Das transluzente Glas mit eingeschränkter Durchsicht wird ohne Verwendung von Farben oder anderen Fremdprodukten hergestellt. Seine mit großen und kleinen Ausmuschelungen aufgebrochene Oberflächenstruktur ist nur partiell beeinflussbar und erzeugt ein kühles aber lebendiges Erscheinungsbild. Kleine, matte Stellen sind unvermeidbar. Jedes Glas ist ein Unikat. So variantenreich wie die Struktur des Glases ist auch seine lichtstreuende Wirkung. Unterschiedlich starke Lichtreflexe entstehen nicht nur in der Ansicht des Glases, auch hinter der Glasoberfläche bilden sich Licht- und Schattenzeichnungen ab.

Verwendet wird vorzugsweise Floatglas in allen erhältlichen Glasdicken. Die statischen Biegezugfestigkeiten nach DIN EN 1288 Teil 3 wurden im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Fachhochschule München getestet.

Bautafel

Architekten: Baumschlager Eberle, Lochau
Projektbeteiligte: GMI Ing. Peter Messner, Dornbirn (Konzept Haustechnik); Mader + Flatz, Bregenz (Tragwerksplanung); Oberhauser-Schedler Bau, Andelsbuch (Hochbau); Glas Marte, Bregenz (Glashersteller); Ledon Lighting, Lustenau (Beleuchtung)
Bauherr: Hafen Rohner GmbH
Fertigstellung: 2008
Standort: Hafen, Fußach in Österreich
Bildnachweis: Baumschlager Eberle / Ines Leong und Eduard Hueber/archphoto.com, New York

Fachwissen zum Thema

Im Rasterelektronenmikroskop (750 x Vergrößerung) sind die scharfen Mikroschädigungen auf der gesandstrahlten Glasoberfläche deutlich erkennbar

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Glasbearbeitung

Sandstrahlen von Glas

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