Nebuta-Museum und Kulturzentrum, Aomori

Fassade aus vertikalen Stahlbändern

Alljährlich im August feiert die nordjapanischen Hafenstadt Aomori das Nebuta Festival. Bei einem nächtlichen Umzug werden riesige, von innen beleuchtete Figuren durch die Stadt gezogen, begleitet von Musikern, Tänzern und Millionen von Zuschauern. Der Brauch soll auf eine kriegerische Auseinandersetzung im 8. Jahrhundert zurückgehen, als ein japanischer General mit furchterregenden Wesen aus Papier den Feind erschreckte. Noch heute stellen die 9,00 x 7,00 x 5,50 m großen Nebutas Kampfszenen historischer Helden und Dämonen dar. In monatelanger Arbeit wird dazu auf Unterkonstruktionen aus Holz und Draht Japanpapier geklebt und farbenprächtig bemalt.

Die Fassade besteht aus roten, in sich verdrehten Stahlbändern, die an verschiedenen Stellen beiseitegeschoben wurden
Den Zwischenraum zwischen Stahlfassade und Gebäudeabschluss verstehen die Architekten als „Schwelle zwischen Bild und Wirklichkeit“
Der Vorplatz zum Shinkansen-Bahnhof

Um den kunstvollen Laternen auch für den Rest des Jahres Raum zu geben, beschloss die Stadt Aomori, auf einem prominenten Grundstück zwischen Aomori-Bucht und Shinkansen-Bahnhof das Museum und Kulturzentrum Nebuta-no-ie Warasse zu errichten. Die Planung übernahm das kanadische Architekturbüro Molo Design zusammen mit d&dt Arch und Frank la Rivière Architects aus Tokio.

Der quadratische Bau schöpft fast die gesamte Grundstückstiefe aus, damit ein zum Bahnhof orientierter Vorplatz mit Meeresblick entstehen konnte. Um dem Nebuta-Haus Prägnanz im heterogenen Umfeld zu verleihen, realisierten die Architekten eine Fassade aus roten Stahlbändern, die das Gebäude wie ein Vorhang umhüllen. In deutlichem Abstand zum thermischen Gebäudeabschluss definieren die Bänder einen begehbaren Umgang, ähnlich der traditionellen japanischen Veranda, den die Architekten als „Schwelle zwischen der mystischen Welt der Nebutas und der gegenwärtigen Stadt“ verstehen.

Die Ausstellung erstreckt sich über zwei Ebenen. Die Besucher betreten das Museum über die dem Bahnhof am nächsten gelegene Gebäudeecke. Vom lang gestreckten Foyer führt eine Treppe in den offenen Ausstellungsbereich im Obergeschoss, wo die Besucher eintauchen in die magische Welt der Nebutas. In den nachtschwarzen Räumen können die gigantischen Laternen ihre Wirkung voll entfalten. Eine T-förmige Halle vermittelt die Atmosphäre des Straßenumzugs. Man betritt den hohen Raum auf einer Empore und steigt dann auf einer langen Rampe herab zu den leuchtenden Exponaten. Ein angrenzender Theater- und Konzertsaal lässt sich durch raumhohe Schiebetore zur Halle öffnen, sodass sich die Nebutas in Darbietungen einbeziehen lassen. Ebensolche Tore wurden auch in der Fassade der Halle untergebracht: Hier ziehen jedes Jahr die fünf besten Nebutas ein.
 
Fassade
Wie erstarrte Papierstreifen wirken die Stahlbänder, die einzeln um ihre vertikale Achse verdreht sind. Die Architekten entwickelten die Fassade am Modell, wobei sie ihre Durchlässigkeit nach dem Lichteinfall, den Ausblicken in die Umgebung und der Lage der Zugänge gestalteten. Auf Fußgängerniveau sind die Stahlbänder teilweise komplett beiseitegeschoben, als wären sie vom Wind bewegt. Auf diese Weise ist eine einheitliche und zugleich lebendige Fassade entstanden, die infolge des Licht- und Schattenspiels im dahinter liegenden Umgang eine geheimnisvolle Tiefe besitzt. Der Blick von innen verändert die Wahrnehmung: Das Tageslicht wird gefiltert, das Umfeld zeigt sich in einzelnen Sequenzen.

Die 748 Stahlbänder, jedes 12 m hoch, 30 cm breit und 9 mm stark, wurden nach der Modellvorlage handwerklich auf einer eigens entwickelten Maschine geformt und an der auskragenden Stahlkonstruktion des Daches aufgehängt. Drei weitere Befestigungspunkte erlauben über Langlöcher die Aufnahme von Bewegungen aus Windlasten und thermischen Längenänderungen. Das von der japanischen Lackkunst inspirierte Rot der Stahlbänder ist als Pulverbeschichtung über einem speziellen, seewetterfesten Korrosionsschutz aufgebracht. -pn

Bautafel

Architekten: Molo Design (Todd MacAllen + Stephanie Forsythe), Vancouver mit d&dt Arch (Yasuo Nakata), Tokio und Frank la Rivière Architects (Frank la Rivière), Tokio
Projektbeteiligte:
Kanebako Structural Engineers, Tokio (Tragwerksplanung); PT Morimura & Associates, Tokio (Haustechnik); Nittobo Acoustic Engineering, Tokio (Akustik)
Bauherr:
Stadt Aomori
Fertigstellung:
2010
Standort:
Yasukata 1-1-35, Aomori, Japan
Bildnachweis: Frank la Rivière, Tokio

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Materialien

Stahl, Edelstahl, Cortenstahl

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